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«Smoke Sauna Sisterhood» zwischen Spiritualität und Emanzipation

Der Dokumentarfilm «Smoke Sauna Sisterhood» der estnischen Filmemacherin Anna Hints zeigt die Sauna als emanzipatorisches Ritual. Er rückt Frauen in Estland in den Focus, die in der Sauna nicht nur ihre Kleidung, sondern auch ihr Leid ablegen.

Agentur
sda
11.01.24 - 12:29 Uhr
Kultur

Seit 2014 steht die Rauchsauna-Tradition des Kreises Võru im Südosten Estlands auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco. Eine Sauna-Kultur, die tief in der estnischen Kultur verwurzelt sei, wie Verleiher Trigon-Film mitteilt.

Die «Rauchsauna» hat im Gegensatz zur traditionellen Sauna keinen Schornstein. Bis die Betriebstemperatur erreicht ist, zirkuliert der Rauch. Über Ventile wird dann der Rauch abgelassen, und die Sauna ist betriebsbereit. Der Rauch der Sauna und der Nebel in der estnischen Landschaft erzeugen ein starkes Gefühl von Spiritualität. Diese wird spürbar, wenn die Frauen mit rituellen Gesängen um den Schutz der Geister bitten.

Sauna als Familientradition

«Meine Grossmutter hat mir die Traditionen der Rauchsauna weitergegeben», sagte die Regisseurin in einem Interview mit dem Filmverleih. Die Sauna sei ein «sicherer Raum», in dem sich die Frauen einander anvertrauten und in einem Prozess der Heilung und Emanzipation von dem befreien könnten, was sie am meisten belaste. «Wir reinigen Körper und Seele vor wichtigen Ereignissen», sagte Hints.

Im Film vertrauen sich die Frauen in der Sauna ihre grössten Geheimnisse an: von Abtreibungen oder sexuellem Missbrauch. Sie können frei sprechen, ohne unterbrochen oder verurteilt zu werden. Und sie hören einander zu. Die Zuschauerinnen und Zuschauer erleben die Intimität in der Sauna und die heilende Wirkung der Worte.

Nacktheit ohne Voyeurismus

Für die Dreharbeiten des Dokumentarfilms musste die Regisseurin zusammen mit ihrem Kameramann einige Herausforderungen meistern. Sei es wegen der hohen Temperaturen in der Sauna, oder der Frage nach dem angebrachten Umgang mit dem nackten weiblichen Körper. Es bedurfte mehrerer Testaufnahmen, bis das visuelle Konzept für den Film gefunden wurde. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Oft werden nur einzelne Körperteile gezeigt. Nie wirkt der Blick auf die 25 Frauen unangebracht.

Die 1982 geborene Hints ist auch experimentelle Folk-Musikerin und Sängerin des Elektro-Trios Eeter. Wohl deshalb spielt Musik im Dokumentarfilm eine wichtige Rolle. Folkloristische Ziehharmonika bis hin zu experimenteller Musik begleiten die Bilder perfekt.

Im vergangenen Dezember wurde der Film bei den Europäischen Filmpreisen, den Oscars des europäischen Kinos, als «Bester Dokumentarfilm» ausgezeichnet. Das ist nur die jüngste in einer langen Reihe von Auszeichnungen. Der Film erhielt unter anderem den Preis für die beste Regie in der Kategorie «World Cinema Documentary» beim Sundance Film Festival 2023.

«Smoke Sauna Sisterhood» läuft ab dem 11. Januar in den Deutschschweizer Kinos.

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