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Auto in der Linth versenkt – jetzt tauchen die Details auf

Um die 75 000 Franken kostet die Promillefahrt eines 23-Jährigen vom letzten Juni. Sie endete aufdem Grund der Linth. Auch der Staat muss einen Teil der Kosten tragen.

Fabio
Wyss
06.04.22 - 18:31 Uhr
Ereignisse
Wie ein Fisch an der Leine: Das Wrack wird nach einer aufwändigen und spektakulären Bergungsaktion aus der Linth herausgezogen.
Wie ein Fisch an der Leine: Das Wrack wird nach einer aufwändigen und spektakulären Bergungsaktion aus der Linth herausgezogen.
BILD URS SCHNIDER

Eigentlich ist Schlafenszeit. Schon lange. Nach einer Feier legen sich die Freunde irgendwann nach 3 Uhr aufs Ohr. Auch Tamrat (Name geändert) hat geplant, in der Wohnung seines Kumpels in Weesen zu übernachten. Aber er bleibt wach. Trinkt weiter Bier und Wodka. Dann beginnt er, in der Wohnung herumzustöbern. Und findet auf dem Schuhschrank den Fahrzeugschlüssel eines Kollegen. Ein Ford Fiesta, Firmenauto eines Glarner Betriebs. Seine Kollegen schlafen tief und fest, als er ins Auto steigt. Den Sicherheitsgurt schnallt er nicht an.

Jetzt beginnt Tamrats folgenreiche Fahrt an diesem Sonntagmorgen, dem 20. Juni des letzten Jahres. Der zum Tatzeitpunkt 23-Jährige hat deswegen mittlerweile einen Strafbefehl erhalten. Gemäss diesem fährt er um etwa halb 7 Uhr von Weesen her mit dem Ford Fiesta die Hauptstrasse der Linth entlang. Auf Höhe «Biberlichopf» macht die Linth eine Rechtskurve – und die Hauptstrasse ebenso. Tamrat verpasst sie.

Er überfährt die Sicherheitslinie. Dann kollidiert er mit einem Leitpfosten der Gegenfahrbahn, durchbricht einen Maschendrahtzaun und landet auf dem Wiesland. Fast 60 Meter fährt er über die Wiese. Dann streift er das kleine Gebäude der Pumpstation. Schliesslich stürzt er mit dem Auto über einen Spazierweg und dann 15 Meter die steile Böschung hinunter – bis in die Fluten der Linth.

Kurz vor dem Sturz in die Linth: Das Auto streift das Gebäude der Pumpstation. BILD KANTONSPOLIZEI
Kurz vor dem Sturz in die Linth: Das Auto streift das Gebäude der Pumpstation. BILD KANTONSPOLIZEI

Die beiden «Retter»

Tamrat kann sich trotz 1,92 Promille intus selbstständig aus dem Auto befreien und an Land schwimmen. Der fehlende Sicherheitsgurt ist in diesem Fall paradoxerweise eine Art Lebensretter. Auf einen menschlichen Retter trifft Tamrat auch noch. An Land hilft ihm eine Drittperson, wie es im Strafbefehl heisst. Ausser einem Schleudertrauma, Schürfungen im Gesicht und einer Prellung des Beckens trägt Tamrat vom Unfall aber nichts davon. Das zeigt sich später im Spital. Den Rest des Tages verbringt der Mann aus der Region in Haft.

Andere Leute kommen bei seinem Unfall nicht zu Schaden – zumindest nicht physisch. Finanziell schlägt Tamrats Unfall aber gehörig zu Buche. Das Firmenauto seines Kollegen ist ein Wrack. Der Verlust wird laut Strafbefehl auf rund 20 000 Franken geschätzt. Ebenso viel kostet der Gebäudeschaden an der Pumpstation. Das beschädigte Wiesland samt Zaun hat Unkosten von 8000 Franken zur Folge.

Ob die Geschädigten diese Beträge zurückerhalten haben, ist unklar. Gewiss ist: Sollte Tamrats Versicherung diese Kosten bezahlt haben, hat das für ihn ein Nachspiel. Denn wegen des Alkoholkonsums ist er als fahrunfähig einzustufen. In diesem Fall nehmen Versicherungen üblicherweise Regress, verlangen also die bezahlten Beträge zurück.

Wer zahlt die Bergungskosten?

Den grössten Posten bei Tamrats Unfallfahrt macht die Bergungsaktion des Fahrzeugs aus. Schon am Sonntag suchen an und in der Linth Polizeitaucher und Drohnenpiloten nach dem Personenwagen. Die örtliche Feuerwehr, die Rettung, ein Notarzt, der Seerettungsdienst sowie Mitarbeitende des Interventionsteams der SBB stehen ebenfalls im Einsatz. Die Linth führt aber zu viel Wasser. Der Ford bleibt auf Grund.

Erst vier Tage später senkt sich der Pegel genug, um die Bergung durchführen zu können. Ganze sieben Stunden dauert die Aktion. Gegen 20 Leute stehen im Einsatz: Polizisten, Seeretter, Spezialisten einer externen Firma für Seebergungen und Polizeitaucher. Ein Bagger mit Seilwinde eines Forstunternehmens wird schliesslich das Wrack aus dem Fluss ziehen.

Hanspeter Krüsi, Mediensprecher der Kantonspolizei, erinnert sich. Er ist an jenem Junitag ebenfalls in Ziegelbrücke vor Ort. «Die Bergung kostete rund 27 000 Franken, inklusive der Polizeitaucher», sagt er. Nicht eingerechnet bei diesen Auslagen sind weitere Mitarbeitende der Kantonspolizei. Die 27 000 Franken versuchte die Polizei auf den Unfallfahrer abzuwälzen. «Aus juristischen Gründen war dies nicht möglich», erklärt der Polizeisprecher. Der Kanton bleibt demnach auf diesen Kosten sitzen.

Einsprache gegen 3600 Franken

Vergleichsweise gering fallen bislang die juristischen Konsequenzen für Tamrat aus. Etwas über 3600 Franken müsste der Beschuldigte laut Strafbefehl bezahlen. Eine zusätzliche Geldstrafe von 9000 Franken fällt nur an, wenn er sich in den nächsten zwei Jahren wieder etwas zu Schulden kommen lässt. Allerdings wehrt er sich gegen die Strafe. «Gegen diesen Strafbefehl wurde Einsprache erhoben. Der Fall ist weiterhin pendent», sagt Leo-Philippe Menzel, Medienbeauftragter der Staatsanwaltschaft. Ergo gilt bis auf Weiteres die Unschuldsvermutung.

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