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Der «Schandfleck» hat mehr Wert als vor dem Brand

Neu gebaut wird das Eschenbacher Brandhaus noch lange nicht. Trotzdem macht es Schlagzeilen: Die Gemeinde schätzt die Immobilie höher ein, als noch bevor es brannte. Der Inhaber wehrt sich.

Fabio
Wyss
03.02.23 - 16:03 Uhr
Ereignisse
Der Eschenbacher Schandfleck: So nennt ihn Mitinhaber Hans-Jörg Helbling – und so wird das Haus wohl noch über Jahre bestehen. Denn seit dem Brand des Gebäudes mitten im Dorfzentrum hat den Rentner das Pech nicht verlassen.
Der Eschenbacher Schandfleck: So nennt ihn Mitinhaber Hans-Jörg Helbling – und so wird das Haus wohl noch über Jahre bestehen. Denn seit dem Brand des Gebäudes mitten im Dorfzentrum hat den Rentner das Pech nicht verlassen.
Bilder Markus Timo Rüegg

Noch immer ist es feucht im Innern. Grund dafür ist das Löschwasser – und dass Teile des Dachs den Flammen zum Opfer fielen. Bald zwei Jahre ist es her, seit das Doppeleinfamilienhaus im Eschenbacher Dorfzentrum brannte (die «Linth-Zeitung» berichtete mehrfach). Dieser Tage zieren Eiszapfen die verkohlten Holzbalken.

Mitinhaber Hans-Jörg Helbling geht auf der knirschenden Ausziehleiter hoch in den Dachstock. Hier oben sind die Schäden, die das Feuer verursachte, noch deutlicher erkennbar als im Wohnbereich. Der Lachner ist Miteigentümer des westlichen Gebäudeteils, welchen er in der Zeit vor dem Brand vermietet hatte. Seither verbringt er eine turbulente Zeit. «Ich stecke in der Zwickmühle», sagt Helbling.

So sieht das Eschenbacher Brandhaus von innen aus: Miteigentümer Hans-Jörg Helbling zeigt die Schäden im Dachstock.
So sieht das Eschenbacher Brandhaus von innen aus: Miteigentümer Hans-Jörg Helbling zeigt die Schäden im Dachstock.

Versicherung zahlt weniger

Das Problem des Pensionärs ist: Von ihm angefragte Bau-Fachleute schätzen, dass die Schäden für unter einer halben Million Franken kaum zu beheben sind. Die Schadenexperten der Gebäudeversicherung kommen laut Helbling aber bloss auf rund die Hälfte. Nun stellt sich der frühere Mechaniker die Frage, ob er sein Elternhaus verkaufen soll. «Dann muss ich aber auf 60 Prozent der von der Versicherung errechneten Schadensumme verzichten», erklärt er.

Wieso das so ist, liegt gemäss der St. Galler Gebäudeversicherung (GVSG) an der Gesetzgebung. Zum vorliegenden Fall darf die GVSG-Sprecherin Natalie Koller keine Stellung nehmen. Sie sagt aber: «Falls die Eigentümerschaft mit der Schadenhöhe nicht einverstanden ist, kann sie ein Rechtsmittel gegen diese Verfügung ergreifen.»

Viele Interessenten und viele Fragen

Zurück nach Eschenbach: Hier gäbe es einige Interessenten für Helblings Immobilie. Kaufangebote aus Eschenbach liegen ebenso vor wie aus dem Raum Zürich. Und das, obschon hinter dem Objekt viele Fragezeichen stehen: Ein Neubau unterliegt strengen Vorgaben, da sich das Brandhaus im Ortsbildschutzgebiet befindet. Wie diese Vorgaben aussehen, weiss allerdings niemand genau. Denn die Gemeinde Eschenbach überarbeitet derzeit ihren kommunalen Richtplan.

Helbling hofft, dass die Gemeinde für Bauherren «etwas Vernünftiges» erarbeitet. «Die Gemeinde muss ihren Beitrag leisten, damit der Schandfleck aus Eschenbach verschwindet», sagt er. Inwiefern die Gemeinde diesbezüglich überhaupt Handlungsspielraum hat, sagt Gemeindepräsident Cornel Aerne gegenüber der «Linth-Zeitung» nicht. Allerdings ergäben sich durch die Lage mitten im Dorfzentrum «erhöhte Anforderungen an die Gestaltung eines Neu- oder Ersatzbaus».

Wertsteigerung trotz Brand

Bis Helbling das Brandhaus verkauft oder reparieren lässt, kommen auf ihn laufend Kosten dazu. «Ich habe null Einnahmen und muss trotzdem die Gebäudeversicherung bezahlen», sagt er beispielsweise. Weiter muss das Wohneigentum versteuert werden. Helbling liess darum nach dem Brand das Haus neu schätzen. Dieses wurde unbewohnbar und verlor dadurch an Wert, so Helblings Überlegung.

Doch das Gegenteil traf ein: Vor knapp zehn Jahren belief sich der Steuer- und Verkehrswert des Hausteils noch auf 430 000 Franken. Trotz Brand schätzte die Gemeinde letzten Sommer die Immobilie  höher ein. Neu beträgt die Schätzung 475 000 Franken.

Wie kann das sein? «Es ist kein Geheimnis, dass die Bodenpreise in der Schweiz und insbesondere auch im Linthgebiet über die vergangenen Jahre stark angestiegen sind», sagt Gemeindepräsident Aerne. Diese Entwicklung sei auch in Eschenbach spürbar. Über Bewertungen einzelner Objekte könne er aber keine Auskunft erteilen.

Helbling befürchtet, dass viele Eigentümer und Mieter aufgrund der deutlichen Preissteigerungen der Immobilien mit höheren Ausgaben rechnen müssen. Das ist auch der Grund, weshalb er seinen Fall öffentlich machen will. Auch der Gemeindepräsident sagt: «Solche Preissteigerungen betreffen grundsätzlich alle Hauseigentümer – jedoch abhängig vom Liegenschaftsstandort unterschiedlich stark.»

Einsprache ist erfolglos

Gegen die Schätzung der Gemeinde Eschenbach erhob Helbling Einsprache. Das St. Galler Finanzamt lehnte diese ab. Das ist nicht der einzige Grund, weshalb aus seinem Verhältnis zum Kanton keine Liebesbeziehung mehr wird.

Als Helbling auf dem beschädigten Dach des Brandhauses steht, weist er auf die darunter liegende Rickenstrasse. Aktuell saniert der Kanton diese. Helbling musste darum 16 Quadratmeter Land abgeben. Dafür entschädigte ihn der Kanton: Pro Quadratmeter gab es 600 Franken. Der neu geschätzte Bodenpreis liege mit 785 Franken aber deutlich darüber, sagt er – der einmal mehr ein schlechtes Geschäft machte.

Auf den bestehenden Schandfleck in Eschenbach wird das alles keinen Einfluss haben. «Der wird wohl noch ein paar Jahre bestehen», prognostiziert Helbling. Er rechnet mit langen Verzögerungen wegen der Ortsplanungsrevision. Angekündigt wurde ihm auch schon eine Einsprache aus der Nachbarschaft. Obwohl noch gar kein Bauprojekt vorliegt. Bei Helbling kommt offenbar ein Unglück selten allein.

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