×

Mein Fussballherz blutet wegen der Streamflation

Unser Autor ist ein grosser Fussballfan. Aber aufgrund des Verschwindens vom Sport im Free-TV und den Preiserhöhungen im Pay-TV distanziert er sich immer mehr von seiner einstigen Leidenschaft. 

Jürg Abdias
Huber
20.09.23 - 15:47 Uhr
Ein teures Vergnügen: Heute ist alles teurer. Es überrascht nicht, dass auch die Streaminganbieter des Fussballs die Preise nicht stabil halten.
Ein teures Vergnügen: Heute ist alles teurer. Es überrascht nicht, dass auch die Streaminganbieter des Fussballs die Preise nicht stabil halten.
Bild Envato

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

«Ich bin angefressen, Fussball ist die schönste Nebensache der Welt. Auch für mich. Es gibt viel, viel Wichtigeres als Fussball, aber es ist ein Spiel, das extrem fasziniert», sagte SRF-Kommentator Sascha Ruefer kurz nach dem sensationellen Achtelfinal-Sieg gegen Frankreich an der Europameisterschaft vor zwei Jahren. Man mag halten, was man möchte von Ruefer, aber mit dieser Aussage hat er ins Schwarze getroffen. Ich hätte es nicht besser formulieren können.

Fussball, der beliebteste Sport der Welt, begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Als kleiner «Goof» trat ich der F-Jugend des FC Viktoria 59 bei, einem Fussballverein aus Oerlikon in der Stadt Zürich. Eigentlich ein Wunder, dass ich dem Sport nicht sofort den Rücken gezeigt habe, nachdem mein allererstes Spiel mit 1:11 verloren ging. Ein Albtraum, von dem ich mich aber rasch wieder erholt habe. Und so war ich, ein einfacher Junge aus dem Nachbarkreis Schwamendingen, nun ein Teil des FCs. So, wie mich der Sport als Vereinsspieler interessierte, so sehr faszinierte mich Fussball auch abseits des eigenen Spielfeldes. Beinahe jedes Heimspiel meines Vereins, des Grasshopper Clubs Zürich, verfolgte ich damals noch im altehrwürdigen Hardturm-Stadion – im letzten Fussballstadion der Stadt Zürich. Und nach dem Abriss im Jahre 2008 wagte ich mich sogar auch an jedes Heimspiel im verhassten Letzigrund-Stadion, das mein Verein seither sein neues Zuhause nennen muss.

Aber kommen wir endlich zum Punkt, warum ihr eigentlich auf diesen Artikel geklickt habt. Wer heute bei allen Wettbewerben live am TV dabei sein will, braucht ein dickes Portemonnaie. Denn die Zeit des Fussballs im Free-TV ist längst vorbei. Es gab mal eine Zeit, da konnte man die Spiele der Champions League beim SRF, die Schweizer Nationalliga (heute Super League) auf Sat 1 oder den Africa Cup auf Eurosport schauen. Heute haben die Streamingdienste die Überhand im Weltfussball. Wer einen ganzen Spieltag der Bundesliga verfolgen möchte, braucht Sky (24.90 Franken pro Monat) – aber einen Haken gibt es: Am Freitag und Sonntag gibt es die Spiele nur mit italienischem Kommentar. Heisst, wer an diesen zwei Tagen einen deutschen Kommentator hören möchte, der muss auch noch Dazn (24.99 Franken pro Monat) abonnieren. Somit macht das fast 50 Franken pro Monat für die Liga unseres grossen Nachbars.

Da ich nun seit einigen Jahren nicht mehr in Zürich wohnhaft bin und ich es mir einfach nicht leisten möchte und kann, jedes Spiel meines Vereins vor Ort schauen zu gehen, war die Pay-per-View-Funktion von Blue Sport von Swisscom ein Segen für mich. Für 9.90 Franken konnte ich mir ein Spiel anschauen, ohne ein monatliches Abo von 29.90 Franken zu lösen. Seit diesem Sommer ist das nicht mehr möglich, da Blue Sport die Funktion für die Gelegenheitszuschauerschaft aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr anbietet. Ausserdem kostet das Jahresabo seit dieser Saison neu 34.90 Franken im Monat. Das monatlich kündbare Abo sogar 49.90 Franken. Um das flexible Abo herauszuschlagen, müsste ich neu also fünf Matches im Monat schauen. 

Damit wird das Fussballschauen um 17 Prozent teurer. Unentschlossene oder Flexible, wie Swisscom sie nennt, werden nun noch härter bestraft. Möchte ich das meinem Portemonnaie wirklich noch antun? Auch wenn ich diesen Sport über alles liebe, kenne auch ich meine Grenzen. Ich zahle ja schon monatlich für Spotify, Netflix und Disney Plus – und das ist zusammen nicht mal so teuer wie das Angebot von Blue Sport. Wozu brauche ich 300 Spiele? Ich will doch nur meinen Club oder eine interessante Partie der Champions League schauen.

Oder was ist mit Account-Sharing wie bei Disney Plus oder Sky? Bietet Blue Sport nicht an. Oder den Kollegen fragen und sich mit seinen Daten einloggen? Würde vielleicht funktionieren, aber wenn er um dieselbe Zeit ein Spiel gucken möchte, dann schmeiss ich ihn mit meiner Anmeldung raus. Ihr seht: Um Fussball live am TV mitzuverfolgen, muss man tief in die Tasche greifen – oder man ist erfinderisch. Aber daraus resultiert schnell Frust. Und der Zugang zum beliebtesten Sport sollte mich nicht frustrieren, sondern er sollte simpel sein. Für die Frustration ist schon meine Mannschaft zuständig, wenn sie wieder mal unter aller Sau spielt. 

Es sind bereits sechs Spieltage in der Schweizer Super League gespielt, und ich habe noch kein einziges Spiel gesehen. Ein Armutszeugnis für mich, aber auch für die Entwicklung des Fussballs im Allgemeinen. Während ich früher jedes Spiel verfolgt habe, kommt es mir heute so vor, als würde ich den heutigen Fussball gar nicht mehr kennen. Man darf also gespannt sein, wie sich die Situation weiter entwickelt und ob das Sportunternehmen von Swisscom wieder humane Preise einführt.

Aber eins ist klar: Der Fussball wird weiterhin ein wichtiger Teil meines Lebens bleiben. Ein herzliches «Gut Kick» in die Runde!

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
prolitteris