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Stark gegen verbale Gewalt: So reagiert ihr richtig 

Was tun, wenn man verbaler Gewalt ausgesetzt ist? Die Kantonspolizei Graubünden und ein Gewaltberater liefern Tipps und Strategien.

Sina
Trottmann
19.10.23 - 16:52 Uhr
Menschen & Schicksale
Verbale Gewalt im Alltag: Beschimpfungen, Drohungen und respektloses Verhalten können überall auftreten und durch bekannte oder fremde Personen begangen werden. 
Verbale Gewalt im Alltag: Beschimpfungen, Drohungen und respektloses Verhalten können überall auftreten und durch bekannte oder fremde Personen begangen werden. 
Bild Envato

Grundlose Beschuldigungen, Infragestellen der Kompetenz, persönliche Beleidigungen oder Bedrohungen: Fast jede und jeder hat bereits solche Erfahrungen gemacht. Diese Art von Situationen hinterlassen oft ein ungutes Gefühl, manchmal sogar Angst. Und als wäre dieser Stress nicht schon genug belastend, plagen einen hinterher auch noch die Gedanken, wie man doch hätte reagieren können. Man nervt sich über sich selbst und nimmt sich vor, einem nächsten Mal anders zu begegnen. 

Fight, Flight und Freeze

In Bedrängnis reagiert jede Person anders. Eine Theorie von Walter Bradford Cannon beschreibt die seelische und körperliche Anpassung an eine Gefahrensituation und unterteilt diese in zwei Kategorien. Fight und Flight – also Kampf und Flucht. Der britische Psychologe Jeffrey Alan Gray erweiterte diese Theorie um die Kategorie Freeze – das Erstarren. 

Fight, Flight und Freeze: Manche Menschen ergreifen die Flucht, wenn sie verbaler Gewalt ausgesetzt sind. 
Fight, Flight und Freeze: Manche Menschen ergreifen die Flucht, wenn sie verbaler Gewalt ausgesetzt sind. 
Bild Freepik

Stuft ein Mensch eine Situation als Gefahr ein, versetzt sich der Körper reflexartig in einen der drei Modi – auch bei verbalen Angriffen. Die erste Reaktion gilt als Instinkthandlung und kann nicht gesteuert werden. Durch Training kann man die Impulskontrolle allerdings verbessern und so das angeborene Verhalten beeinflussen.

Um das eigene Verhalten im Verlauf der Situation zu steuern und angemessen zu reagieren, ist es hilfreich, seine Reflexreaktion zu kennen. Darauf kann das Training zur Impulskontrolle aufgebaut werden. 

Grenzüberschreitungen abwehren

Die Kantonspolizei Graubünden empfiehlt sechs Punkte, die bei verbaler Gewalt zu einer Deeskalation beitragen können. Dabei ist wichtig, bei sich und der eigenen Energie zu bleiben.

1. Ruhe bewahren und sich selbst kontrollieren

2. Nicht provozieren lassen

3. Angemessene Nähe oder Distanz einnehmen

4. Den richtigen Ton treffen

5. Sachlich bleiben

6. Rückfragen stellen, um die Gründe zu erfahren

Ein weiterer wichtiger Punkt ist laut Bruno Tscholl, Gewaltberater und Trainer Emotionaler Kompetenzen, dass die angegangene Person sich wehrt und nicht in die Opferrolle fällt. «Verbale Gewalt entsteht immer in Zusammenhang mit einer Beziehung», meint er. Es seien immer zwei Parteien beteiligt.

Abhängig von der Art der Bekanntschaft gibt es verschiedene Varianten, um zu reagieren. So könne ein «Stopp, das will ich nicht» oder ein «Das verletzt mich jetzt sehr» eine klare Grenze aufzeigen. Das eigene Gefühl zu signalisieren, sich klar abzugrenzen und das Gespräch zu beenden, sei eine oft problemlösende Strategie, erklärt Tscholl.

Grenzen aufzeigen: In hitzigen Situationen ist es empfehlenswert, seine eigenen Gefühle zu signalisieren. 
Grenzen aufzeigen: In hitzigen Situationen ist es empfehlenswert, seine eigenen Gefühle zu signalisieren. 
Bild Freepik

In Paarbeziehungen biete sich ein Codewort an, welches zuvor in einem ruhigen Moment festgelegt wird. Droht die Situation zu eskalieren, wird das Wort ausgesprochen. Es sollte kein alltäglich gebrauchtes Wort wie «Gabel» oder «Tisch» sein, sondern ein spezielleres. Was nach der Äusserung des Codeworts passiert, wird ebenfalls im Vorhinein abgesprochen. Sei das ein Spaziergang oder ein Besuch bei Freunden – während dieser sogenannten Time-out-Phase sollte das Paar keinen Kontakt miteinander haben. 

Auch das Selbstbewusstsein spiele eine grosse Rolle. «Jemand, der ein selbstbewusstes Auftreten hat, wird vermutlich weniger stark angegriffen», erklärt der Gewaltberater. Um eben dieses zu stärken, gebe es auch Programme.

Aber auch die eigene Tagesform ist gemäss Tscholl entscheidend. So gibt es Tage, an welchen man empfindlicher reagiert als sonst, gereizt ist oder wenig Energie hat. Solche Faktoren beeinflussen wiederum die Art und Weise, wie man auf einen verbalen Angriff reagiert. 

Die Tagesform ist entscheidend: Wer sich voller Energie fühlt, reagiert auf einen verbalen Angriff möglicherweise selbstbewusster als jemand, der müde ist. 
Die Tagesform ist entscheidend: Wer sich voller Energie fühlt, reagiert auf einen verbalen Angriff möglicherweise selbstbewusster als jemand, der müde ist. 
Bild Freepik 

Polizeiliche Hilfe

Gemäss der polizeilichen Kriminalstatistik werden im Kanton Graubünden jährlich zwischen 144 und 185 Fälle von Drohungen gemeldet. «Eine Handlung oder Aussage ist dann eine Drohung, wenn eine Person damit in Angst und Schrecken versetzt wird und so ihre Handlungsfreiheit eingeschränkt wird», erklärt die Kantonspolizei Graubünden.

Eine betroffene Person müsse einen Strafantrag stellen, damit die Strafverfolgungsbehörde aktiv werde. Drohungen würden immer ernst genommen werden, betont die Kantonspolizei Graubünden. Wenn also jemand Angst hat, sollte er sich an die Polizei wenden. Ist die Identität des Ausübenden von verbaler Gewalt, Drohung oder Mobbing nicht bekannt, kann eine Anzeige gegen Unbekannt gemacht werden.

Falls der verbale Angriff in körperliche Gewalt übergeht, empfiehlt die Bündner Polizei, sich aus dem Gefahrenbereich zu begeben, Hilfe durch Passanten oder Nachbarn zu holen und die Polizei zu informieren. 

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