×

St. Gallen hat bei den Prämien für Alleinerziehende die rote Laterne

Die St. Galler SP fordert Konsequenzen: Nachdem das Bundesgericht den Kanton Luzern wegen Sparmassnahmen bei Prämienverbilligungen zurückgepfiffen hat, müsse auch St. Gallen über die Bücher und den Mittelstand stärker entlasten.

31.01.19 - 04:30 Uhr
Politik
Prämienexplosion: Die Gesundheitskosten steigen schweizweit stärker als die Teuerung – auch weil die Bevölkerung altert.
Prämienexplosion: Die Gesundheitskosten steigen schweizweit stärker als die Teuerung – auch weil die Bevölkerung altert.
SYMBOLBILD KEYSTONE

Das Urteil aus Lausanne ist Wasser auf die Mühlen der St. Galler SP. Die Partei fordert seit Jahren höhere Krankenkassen-Prämienverbilligungen – und nun hat das Bundesgericht erstmals festgehalten, dass mit Luzern ein Kanton die vom Bund vorgegebene Schmerzgrenze unterschreite. Dies, weil mittelständische Familien mit Kindern nach Sparschnitten komplett von Prämienverbilligungen ausgeschlossen sind.

Für die St. Galler SP ist klar: Das Urteil müsse auch im Kanton Konsequenzen haben. Denn die Prämienverbilligung sei in St. Gallen «seit Jahren ungenügend», schreibt die Partei in einer gestern verschickten Medienmitteilung. Mittelständische Familien litten ebenfalls unter einer übermässigen Prämienlast.

Vorgaben weit verfehlt

Fakt ist: Gemäss dem jüngsten Monitoring-Bericht des Bundes kommt in St. Gallen entgegen den Vorgaben aus Bern nur eine von vier untersuchten Familienkategorien in den Genuss von Prämienverbilligungen, wenn sie an der Schwelle zu einem mittelständischen Einkommen ist – sprich über 70 Prozent des Durchschnitts verfügt. Besonders prekär ist die Situation von Alleinerziehenden: In keinem anderen Kanton belasten die Krankenkassenprämien eine Alleinerziehende mit zwei Kindern so sehr wie in St. Gallen. 14 Prozent des Einkommens gehen im Kanton bei dieser finanziell anfälligen Konstellation für die Prämien drauf – im Schweizer Durchschnitt ist es ein Drittel weniger.

«Angesichts der Realitäten genügen die vom Kantonsrat beschlossenen 12 Millionen nicht.» MAX LEMMENMEIER

Alarmierend sind auch die Langzeitzahlen, welche die St. Galler SP präsentiert. Seit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 1996 sind die Prämien für Erwachsene um 300 Prozent gestiegen, dies bei einer allgemeinen Teuerung von gerade einmal 11 Prozent. Eine Familie mit zwei Kindern habe heute so im Monat 520 Franken weniger zur Verfügung als 1996, rechnet die SP vor. Rund 15 Prozent ihres Einkommens geben die Haushalte im Kanton St. Gallen und in der Schweiz heute im Mittel für Krankenkassenprämien aus – nach den Vorgaben des Bundes sollten es nicht mehr als 8 Prozent sein.

«Tropfen auf heissen Stein»

Als «Tropfen auf einen heissen Stein» bezeichnet SP-Kantonalpräsident Max Lemmenmeier die Massnahmen, die der Kantonsrat im November 2018 als sozialen Ausgleich zur Unternehmenssteuerreform beschlossen hat. 12 Millionen Franken pro Jahr will er ab 2020 zusätzlich lockermachen, um Krankenkassenprämien für Kinder zu verbilligen. «Angesichts der Realitäten sind weitere Gelder zur Prämienverbilligung nötig», sagt Lemmenmeier.

Bereits in der Februarsession des Kantonsrats will die SP mehrere Vorstösse einreichen. Dabei gehe es allerdings noch nicht um konkrete Forderungen, erklärt Lemmenmeier, sondern die Partei verlange von der Regierung erst einmal eine Stellungnahme zum aktuellen Entscheid des Bundesgerichts.

«Das Problem muss an der Wurzel gepackt werden – bei den steigenden Gesundheitskosten.» ANDREAS WIDMER

Damit rennt die SP offene Türen ein: «Selbstverständlich werden wir den Entscheid analysieren und prüfen, inwieweit wir unsere Eckwerte anpassen müssen», erklärt Gesundheitsdirektorin Heidi Hanselmann (SP). Ob die Prämienverbilligungen über die bereits beschlossenen 12 Millionen Franken hinaus erhöht werden müssten, sei Gegenstand der Abklärungen.

Bürgerliche winken ab

Auf taube Ohren stösst die SP mit ihrer Forderung nach zusätzlichen Mitteln bei den bürgerlichen Parteien, wie diese bereits im November im Kantonsrat bekräftigten. Diese Haltung teilt auch die CVP, die in sozialpolitischen Fragen der Linken am nächsten steht: «Mit den 12 Millionen Franken ist für uns die Obergrenze erreicht», sagt Fraktionspräsident Andreas Widmer. Das Problem müsse an der Wurzel gepackt werden, und diese liege bei den stetig steigenden Gesundheitskosten, betont er.

Widmer verweist darauf, dass der Kanton bereits jetzt Jahr für Jahr mehr Geld für Prämienverbilligungen ausgibt. Allein zwischen 2007 und 2017 sind die Aufwendungen pro Einwohner wegen der explodierenden Prämien um fast 50 Prozent gestiegen – obschon der Kanton aufgrund von Sparmassnahmen einem Fünftel der Bezüger die Zuschüsse gestrichen und so die Prämienverbilligungen zunehmend auf Personen am Existenzminimum beschränkt hat. 62 Prozent der Summe gehen inzwischen an Empfänger von Sozialhilfe und Ergänzungsleistungen zur AHV.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Politik MEHR