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Wann ist man erwachsen?

Ist unser Autor mit knapp 42 zu alt, um noch erwachsen zu werden? Soll er das überhaupt? Und was bedeutet dieses Erwachsensein eigentlich?

22.02.23 - 16:30 Uhr
Bild Freepik

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Auf die Frage, wann ein Mensch erwachsen wird, gibt es unterschiedliche Antwortmöglichkeiten. Die kindliche Vorstellung eines Erwachsenen ist wohl recht einfach. Als Kind orientieren wir uns an den eigenen Eltern oder vordergründig erwachsenen Menschen im näheren Umfeld. Erwachsen sind, sehr allgemein formuliert, die Leute, die wissen und uns vermitteln, was richtig und was falsch ist, sich um uns kümmern, Autofahren können und länger aufbleiben dürfen als wir. Sie kennen die Regeln des Lebens, sind unabhängig und haben verstanden, wie die Welt funktioniert.

Die gesetzliche Definition ist da etwas klarer: Die Volljährigkeit erreichen wir mit dem 18. Geburtstag. Dann hat man, so die allgemeine Annahme, die physische und psychische Reife erreicht, um im Leben eigenverantwortlich zu bestehen und auch die Konsequenzen voll zu tragen, wenn man gegen Regeln verstösst. In der Schweiz ist das übrigens erst seit 1996 so. Davor wurde man erst mit dem 20. Geburtstag volljährig.

Glaubt man dem Neurowissenschaftler und Psychologieprofessor Peter Jones von der Universität Cambridge, zieht sich der Übergang vom Kind zum Erwachsenen über drei Jahrzehnte hin. Das menschliche Gehirn befinde sich mit 18 Jahren noch in einem Entwicklungsstadium, das unsere Reife beeinflusst, wie er in einem Artikel der BBC erklärt. Abgeschlossen seien diese Prozesse frühestens ab dem 25. Lebensjahr. Jones sagt auch, es sei absurd, einen allgemeingültigen Zeitpunkt festlegen zu wollen, an dem man die Kindheit verlassen und das Erwachsensein erreicht habe. Erwachsenwerden ist ein Prozess, der bei dem einen länger, bei dem anderen weniger lang dauert.

Nun ist das mit der Volljährigkeit und dem Erwachsenwerden so eine Sache. Wenn ich an mein 18-jähriges Ich zurückdenke, bin ich fest davon überzeugt, dass Volljährigkeit und Erwachsensein keinesfalls zusammenhängen müssen. Klar. Damals hatte ich das Gefühl reif und clever genug zu sein, um sofort mindestens Bundesrat zu werden, bewegte mich in meinen Gedanken mehrheitlich aber auf dem Niveau «Bühü…Bü….Bübü...Bündnerfleisch». Dort bin ich übrigens heute auch noch hin und wieder. Und Bundesrat werde ich garantiert nicht mehr. Für meine «Göttibuaba» (fünf und sieben Jahre alt) gehöre ich heute wiederum wohl in die Kategorie «Erwachsene». Wohl am unteren Teil des Spektrums aber sicher innerhalb. Vor dem Gesetz bin ich seit März 1999 volljährig. Ich fühle mich aber auch mit knapp 42 nicht immer erwachsen.

Ich wohne in einer festen Behausung, zahle meine Rechnungen selbständig und auch mehr oder weniger pünktlich. Ich bin weit davon entfernt zu verhungern, mache meine Steuererklärung selber und darf Autofahren. So weit, so erwachsen. Gleichzeitig erwische ich mich immer wieder dabei, wie ich mich selber frage, wann ich endlich erwachsen werde. Dies insbesondere, wenn ich Geld für irgendeinen (teuren) Blödsinn ausgegeben, Stunden mit der Spielkonsole verbracht habe oder beim Wort «Plakatständer» innerlich etwas kichern muss (Gnihihihi. Er hat Ständer gesagt). Das letzte Mal so richtig erwachsen habe ich mich vergangenen Dezember gefühlt, als ich mir zum ersten Mal einen eigenen Weihnachtsbaum gekauft habe. Es gibt hin und wieder solche ersten Male, bei denen ich mir selbst eine gewisse Seniorität zuschreibe.

Erwachsenwerden hat wohl aber auch sehr viel mit Verantwortung zu tun. Als alleinlebender Junggeselle übernehme ich hauptsächlich für mich selbst Verantwortung. Treffe ich unvernünftige Entscheidungen, muss ich in aller Regel auch ganz alleine dafür geradestehen. Anders sieht es bei vielen Erwachsenen in meinem Freundeskreis aus. Ihrem Alter entsprechend haben viele eine Familie, für die sie Verantwortung tragen. Da kann man nicht einfach jedem zweiten Impuls nachgeben und unvernünftig sein.

Als verantwortungslos-infantilen Zeitgenossen würde ich mich dann aber auch nicht bezeichnen. Ich kann Verantwortung übernehmen und treffe hin und wieder auch ganz vernünftige Entscheidungen. Wahrscheinlich halten sich Vernunft und Unvernunft bei mir sogar die Waage (was ich bei erneutem Lesen irgendwie doch für eine gewagte These halte). Ich habe kein Peter-Pan-Syndrom und lebe auch nicht egozentrisch an meinen Mitmenschen vorbei. Ich habe meine erwachsenen Momente – vielleicht ein paar weniger als andere in meinem Alter – und erfreue mich ab und an meines kindlichen Gemüts.

Im Verlauf der Desk-Recherche zu diesem Text habe ich mir immer wieder überlegt, ob sich irgendeine Wertung meines Ichs herauskristallisiert. Ich finde: nein. Wie soll man den Erfüllungsgrad von etwas bewerten, das so individuell und abstrakt ist wie das Erwachsensein?

Wann wir erwachsen werden und was als erwachsen gilt, ist sehr individuell. Zerbrechen wir uns also nicht den Kopf darüber. Seien wir erwachsen, wenn Vernunft gefragt ist, und lassen wir dem Kind in uns ab und an seinen (Spiel-)Platz. Und hören wir insbesondere auf damit, uns ständig zu fragen, wann wir endlich erwachsen werden.

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