×

Nach der Feier hofft Genf auf den Turnaround in der National League

Der Tag nach dem grossen Triumph in der Champions Hockey League und nach einer ausschweifenden Party war für Genf-Servette kein gewöhnlicher. Und auf Geheiss von oben wurde am Mittwoch weitergefeiert.

Agentur
sda
21.02.24 - 14:38 Uhr
Eishockey

Die riesige Genfer Freude war verständlich. So viele rührige Geschichten wurden beim Finalsieg gegen das schwedische Spitzenteam Skelleftea geschrieben.

Da war der Enthusiasmus der Fans, die Les Vernets im Vorverkauf innerhalb von drei Minuten ausverkauften. Wer kein Ticket ergattert hatte, feierte mit rund 5000 Anderen vor der Halle in einer Fan-Zone.

Da war der 27-jährige Verteidiger Roger Karrer, der vor 15 Jahren vor dem Fernseher mitfieberte, als die ZSC Lions in Rapperswil gegen Metallurg Magnitogorsk die Champions League gewannen. Karrer behielt alles in Erinnerung. Der damals 12-jährige Lions-Junior wollte die Champions League auch gewinnen. «Aber dann gab es sie jahrelang nicht mehr. Ich dachte, ich würde nie Champions League spielen können. Und jetzt haben wir diese Liga mit Servette auch gewonnen.»

Pouliot: «Verrückt!»

Oder Verteidiger Theodor Lennström - der Schwede, der diese Saison bei Servette Henrik Tömmernes hätte vergessen machen sollen. Lennström fiel Anfang Saison vier Wochen lang aus, spielte dann während vier Wochen, ehe ihn eine Hirnerschütterung von Mitte November bis Mitte Februar erneut ausser Gefecht setzte. Erst 12 Meisterschaftsspiele bestritt Lennström diese Saison, am Dienstag gewann er aber zum zweiten Mal in seiner Karriere (nach 2019 mit Frölunda) die Champions League.

Oder Marc-Antoine Pouliot. «Zwei Titel innerhalb von zehn Monaten! Mit 38? Für mich ist das verrückt und magisch zugleich. Aber besser spät als nie!» Pouliot erzählt: Bei den Junioren habe er alles reihenweise geholt: Titel, Ehrungen, Rekorde. «Aber bei den Profis gewann ich bis vor einem Jahr nichts - und jetzt das!»

All diese Geschichten werden jedoch von Valtteri Filppula überstrahlt. Der finnische Stürmer wird nächsten Monat 40 - «und jetzt hat er dann etwa alles gewonnen», freuen sich die Zürcher Verteidiger Tim Berni und Karrer für ihren magistralen Teamkollegen. Filppula ist der erste des exklusiven Triple-Gold-Klubs (Stanley Cup, Weltmeistertitel, Olympiagold), der auch noch die Champions Hockey League gewinnt.

Filppulas Märchen

Der Rummel, der daraus gemacht wurde, war Filppula überhaupt nicht genehm: «Für mich zählte primär, dass wir den Titel als Mannschaft holten. Ich zitterte wie noch nie in einem Eishockeyspiel, als ich in der Schlussphase für zwei Minuten auf die Strafbank musste.» Und zu seinem Palmarès: «Ich habe das Glück, dass ich mit meinen Erfolgen mit anderen grossartigen Spielern mithalten kann. Das Glück stand mir in meiner Karriere oftmals zur Seite: Es ist nicht selbstverständlich, dass ich so lange spielen kann, und dass ich immer wieder in Mannschaften mittun durfte, die in der Lage waren, zu gewinnen. Das macht mich natürlich auch stolz!»

Sicher ist: Filppula war in Genf zur rechten Zeit am rechten Ort. Vor drei Jahren, nach 16 Saisons und 1222 NHL-Partien, wurde er in Nordamerika als Alteisen abgestempelt: zu alt, Zenit überschritten, so hiess es. Er hätte sich mit seinen verdienten 49 Millionen Dollar ein schönes Leben machen können, aber «mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich noch weiterspielen will. Mein Bruder Ilari empfahl mir die Schweiz. Er selber spielte von 2014 bis 2016 in Lugano. Als sich dann Servette bei mir meldete, musste ich nicht lange überlegen.» Seit dem Wechsel nach Genf gewann er vier Titel: Olympiasieger 2022, Weltmeister 2022, Schweizer Meister 2023, Champions League 2024.

«Müssten vorne mitspielen»

Aber nach allen Feiern in diesen Tagen wird sich spätestens ab dem nächsten Wochenende die Frage stellen: Wie geht es weiter mit Genf-Servette? Wenn Servette in der National League so spielt wie am Dienstag gegen Skelleftea, können sie den Schweizer Meistertitel in den Playoffs erfolgreich verteidigen - egal von welchem Startplatz aus. «Wir spielten in der Meisterschaft bislang weit unter unserem Niveau», sagt Sportchef Marc Gautschi. «Mit dieser Mannschaft müssten wir eigentlich vorne mitspielen.» Aber: «Hockey ist eben auch ein mentales Spiel. Wer im Kopf nicht zu 100 Prozent parat ist, der gewinnt in einer so ausgeglichenen Meisterschaft wie der National League nichts.»

Gautschi erzählt davon, wie sich alle Trainer und Betreuer letzten Sommer in die Berge zurückzogen. Das einzige Thema: Wie sorgen wir dafür, dass bei uns kein Meister-Blues aufkommt. Gautschi: «Wir waren uns so sicher, dass es das bei uns nicht geben würde.» Und doch liess sich das sportliche Durchhängen nicht verhindern. «Ich hoffe, dass der Grosserfolg in der Champions League zum Befreiungsschlag gerät. Wir spielten so gut und so diszipliniert gegen Skelleftea - jetzt müssen wir auch in der Saison so spielen. Die Spieler haben keine Ausreden mehr. Sie haben gezeigt, dass sie es können.»

Die Kommentarfunktion wurde für diesen Artikel deaktiviert.
Mehr zu Eishockey MEHR