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Disney lässt mich im Regen stehen

Disney feiert dieses Jahr sein 100-Jahr-Jubiläum. Eigentlich ein Konzern, der für Freude und Unterhaltung bekannt ist. Für unseren Autor aber läuft bei Disney seit Längerem vieles falsch.

Jürg Abdias
Huber
18.10.23 - 17:51 Uhr
Keine einfache Zeit für den Mäusekonzern: Nach einer 146-tägigen Streikdauer haben die bedeutenden Hollywood-Studiokonzerne und Streaming-Plattformen wie Disney, Warner, Netflix, Amazon, Sony und Co. eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft der Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren getroffen. Trotzdem kehrt bei Disney keine Ruhe ein. 
Keine einfache Zeit für den Mäusekonzern: Nach einer 146-tägigen Streikdauer haben die bedeutenden Hollywood-Studiokonzerne und Streaming-Plattformen wie Disney, Warner, Netflix, Amazon, Sony und Co. eine Vereinbarung mit der Gewerkschaft der Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren getroffen. Trotzdem kehrt bei Disney keine Ruhe ein. 
Bild John Raoux / AP Photo

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Wohl kein anderer Unterhaltungskonzern begleitet mich so lange wie Disney. Und da stehe ich bestimmt nicht alleine da. Ob es die Tränen sind, als Mufasa in den Tod stürzt, die lustigen Momente über das unschlagbare Trio Micky Maus, Donald Duck und Goofy, oder der erste Film, den man mit Familie und Freunden auf der grossen Leinwand gesehen hat. Fast jeder auf dieser grossen weiten Welt verbindet Erinnerungen mit der Walt Disney Company.

Mein Vater hat die Micky-Maus-Magazine schon als kleiner Junge verschlungen, meine Grossmutter, aufgewachsen in Österreich, besuchte eine Vorstellung von «Cinderella» in der Nachkriegszeit und meine Nichten in Peru machten in Kleidern von Disney ihre ersten Schritte. Disney ist allgegenwärtig und das seit nun 100 Jahren. Als die Gebrüder Walt und Roy Disney The Walt Disney am 16. Oktober 1923 gegründet haben, hätten sie wohl nie gedacht, dass sich ihre Firma zu einem Milliarden-Imperium mausert. Besonders mit ihren zahlreichen Filmen hat der Mäusekonzern zahlreiche Familien verzaubert. Dieser Zauber ist aber mittlerweile verflogen.

Neue Arielle: In der Realverfilmung «Arielle» spielt Halle Bailey die gleichnamige Figur.
Neue Arielle: In der Realverfilmung «Arielle» spielt Halle Bailey die gleichnamige Figur.
Bild Disney Enterprises

Ein Jahrhundert nach der Gründung findet sich das Unternehmen Disney inmitten des amerikanischen Kulturkampfes wieder, da es mittlerweile als Symbol für sozialbewusstes Handeln gilt. Im kommenden Remake des Disney-Klassikers «Schneewittchen und die sieben Zwerge» wurden die Zwerge durch sieben magische Kreaturen ersetzt, um stereotype Darstellungen zu vermeiden. Minnie Maus trägt nun kein Kleidchen mehr, sondern einen Hosenanzug, und in der Realverfilmung von «Arielle» schlüpfte eine afroamerikanische Schauspielerin in die Rolle der ikonischen Meerjungfrau. Der Widerstand gegen Disneys Bemühungen, vielfältiger zu werden, ist offenkundig und zeigt sich nicht nur in den sozialen Medien. Vor Disney World in Florida marschierten Neonazis auf, zeigten Hitlergrüsse und protestierten mit Flaggen des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron De Santis gegen Disney. Man darf sich also ruhig mal die Frage stellen, ob der Mäusekonzern einer politischen Agenda folgt oder einfach die Märkte bedient, auf denen Diversität gut ankommt. 

Schaut man sich die heutigen Disney-Filme an, dann ist ganz klar zu erkennen, welche Strategie sie verfolgen: Zeichentrickklassiker neu als Realverfilmungen auf die grosse Leinwand zu bringen. Die Handlung der Remakes weicht kaum von der Vorlage ab und somit bekommen wir als Zuschauerinnen und Zuschauer eigentlich nichts Neues von Disney geboten. Kein Wunder also, dass die Stimmen der Zuschauerschaft sowie Kritikerinnen und Kritiker vernichtend sind. Und trotzdem macht der Konzern mit den neuen Adaptionen von «Das Dschungelbuch», «Aladdin» oder «Der König der Löwen» ordentlich Kasse. Warum ist das so? Weil wir Menschen von Neugier getrieben sind. Ganz einfach. Und genau das nutzt der Konzern aus. 

Mit den Klängen von Phil Collins: «Tarzan» von 1999 beruht auf dem Roman «Tarzan bei den Affen».
Mit den Klängen von Phil Collins: «Tarzan» von 1999 beruht auf dem Roman «Tarzan bei den Affen».
Bild AP Photo

«Tarzan», «Der König der Löwen» oder «Aladdin» sind Filme, die meine Kindheit geprägt haben und mir heute noch Gänsehaut bereiten. Heute würde ich sagen, dass diese Filme besser erzählt sind als die heutigen Werke wie zum Beispiel «Strange World», «Rapunzel – neu verföhnt» oder «Ray und der letzte Drache». Natürlich spricht da auch der Nostalgie-Jürg aus mir raus – ist ja logisch. Etwas Schönes, womit man aufgewachsen ist, ordnet man fast immer höher ein. Sozusagen «Früehner isch alles besser gsi!». So weit würde ich aber nicht gehen, da es natürlich nicht stimmt. 

Aber es ist nun einmal schon bemerkbar, dass die Magie der früheren Filme, die das Unternehmen in der Vergangenheit so einzigartig machte, kaum noch vorhanden ist. In den alten Zeichentrickfilmen wohnt ein Zauber inne, den man bei den heutigen Produktionen oft vermisst. Die gezeichneten Locations in «Aladdin», die tolle Musik in «Das Dschungelbuch» oder die fesselnd dramatischen Momente in «Tarzan». Ich könnte noch hundert weitere Punkte aufzählen, die mir an den früheren Filmen besser gefallen haben– aber das würde diesen Blog unnötig in die Länge ziehen.  

Die heutigen Animations- und Realfverfilmungen vermochten in erster Linie aus technischer und inszenatorischer Sicht zu überzeugen, aber das war es dann auch schon. Ich habe das Gefühl, dass bei den Produktionen heute mehr Arbeit und somit auch Geld in das Casting investiert wird als in den eigentlichen Plot. Das ist unglaublich schade! Denn kreative Leute hat das Unternehmen bestimmt genug, aber die können sich wohl nicht so entfalten, wie das ihre Vorgänger konnten. Die Verantwortlichen tendieren offenbar dazu, auf Nummer sicher zu gehen und wollen nur Inhalte produzieren, die auch zu Kassenschlagern werden. 

Diversität spielt in der Unterhaltungsindustrie eine wichtige Rolle, und das ist auch gut so, aber der Fokus auf das Erzählte darf nicht verloren gehen. Deshalb wünsche ich mir für die zukünftigen Produktionen, dass nicht nur auf Diversität und Zeit-Themen gesetzt wird, sondern auch wieder auf einen guten Erzählstrang. 

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