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Zukunftsforscher sorgt früh am Morgen für Augenöffner

Künstliche Intelligenz und Elektrifizierung der Luftfahrt stellen die Welt auf den Kopf – und zwar sehr bald. Das erklärt ein bekannter Zukunftsforscher am Unternehmerfrühstück Rapperswil‑Jona.

Fabio
Wyss
08.11.23 - 21:55 Uhr
Wirtschaft
Überblickt die Zukunft: Zukunftsforscher Morell Westermann aus Gommiswald.
Überblickt die Zukunft: Zukunftsforscher Morell Westermann aus Gommiswald.
BILDER MARKUS TIMO RÜEGG

Morell Westermann ist es sich gewohnt, dass seine Aussagen zuweilen schwer zu glauben sind. «Ihr werdet euch in ein paar Jahren an mich erinnern», sagt der Zukunftsforscher gut gelaunt zu den etwa 250 anwesenden Unternehmerinnen und Gewerblern im Joner «Kreuz».

Sie lachten zuvor wegen eines Bezugs Westermanns zum Vorredner am Unternehmerfrühstück, Rapperswil‑Jonas Stadtpräsident Martin Stöckling. Dieser datierte am Mittwoch kurz nach 7 Uhr die Gäste über die wichtigsten laufenden Geschäfte der Gemeinde auf.

Darunter ist auch das Neubauprojekt «Jona-Port». Westermann, bekannt als Weltrekordpilot mit einem Elektroflugzeug, denkt bei «Port» jeweils an «Airport». Darum sagte er in seinem Referat: «Solarzellen auf Gebäuden sind super, aber lasst ein paar Quadratmeter frei für die Landeplätze der Lufttaxis.»

Revolution der Luftfahrt?

Solche elektrischen Lufttaxis sollen 2024 an den Olympischen Spielen in Paris im Einsatz stehen. Sie sind nur ein Teil der «Revolution der Luftfahrt», wie sie Westermann beschreibt. «Die grosse Frage ist: Wann erreichen Batterien eine Leistung von 500 Wattstunden pro Kilogramm?», so der Aviatikexperte. «Dann ist es vorbei mit Verbrennungsmotoren in Kleinflugzeugen.»

In wenigen Jahren soll es so weit sein – «spätestens 2030», sagt er, der letzten Sommer mit einem Elektroflugzeug an einem Tag durch ganz Deutschland flog. Bei seinem Weltrekordflug 2020 (die «Linth‑Zeitung» berichtete mehrfach) benötigte er dafür noch drei Tage. Für Westermann ist es ein Beispiel dafür, wie rasch die Technologie voranschreitet.

Wegen immer leistungsfähigeren Batterien geht der Elektroautofahrer auch auf der Strasse davon aus, dass keine Verbote für Verbrennungsmotoren nötig sind. «E-Autos werden so viel besser und günstiger», begründet er.

Kein Führerschein mehr nötig

Vom Elektroauto schlägt Westermann eine Brücke zum zweiten Megathema, das er den Gewerbetreibenden zum Frühstück näher bringen will: künstliche Intelligenz (KI). «Meine Kinder werden keinen Führerschein mehr benötigen. Bis dahin fahren autonome Fahrzeuge auf der Strasse.»

Voller Saal: Das Unternehmerfrühstück lockt 250 Gewerbetreibende aus Rapperswil-Jona an.
Voller Saal: Das Unternehmerfrühstück lockt 250 Gewerbetreibende aus Rapperswil-Jona an.

Wenn der gebürtige Deutsche referiert, sind sowohl Sprechtempo als auch Komplexität hoch. Trotzdem serviert er das alles leicht verdaulich. Das liegt an einprägsamen Sätzen wie: «Wir Menschen sind am Ende der Dummheit angekommen.» Und Westermanns hoffnungsvollen Visionen: «Dank künstlicher Intelligenz wird alles möglich. Wir werden Energieüberfluss haben und das zukünftige Trinkwasserproblem lösen.»

Oder Episoden aus der Familie des Mittvierzigers: «Meine Kinder wollten zum wiederholten Male das gleiche Kinderbuch anschauen.» Stattdessen brachte Westermann ihnen die Fähigkeiten der Software ChatGPT näher. Sie durften ihre Lieblingsfiguren angeben. Innert zehn Minuten erstellte Westermann via ChatGPT ein neues Kinderbuch mit drei Kapiteln und diversen Bildern.

Die Fähigkeiten von KI machten nicht nur Kinderbuchautoren überflüssig. Bald verschwänden auch Callcenter-Mitarbeitende. «Roboter können das besser.» Grosses Potenzial sieht Westermann bei Robotern als Haushaltshilfen. «Der Markt für Haushaltsroboter ist zehnmal grösser als für E-Autos.»

Einmal kurzes Schwarzmalen

Er gehe davon aus, dass die gesamte Arbeitswelt, Rechtslage oder Rentensysteme sich aufgrund von KI komplett verändern. «ChatGPT besteht schon heute Anwaltsprüfungen.» Die künstliche Intelligenz dahinter zu erkennen, sei kaum möglich. Darum sagt er: «Wir müssen aufpassen, dass KI nicht aus dem Ruder läuft.»

Das ist fast das einzige Mal, dass Westermann während seines Referats so etwas wie schwarzmalt. «Ich will in erster Linie aufzeigen, was möglich ist. Und von medial negativen Themen ablenken.»

Gemessen am kräftigen Applaus gelingt ihm das. Und manch einem werden Westermanns Worte in Erinnerung bleiben – egal, was die Zukunft bringt. 

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