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Übers Altwerden: «Sitzbänke würden helfen»

Martha Crameri aus Untervaz und Bernadette Brandenburger aus Trimmis, beide Koordinatorinnen fürs Alter in ihren Gemeinden, übers Altwerden, das heute anders ist.

Bündner Woche
15.03.24 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Nicht immer ganz so schön: das Altwerden.
Nicht immer ganz so schön: das Altwerden.
Adobe Firefly (Stichworte Alte Menschen von hinten)

von Laura Kessler

Ein Theater übers Alter. Genau das macht das Theater «COLORi» mit ihrem Programm «spätsinnig». Wie alt werden? Welche Angebote nutzen? Wie sich pflegen lassen (müssen)? Mit solchen Fragen beschäftigt sich nicht nur das Theater, sondern auch Bernadette Brandenburger aus Trimmis und Martha Crameri aus Untervaz. Bernadette Brandenburger ist Koordinatorin und Anlaufstelle Alter. Sie berät Seniorinnen, Senioren und ihre Angehörigen, vermittelt passende Angebote und koordiniert Veranstaltungen, Aktivitäten, Kurse und Vorträge.

Martha Crameri kommen ähnliche Aufgaben in Untervaz zu. Sie ist Teil der Stiftung Alterswohnungen, die 20 Wohnungen anbietet. Angegliedert ist die Koordinationsstelle am «VazerNetz», welches aus circa 60 Freiwilligen besteht. Martha Crameri arbeitet als Koordinatorin, unterstützt Seniorinnen und Senioren bei verschiedenen Fragen und organisiert verschiedene Veranstaltungen, so zum Beispiel dreimal die Woche das «Generationa-Kafi», den Sonntag-Mittagstisch, oder nun auch zusammen mit den Gemeinden Trimmis und Landquart die Theateraufführung des Theaters «COLORi» für die Seniorinnen und Senioren der drei Gemeinden.

Die beiden Frauen setzen sich mit dem Alter und dem Altwerden auseinander. Im Interview sprechen sie darüber.

Frau Brandenburger, Frau Crameri, es scheint, dass das Älterwerden in unserer Gesellschaft als etwas Schlechtes angesehen wird. Das Streben nach ewiger Jugend ist gross. Wie nehmen Sie das wahr?

Martha Crameri: Das Alter ist ein schweres Thema. Heute vielleicht schwerer als früher. Obwohl man darüber spricht, habe ich das Gefühl, es ist nicht leicht, heute alt zu werden. Alte Menschen werden vermehrt fremdbetreut und sind nicht mehr Teil der Mitte.

Bernadette Brandenburger: Ob das Altwerden wirklich schwerer geworden ist? Es ist anders. Mit dem Alter kann man sich nicht erst bei der Pensionierung auseinandersetzen. Die ewige Jugend ist sehr präsent in unserer Gesellschaft. Da muss jeder und jede für sich einen Mittelweg finden, um den Spagat zwischen älter werden und jugendlich bleiben zu meistern. Äusserlich und innerlich. Wichtig ist sicher, offen zu bleiben für Neues und Kontakte auch ausserhalb der Familie zu pflegen. Dann kann nicht nur die Jugend, sondern auch das Alter spannend sein.

Was heisst es denn heute, alt zu werden?

Martha Crameri: Wenn ich zurückschaue, sehe ich Grosseltern, die auch im Alter mitgearbeitet haben. Im Haushalt, auf dem Hof, bei der Kinderbetreuung. Sie waren eingebunden. Das ist heute weniger der Fall. Die Menschen arbeiteten, werden pensioniert und können sich mehr der Freizeitgestaltung widmen. Manchen fehlt so aber eine Aufgabe. Kommt hinzu, dass man heute bei der Pensionierung nicht alt ist. Man ist mobil und das Angebot für fitte Seniorinnen und Senioren ist entsprechend gross. Man möchte noch etwas erleben, denn, und das wird einem im Alter auch bewusster, das Leben ist endlich. Wir haben nicht unendlich Zeit.

Bernadette Brandenburger: Es ist wichtig, im Alter eine Balance zu finden. Man darf sich Ruhe gönnen und muss nicht immer aktiv sein. Aber nichts mehr zu tun, ist sicher auch nicht gut. Die Angebote für Seniorinnen und Senioren wurden vielfältiger. Wenn die Leute gesund und selbstständig sind, können sie reisen, Hobbys ausüben und in der Freizeit unterwegs sein.

Martha Crameri: Anders gestaltet es sich, wenn jemand hilfs- oder pflegebedürftig wird. Dann ist die Gefahr gross, einsam zu werden.

Kennen sich aus mit den Freuden und Sorgen im Alter: Martha Crameri (links) und Bernadette Brandenburger.
Kennen sich aus mit den Freuden und Sorgen im Alter: Martha Crameri (links) und Bernadette Brandenburger.
Laura Kessler

Einsamkeit ist ein grosses Thema?

Martha Crameri: Das meinte ich vorhin mit der Aussage, dass es heute schwer ist, alt zu werden. Meine Grosseltern beispielsweise waren eingebettet in der Familie. Heute ist das oft anders. Den Angehörigen fehlt die Zeit, sich um die ältere Generation zu kümmern. Manche warten ständig darauf, von ihren Kindern und Enkelkindern besucht zu werden, und isolieren sich so auch ein Stück weit. Genau für solche Menschen und natürlich auch für die noch mobilen Seniorinnen und Senioren sind unsere Angebote da.

Bernadette Brandenburger: Manchmal ist es aber schwierig, Menschen, die bereits zurückgezogen leben, zum Mitmachen zu animieren. Aber genau hier wäre es wichtig, denn mit der Einsamkeit kommen Krankheiten und Schmerzen. Jedoch, wie vorhin bereits erwähnt, ist es wichtig, sich nicht erst im Alter mit dem Alter und seinen Begleiterscheinungen auseinanderzusetzen. Man muss schon vorher ein Netz an Kontakten pflegen, sich öffnen und sich nicht immer nur auf die Eigenen verlassen. Man darf und soll auch Hilfe von aussen annehmen.

Wie möchten Menschen heute alt werden?

Martha Crameri: Wir erhoben in der Gemeinde Untervaz vor einigen Jahren die Wünsche der über 65-Jährigen. Die meisten wollen so lange wie möglich zu Hause leben und von den Angehörigen betreut werden. Wenn das nicht möglich ist, wünschen sich viele ein Altersheim im Dorf, was wir nicht so einfach umsetzen können. An zweiter Stelle steht ein scheinbar profanes Thema: mehr Sitzbänke im Dorf. Viele wären noch mobil genug, um selber im Dorfladen einkaufen zu gehen oder zu Fuss die Kirche zu besuchen, jedoch ist der Weg ohne Pause für viele zu weit. Sitzbänke würden helfen.

Bernadette Brandenburger: Die älteren Menschen streben nach einer aktiven und gesunden Weise alt zu werden. Sie wollen auch im Alter selbstbestimmt leben und Unabhängigkeit bewahren, neue Erfahrungen sammeln und auf allen drei Ebenen vital bleiben – körperlich zum Beispiel durch Bewegung, geistig durch kulturelle Anlässen und seelisch durch bereichernde, soziale Kontakte. Aufgrund einer Zukunftskonferenz im Jahr 2010 wurden die Wünsche von Seniorinnen und Senioren aufgenommen und mit dem Projekt «insieme sano» erfolgreich umgesetzt. Das Angebot wird laufen den heutigen Bedürfnissen angepasst und erweitert, zum Beispiel durch E-Bike-Touren und Generationenprojekten mit den Schulen wie einem Handykurs und vieles mehr.

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