×

Vielleicht hilft ja ein Tritt ins Hinterteil

Der Eisenplastiker Yvan «Lozzi» Pestalozzi sucht Platz zur Realisierung seiner Projekte. Finden würde er ihn am liebsten im Glarnerland.

Südostschweiz
12.10.19 - 04:30 Uhr
Kultur
Yvan Pestalozzi sucht einen Ort, um seine Werke in einem Museum ausstellen zu können.
Yvan Pestalozzi sucht einen Ort, um seine Werke in einem Museum ausstellen zu können.
MARCO HÄUSLER

von Marco Häusler

Konstruiert hat Yvan Pestalozzi seine «Tritt-in-Arsch-Maschine» 1976, weil er sich über die damalige Fremdarbeiterpolitik aufgeregt hatte. Er war noch nicht einmal halb so alt wie heute, fand es jedoch schon damals fast unerträglich, dass Gastarbeiter – meist Italiener – wegen der drohenden Rezession zu Tausenden in ihr Land zurückgeschickt wurden, nachdem sie der Schweiz wertvolle Dienste geleistet hatten.

Als «Anwendungsbereiche» für seine «Maschine» definiert «Lozzi» Pestalozzi «bestimmte Personen in Politik, Wirtschaft und staatlichen Verwaltungen». Und er warnt sie: «Es ist darauf zu achten, dass das zu tretende Hinterteil der ‹Maschine› zugewandt ist; verkehrtes Hinstehen kann schwerwiegende Folgen haben.» Autsch.

Tatsächlich benutzen lässt sich die Maschine nicht; dafür ist sie zu klein. Und sie funktioniert nicht. Denn trotz der unzähligen Tritte, die sie einem Holzhintern nun seit über 40 Jahren austeilt, ist die Migrationspolitik auch nach Pestalozzis heutiger Meinung keinen Deut besser geworden. Im Gegenteil: «Das Flüchtlingselend mit all den Todesopfern im Mittelmeer kann ich als Thema nicht angehen», sagt er. Das sei nun wirklich unerträglich.

Von der «Tritt-in-Arsch-Maschine» zeigt er sich trotzdem überzeugt: «Sogar ein Tritt in den eigenen Hintern bringt einen weiter.» Der Mann hat wohl recht. Und sicher Humor.

«Ja, ja, ein witziger Mensch»

«Eisprung», «Rauchergabel» oder «Abdankungsmaschine für Heuchler und Erbschleicher» heissen andere Werke. Letzteres versprüht auf Knopfdruck «klerikales Tränengas», wie in der Erläuterung dazu steht. Bei der «Rauchergabel» wird eine Zigarette auf einer Gabel befestigt und über ein Metallröhrchen mit der Gabelspitze verbunden, was gleichzeitiges Essen und Rauchen ermöglicht. Und der «Eisprung» ist ein «Eisprung»: ein Ei, das an der Spitze einer Sprungfeder ein Hindernis überwindet.

«Lozzi» liebt die Doppelbödigkeit. Die Ausstellung neben seinem Wohnhaus in Wald im Zürcher Oberland ist voller Objekte zu Wortspielen. Das sei einer der Gründe, warum er von «Kritikern der elitären Kunst total abgelehnt» werde, sagt er. Diese Kritiker seien sich einig: «Ja, ja, das ist ein witziger, fröhlicher Mensch, aber es fehlt das politische Engagement.»

Dabei sei er sozialpolitisch sehr engagiert, wie auch einzelne seiner Werke zeigten. «Ich bin ein denkendes Wesen», betont er, «im Grunde genommen sehr nachdenklich; ein sehr ernster Mensch.» Er setze einfach humorvoll um, was ihn beschäftige, denn: «Der Humor ist eine positive Kraft.»

Und er liebt die Bewegung. «Ich bin ein Bewegungsmensch.» Das wiederum habe in der Schweiz immer wieder einmal und zu seinem Leidwesen zum Vergleich seiner Arbeiten mit jenen des 1991 verstorbenen Künstlers Jean Tinguely geführt. «Sobald sich etwas bewegt, meinen viele, es sei Tinguely.»

Braun gebrannte Zahnärzte

Zumindest im Glarnerland ist Tinguely vermutlich bekannter als Pestalozzi. Dabei ist «Lozzi» im Rothaus in Näfels aufgewachsen (siehe Box). «Als Kind spielt man jemandem gerne hie und da einen Streich», erinnert er sich an eine Anekdote. Ausgeheckt habe diese Streiche jeweils der gleichaltrige Robert Küng, der sich nach der Ausführung jedoch stets rechtzeitig in Sicherheit gebracht habe. «Während ich immer zu spät war und den Arsch versohlt bekam.» Nicht von seiner eigenen Maschine, aber: «Küng wurde schliesslich Brigadier, ich Künstler.»

Als solcher könnte «Lozzi» auch noch berühmter sein, «wenn ich das gesucht hätte», wie er erzählt. «Denn in den 1970er- und 1980er-Jahren wurde ich oft an jene Jet-Set-Partys mit den braun gebrannten Zahnärzten eingeladen.» So habe damals auch die Zürcher Gesellschaftsreporterin und Klatschkönigin Hildegard Schwaninger immer wieder einmal über ihn geschrieben. «Aber diese Cüpli-Gesellschaft hat mich so viel Zeit und Kraft gekostet, dass ich mich aus ihr zurückzog.»

Helfen würde ihm etwas mehr Glamour jetzt vielleicht bei der Realisierung aktueller Projekte. So gründete er bereits 2012 die Stiftung Lozzi Museum. Über sie wird eine Liegenschaft gesucht, um darin ein Museum einzurichten. «Ideal wäre ein Raum von 200 bis 300 Quadratmetern, ungefähr drei Meter hoch, ebenerdig, rollstuhlgängig und gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar», beschreibt Pestalozzi, was ihm vorschwebt, um seine Sammlung von über 170 Lozziobjekten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Prophet im eigenen Land

«Wir brauchen sicher 2 bis 3 Millionen Franken, um das Museum in Schwung zu bringen», schätzt Lozzi. Investieren würde er das Geld am liebsten «irgendwo in der Nähe», also im Zürcher Oberland, in der Linthebene, oder: «Näfels oder das Glarnerland wäre natürlich der Hit, weil ich dort geboren worden bin. Damit würde sich gewissermassen ein Kreis schliessen.»

Noch mehr Platz bräuchte der Bau seines «ökumenischen Luftschlosses», eine 40 Meter lange, 30 Meter breite und 25 Meter hohe Eisenplastik als begehbares «Traumschloss der Religionen». Auch dafür käme der Kanton Glarus gerne infrage. Bisher erlebte er diesen jedoch eher als «Prophet im eigenen Land», der in diesem nicht so geschätzt wird. Beim Wettbewerb für das Denkmal zur Gemeindestrukturreform wurde seine Eisenplastik «Glarus bewegt!» nicht berücksichtigt. Und seine Multimediashow, die er als Bühnenprogramm in unterschiedlichen Längen gestaltet, hätte er gerne auch einmal an der Kantonsschule in Glarus gezeigt. «Aber da erhielt ich eine Absage.»

Nun; «Lozzi» erfand da 1976 die am Anfang erwähnte Maschine, die auch 43 Jahre später vielleicht noch weiterhelfen könnte.

Mehr Informationen unter

www.lozzi.ch

«Blindtext Blind Blind Blindtext.»

Vorname Name

Blindtext Blind Blind Blindtext Blindtext Blind

 

«Ich bin ein sehr ernster Mensch.»

Yvan «Lozzi» Pestalozzi

Eisenplastiker

 

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR