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Hilfe, der nächste Billig-Shop aus China spamt mein Handy zu!

Abflussverstopfer für 98 Rappen, Knoblauchpresse für knapp drei und modische Sonnenbrille für zwei Franken: Mit dem Online-Shop Temu ist ein neuer mieser Player im China-Schrott-Game dabei.

Jürg Abdias
Huber
26.07.23 - 16:02 Uhr
Werbung: Auf sämtlichen sozialen Plattformen erscheint das Temu-Logo mit Ware für den extrem kleinen Geldbeutel. 
Werbung: Auf sämtlichen sozialen Plattformen erscheint das Temu-Logo mit Ware für den extrem kleinen Geldbeutel. 
Bild Jürg Abdias Huber

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Was ist günstig, kaum zu übersehen und orange? Nein liebe Migros, von dir ist nicht die Rede, sondern von Temu. Noch nie gehört? Meine lieben Leserinnen und Leser, Temu ist das nächste grosse Ding auf dem digitalen Schnäppchenmarkt – ob ihr wollt oder nicht. In den App-Stores hält sich die chinesische Shopping-App seit Wochen auf Platz 1. «Shoppen wie ein Milliardär» – so lautet der Slogan von Temu, der mit einer Webseite und Preisen daherkommt, wo sich jeder fragen darf: «Ist der Shop wirklich echt?» Traurige Gewissheit: Die Plattform ist kein Fake – dennoch fühlt sich für mich auf dieser Seite alles falsch an. 

Obwohl ich noch nie einen Fuss auf diese Seite gesetzt habe, versucht der Anbieter mit aller Kraft auf meinem Handy Anklang zu finden. Sei es nun auf Youtube, Tiktok oder Instagram  – keiner meiner Apps sind vor diesem neuen Billig-Anbieter sicher. Eine dürftige iPhone-Imitation da, ein zehnfach vergrössernder Schminkspiegel dort. Und das alles für unter zehn Franken. Ein «2023NEW Tragbarer blattloser Halsventilator Freihändiger blattloser Ventilator, 360 °» gehört mit einem Preis von 20 Franken schon zur Sparte Luxusartikel. Und nein, ich hatte keinen Schlaganfall beim Schreiben, der Artikel wird tatsächlich unter diesem Namen angeboten. Auf dieser Seite ist alles zu finden: von kabellosen Kopfhörer, über Massagepistolen bis hin zu Sneakers. Gratisversand, kostenlose Retoure, Blitzangebote und Rabatte von bis zu 90 Prozent. Für mein damaliges armes Teenager-Ich ein Paradies. Heute mache ich es aber lieber wie in der Pandemie-Zeit: Abstand nehmen. 

Auf Temu gibts alles: Schnäppchenpreis für ein Stück Plastikschrott?
Auf Temu gibts alles: Schnäppchenpreis für ein Stück Plastikschrott?
Bild Screenshot

Für viele andere Menschen, besonders für jüngere, ist die Seite leider verlockend. Leider, weil die Seite aus dem Reich der Mitte eine weitere Schuldenfalle ist. Denn durch die Spottpreise und da Temu und viele andere Onlineshops Kauf auf Raten anbieten, ist die Gefahr besonders bei den Jugendlichen gross, dass sie viele Waren bestellen, für die sie nicht bezahlen können.

Eine Mitschuld trägt nicht nur das Unternehmen selbst, sondern auch die Content Creator. In Kurzvideos öffnen Influencerinnen und Influencer vor laufender Kamera Lieferungen und präsentieren ihre neue Beute von Temu. Beuunruhigend deshalb, weil diese sogenannten Prominenten Einfluss auf die Kaufentscheidung ihrer Followers haben. Wie eine Studie von Get App, einer Such- und Vergleichsplattform für Unternehmenssoftware, zeigt, lassen sich 80 Prozent der deutschen Konsumentinnen und Konsumenten von Influencern bezüglich ihrer Kaufentscheidung beeinflussen. Laut einer Umfrage der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) sind es in der Schweiz gerade mal fünf Prozent.  Allerdings wäre es gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Zahl auch hier bei uns steigen könnte.

Ausserdem werden die Käuferinnen und Käufer auf Temu, die neue Kunden anwerben, Rezensionen schreiben oder Produkte in sozialen Medien teilen, mit Rabatten oder Gratisprodukten belohnt. Im Gegensatz zu den Paketen von der Konkurrenz wie Aliexpress oder Wish, sind die Temu-Pakete mit ihren knallorangen Plastiksäcken schon von Weitem zu erkennen und haben längst auf Social Media einen Wiedererkennungswert erlangt. 

Influencer: In den sozialen Medien werden tonnenweise orange Verpackungen von Influencern der Firma Temu gepostet und das Unboxing zelebriert. 
Influencer: In den sozialen Medien werden tonnenweise orange Verpackungen von Influencern der Firma Temu gepostet und das Unboxing zelebriert. 
Bild Screenshot Instagram Reel

Mir ist bewusst, dass es heute «bubieifach» ist, Kleider, Handy und Co. über solche Plattformen zu kaufen, dennoch sollten wir uns nicht auf Fast Fashion verlassen. Durch Fast Fashion kommt zwar unsere Ware rasend schnell bei uns an, aber dadurch geht auch unser Planet schneller zu Grunde. Aliexpress, Wish oder jetzt auch Temu repräsentieren das Gegenteil von verantwortungsvollem Konsum: Die Umwelt und der Mensch leiden stark darunter. 

Schnäppchen gibt es auch bei uns in der Schweiz. Es gibt genügend Onlineplattformen, wo ihr das findet, was ihr wirklich braucht. Wer zur Hölle braucht denn schon eine Wattestäbchen-Box, einen Kalkradiergummi oder eine Decke mit einem Blumenkohlmuster aus dem fernen China? Ich bitte euch! 

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