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Motti Wolkenbruch erobert die Herzen von Rapperswil-Jona

An der Vorpremiere des Films «Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse» tauchten die Zuschauer in Rapperswil in die Welt des jüdisch-orthodoxen Motti Wolkenbruch ein. Auch der Rapperswiler Regisseur Michael Steiner war anwesend. Ein anderer fehlte jedoch.

Linth-Zeitung
21.10.18 - 20:26 Uhr
Kultur

Von Gabi Corvi

Mame schreit wieder. Noch immer hat ihr «Bubele» keine Braut gefunden. Zehn «Schiddechs» (Heiratsvermittlungen) hat der junge Mordechai, genannt Motti, bereits hinter sich – und noch immer ist dem Herrn Wolkenbruch keine Kandidatin genehm.

Schon die ersten Sätze der Lesung, die Bestsellerautor Thomas Meyer am Samstag in der Stadtbibliothek hielt, waren Garant für Lacher. Man spürte förmlich die Verzweiflung der Mutter, Mame Wolkenbruch, aber auch die ihres Sohnes Motti, der es doch längst auf den verführerischen «Tuches» (Hintern) seiner Kommilitonin Laura abgesehen hatte.

Zuhören macht gute Laune

Die im Roman eingeflochtenen jiddischen Wörter und der satirische Blick des Autors, der selbst in einem jiddischen Haushalt aufgewachsen ist, machten beim Zuhören einfach gute Laune. Meyer brachte Passagen, die es nicht ins Drehbuch zum Film geschafft hatten. Wie zum Beispiel diejenige, in welcher der Tod an die Altersheimtüre von Mottis Grossmutter klopft. Herrlich komisch ist die Abfuhr, welche der «israelische Armeebulldozer» dem Sensemann erteilt.

Es steckt wohl auch ein rechtes Stück Motti in Meyer, das musste der Autor am Ende zugeben. Ob das Schreiben des Buches gar zur Bewältigung seines eigenen Mame-Komplexes gedacht war, liess Meyer schmunzelnd offen.

Erst Lesung, dann Film

Nach der heiteren Lesung in der Stadtbibliothek dislozierte die Gesellschaft ins Kino Leuzinger. Mit dem ersten Motti-Appetizer war sie schon wohlig eingestimmt auf die Irrungen und Wirrungen, welcher der Protagonist nun durchleben sollte, bis er endlich in den Armen einer Schickse (nicht-jüdische Frau) landen würde.

Bevor der Film startete, gab es aber ein paar lange Gesichter: Cécile Simoness von der Kinoevent GmbH verkündete, dass Hauptdarsteller Joel Basman krankheitsbedingt abgesagt hatte. Dafür gabs ihn dann neunzig Minuten als Wolkenbruch auf Kinoleinwand.

Basman verkörperte den identitätssuchenden Motti grossartig. Ob er Bräuten mit Prädikat «fesselnde Hässlichkeit» aus dem Weg ging oder in Tel Aviv in weissen Unterhosen zur ersten Liebesnacht ansetzte, man nahm ihm das Räuplein, das sich allmählich aus seinem Kokon befreite, ab.

Highlights waren die Szenen mit Mame Wolkenbruch, welche regelmässig in Ohnmacht fiel ob des gottlosen Verhaltens ihres Drittgeborenen. Lustig waren auch die Zusammenkünfte der ganzen Mischpoche (Familie), die Motti in regelrechte Brautschau-Hinterhalte führten. Dafür standen Mottis direkte Ansprachen ans Publikum etwas quer im Raum. Der Film hatte auch sonst einige Längen. So war das umständliche Anziehen der Brille des Hauptdarstellers bei Nummer zwanzig nicht mehr der Brüller.

Ein echter Hingucker waren dagegen Einstellungen an Originalschauplätzen in Wiedikon. Da kamen Heimatgefühle auf. Auch die Nebenhandlung mit Sunnyi Melles als kartenlegende Frau Silberzweig hatte etwas. Das Vorpremierepublikum schien auf alle Fälle «tsufridn» zu sein und wünschte ein herzliches «Masel tov» für den regulären Kinostart.

In der Schweiz gute Filme machen

Eine Talkrunde mit Michael Steiner, Thomas Meyer, Cécile Simoness und Produzent Hans Syz beschloss den Abend. Alle waren sich einig, dass sich der Roman hervorragend für eine Verfilmung eignete. «Als ich das Drehbuch gelesen habe, wusste ich, dass das funktionieren kann», betonte Regisseur Steiner.

Thomas Meyer war es wichtig, beim Drehbuch und beim Dreh eng eingebunden zu sein: Er habe allen Beteiligten gesagt: «Hey, nehmt das Ernst. Es ist mein Baby.» Produzent Hans Syz lobte Meyer: «Er ist einer der ganz wenigen, die offen sind für andere Meinungen und die nur das Beste für die Umsetzung des Films wollen.» Syz meinte auch, dass er sofort an «Steini» als Regisseur gedacht habe. Und ja, man könne in der Schweiz gute Filme machen, schob er nach.

«Der Zweifel ist der grösste Feind des Regisseurs», beschrieb Steiner seinen Ansatz zum Drehen und führte aus: «Ich entscheide sehr schnell. Mein Job hat viel mit Logistik zu tun. Ich muss innert kürzester Zeit manchmal bis zu 60 Leute auf den Punkt bringen und das Beste abrufen können.»

Meyer, der eigentlich kein Teammensch ist und lieber für sich alleine im stillen Kämmerlein arbeitet, hatte nach dem turbulenten Zürcher Filmfestival nicht mal mehr Lust auf eine Konversation mit seiner Freundin. Am Abend in Rapperswil zeigte er sich aber von seiner kommunikativen Seite. Ist dank des anstehenden Wolkenbruch-Fortsetzungsromans eine weitere Verfilmung nicht ausgeschlossen? Wenn ja, dann sicher wieder mit Drehbuchautor Thomas Meyer. Der im Talk selbstsicher augenzwinkernd behauptete: «Das kann nur ich!»

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