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Ein halbes Jahr ohne Insta und Co.: So habe ich es erlebt

Ohne Social Media auszukommen, ist heute fast unmöglich. Besonders, wenn man in der Medienwelt beruflich tätig ist. Trotzdem hat unser Autor eine Social-Media-Pause eingelegt.

Jürg Abdias
Huber
23.08.23 - 16:19 Uhr
Die Sucht namens Social Media: Der Weg zum mentalen Reset war nicht leicht. 
Die Sucht namens Social Media: Der Weg zum mentalen Reset war nicht leicht. 
Bild Envato

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Das Scrollen durch soziale Medien hat eine derart allgegenwärtige Präsenz, dass zahlreiche von uns dies beinahe reflexhaft praktizieren – angefangen beim Aufwachen bis hin zum nächtlichen Schliessen der Augen. So auch bei mir. Ich entsperre mein Handy, und mein Finger geht automatisch in die linke Ecke meines Displays. Denn dort habe ich eine App, die ich wohl öfters nutze als Whatsapp oder die Telefonfunktion: Instagram. Nicht mein Hirn führt mich stets zu diesem Giganten der Social-Media-Welt, sondern mein Finger. Es ist so, als würde meine Hand ein eigenes Hirn besitzen. Liege ich wieder einmal auf meinem ungemütlichen grauen Sofa, das ich vor knapp sieben Jahren auf Tutti für 70 Franken erworben habe, öffne ich automatisch «Insta». Und dann gehen das Scrollen und Swipen los. Es nimmt kein Ende. Ich konsumiere Dinge von Influencerinnen, Kollegen oder Unternehmen, die mich eigentlich nicht die Bohne interessieren. Dasselbe mit Facebook, das besonders seit Beginn der Pandemie ein Mekka für Schwurblerinnen und Schwurbler geworden ist. Oder Tiktok, wo mir Teenager weismachen wollen, dass ich Orangen mein ganzes Leben lang falsch gegessen habe. «Warum tue ich mir das eigentlich an?», fragte ich mich anfangs Februar dieses Jahres. Und so ging alles ganz schnell. Meine Konten auf Facebook und Instagram vorübergehend deaktiviert. Play Store geöffnet und die zwei Apps von Meta sowie Tiktok, Snapchat und BeReal deinstalliert. Und dann waren sie weg. 

Und jetzt, wie weiter?

Was fange ich jetzt mit meinem Leben an? Was mache ich, wenn ich im Bett liege und nichts zum Scrollen oder Swipen habe? Menschen, die mit Social Media nie was anfangen konnten, können über mein damaliges Wohlempfinden nur laut lachen. Aber diese Gedanken habe ich mir natürlich zu Beginn gemacht. Ist ja auch klar! Es war nun mal eine Sucht. Andere haben eine Drogen- oder Alkoholsucht – und ich war nun mal süchtig nach Social Media. Für viele ein krasser Vergleich, aber auch bei der Nutzung von sozialen Medien wird Dopamin in unserem Gehirn ausgestossen, etwa so, als wenn wir Alkohol oder Drogen konsumieren. 

Mein Handy war also frei von all diesen Social-Media-Apps. Wer von meinen ehemaligen Mitschülerinnen aus der Oberstufe erwartet gerade ein Kind? In welchem fancy Beachklub befindet sich gerade diese eine Influencerin, die ihre Reels und Storys immer mit einem «OMG Guys» beginnt? Und welche Fake-Wettbewerb-Posts sind gerade im Umlauf? Keinen blassen Schimmer – und auf mein Unwissen wurde ich von Tag zu Tag immer stolzer. 

Aber der Anfang war nicht leicht. Besonders mein Finger hatte da seine liebe Mühe. Nach dem Entsperren meines Handys ging mein naiver Finger immer auf die linke Ecke meines Displays. Aber dort war nichts mehr. Nix. Nada! Und da wir Menschen ein Gewohnheitstier sind, konnte ich mich mit meiner Situation abfinden und mich daran gewöhnen. 

Ich wurde lockerer und entspannter. Im Bett liegend sich nicht ständig müde zu scrollen, war ein wunderschönes Erlebnis. Ich schlief besser und hatte weniger Mühe aufzuwachen, da ich ja nun mehr Schlaf hatte. Statt auf Instagram zu sein, setzte ich meine Augen fürs Lesen von Büchern und Comics ein. Endlich wieder von Freunden oder Bekannten persönlich erfahren, was sie das letzte Wochenende gemacht haben, und nicht alles schon von Instagram und Co. gespoilert zu werden. 

Nach sieben Monaten wieder online

Ich arbeite bei den Medien, und so habe ich automatisch das Bedürfnis, ständig intuitiv nach aktuellen Informationen zu suchen – auch auf Social Media. Jedoch liess dieser Impuls schnell nach. Jemand, der befürchtet, wichtige Entwicklungen zu verpassen, täuscht sich letztlich selbst. Es schadet bestimmt niemanden, nicht unaufhörlich von Nachrichten, Ratschlägen und Trends umgeben zu sein. Es ist nicht notwendig, sämtliches Wissen anzuhäufen, da ich ohnehin das Wesentliche aufnehmen werde. 

Durch meinen internen Wechsel von der Onlineredaktion zum Social-Media-Team sah ich aber ein, dass mein Offline-Sein nicht von langer Dauer sein wird. Sieben Monate haben gereicht, um eine Pause einzulegen. Seit einer Woche bin ich wieder in der Welt von Social Media unterwegs. Meine erste Tat nach der Reaktivierung meiner Konten: Ich bin allen Profilen, die mir schon zuvor auf den Keks gingen, entfolgt. Seither fühlt es sich anders an, auf Instagram und Co. zu sein. Irgendwie besser. Meine Bildschirmnutzung hat sich nach meiner langen Pause halbiert. Dank meinem Social-Media-Detox.

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