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Nostalgie-Alarm: Wo bleibt der Mut für das Neue, liebes Hollywood? 

Mit «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» läuft seit Kurzem der fünfte Teil der altbekannten Saga in den Kinos. Ein Segen für Nostalgie-Fans – möchte man meinen. Unser Autor ist zwiegespalten.

Jürg Abdias
Huber
05.07.23 - 16:41 Uhr
Er hat noch nicht genug: Mit 80 Jahren steht Harrison Ford, hier als Indiana Jones, immer noch vor der Kamera. Wie viel Nostalgie vertragen wir aber noch auf der grossen Leinwand?
Er hat noch nicht genug: Mit 80 Jahren steht Harrison Ford, hier als Indiana Jones, immer noch vor der Kamera. Wie viel Nostalgie vertragen wir aber noch auf der grossen Leinwand?
Bild The Walt Disney Company Switzerland

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Trotz Netflix, Disney Plus und was es sonst noch so in diesem Streaming-Dschungel alles gibt, bin ich weiterhin ein fleissiger Kinogänger. Ich liebe es, einen Film in einem gemütlichen Sessel zu schauen, mit der linken Hand mein überteuertes Getränk zu trinken und mit der rechten Hand mein salziges Butter-Popcorn zu essen. Kinos versprechen für einige Stunden Erlösung vom Alltag. Dennoch kann ich mich mit der aktuellen Filmkultur noch nicht so richtig anfreunden.

Die Rede ist von Legacy Sequels. Legacy was? Legacy Sequels. Das sind Sequels, also Fortsetzungen, die manchmal Jahrzehnte nach dem Original erscheinen. Damit will Hollywood nicht nur eine Menge Geld einspielen, sondern auch den Franchise-Staffelstab an die neue Generation weitergeben. Und davon sind einige Filme in den letzten Jahren angelaufen. Von «Ghostbusters», über «Blade Runner» bis hin zu «Top Gun». Und mit dem fünften und neusten Teil «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» schlüpft der bereits 80-jährige Harrison Ford wohl zum letzten Mal in die Rolle des Dr. Henry Jones junior. Zu sehen bekommt das Publikum einen stark verjüngten Indiana Jones – dank De-Aging-Technik. Ohne den Film gesehen zu haben, frage ich mich schon, will ich das überhaupt sehen? Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite eigentlich nicht. 

Ich betrachte mich selbst als Fan einiger dieser Kultfilme und verstehe die Aufregung, die mit der Ankündigung einer Fortsetzung einer geliebten Filmreihe einhergeht. Was mich jedoch frustriert, ist, wenn die nostalgische Betrachtung das zerstört, was eine Geschichte ausmacht.

Die langjährige Zeit, die den Fans zur Verfügung stand, um ihre Liebe zum Original zu intensivieren und sich Gedanken über Charaktere und Entwicklungen zu machen, hat hohe Erwartungen und einen gewissen Grad an Fan-Service geschaffen. Doch das richtige Gleichgewicht zu finden, gestaltet sich entsprechend schwierig.

Letztes Jahr hat es Tom Cruise mit «Top Gun: Maverick» aber allen gezeigt. Ein Film, der durch seine schlichte und dynamische Inszenierung besticht, und zweifellos trägt da auch das Drehbuch dazu bei. Jedoch wird den Charakteren in der Geschichte keine übermässige Tiefe verliehen, und nur diejenigen, die mit dem ersten Film vertraut sind, haben eine Hintergrundgeschichte oder ein Leben ausserhalb ihres militärischen Dienstes. 1,489 Milliarden Dollar hat das Sequel letztes Jahr eingespielt. Nur der zweite Teil von «Avatar» spielte mit 1,5 Milliarden Dollar mehr ein. 

Mit diesem Erfolg hat wohl niemand gerechnet – vermutlich nicht mal Tom Cruise selbst. Nostalgie dürfte für diesen Erfolg durchaus ein Faktor gewesen sein. Mit dem Nostalgiebonus sollen die Menschen wieder ins Kino gelockt werden. Gut für die Betreiberinnen und Betreiber, aber schlecht für die aktuelle Filmkultur. Wo bleibt dein Mut für das Neue, liebes Hollywood? 

«Matrix 4» (2022) war ein Reinfall, «Ghostbusters: Legacy» (2016) scheiterte an einem furchtbaren Cast und Drehbuch und mit der neuen Trilogie von «Jurassic World» hätte man die Dinosaurier gleich ruhen lassen können. Auch ich schwelge gerne in Kindheitserinnerungen, aber muss mich jeder neue Film stets an meine Kindheit und Jugend erinnern? Nein. Meine Augen wollen auch was Neues sehen. Ich würde gerne öfters ein «Wow-Moment» haben. Der Film «Everything Everywhere All at Once» konnte zuletzt solch einen Moment bei mir auslösen.

Ich finde, eines der Hauptprobleme beim ständigen Überangebot an Nostalgie ist, dass viele dieser Momente einfach nicht nachhaltig sind. Sie dienen als kurzfristige Lösung und sollen unsere positiven Erinnerungen auf ein neues Produkt übertragen. Stattdessen wird mir jedoch nur deutlich vor Augen geführt, dass mir diese «neuen» Filme kaum was geben. 

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