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Die Umbruchsgeneration

Die Autorin ist froh, die Entwicklung der Technik als Kind und Jugendliche erlebt zu haben. Jetzt aber geht es ihr doch etwas zu schnell.

02.11.22 - 16:23 Uhr
Immer komplexer: Die Telefone wurden zu Handys, welche zu Smartphones wurden.
Immer komplexer: Die Telefone wurden zu Handys, welche zu Smartphones wurden.
Symbolbild Unsplash

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

Meine Generation ist mit der Technik gewachsen. Für mich ein ganz natürlicher Prozess. Die ersten Handys mit Farbdisplay kamen zu einem Zeitpunkt auf den Markt, als ich endlich alt genug war, eines zu besitzen. Das Internet wurde mit den sozialen Netzwerken dann richtig spannend, als ich alt genug war, es (ohne Aufsicht) zu benutzen. Die ersten Smartphones eroberten die Welt erst dann, als ich es mir leisten konnte, selber eines zu kaufen. Ich kann absolut nachvollziehen, wie diese Entwicklung die Schreibmaschinengeneration überfordern kann.

Man stelle sich vor: In der Nachbarschaft hat es einen Fernseher. Einen einzigen. Telefonate (besonders über lange Distanzen) kosten ein Vermögen. Es dauerte mehrere Jahrzehnte, bis in fast allen Wohnzimmern ein (Farb-)Fernseher und ein eigenes Telefon vorhanden war. Eine gemächliche Entwicklung. Und dann, in den 90ern, geht es Schlag auf Schlag: Telefone haben plötzlich keine Wählscheibe mehr, sondern Tasten. Computer werden haushaltstauglich und irgendwer will dir plötzlich ein Email schicken – und nicht etwa einen Fax. Die Schallplatten passen nicht in den neuen CD-Player und Kassetten muss man nicht mehr umdrehen im Walk-man. Kaum hast du dich an diese neuen Umstände gewöhnt, geht es weiter. Das Tastentelefon braucht kein Kabel mehr, Computer werden zu Laptops und die Fernseher werden flacher. SMS statt Anrufe, MSN statt Email und Wikipedia statt Brockhaus. In den frühen 2000ern wird die Satellitenschüssel abmontiert und der VHS-Recorder kommt in den Estrich. DVDs sind die neuen Videokassetten. Vor lauter «nicht mehr zurückspulen müssen», bleibt kaum mehr Zeit um sich an Twix-Tel zu gewöhnen – kein elendiges Kartenfalten mehr. Entweder man druckt sich die Route am Computer aus – oder man installiert ein Navi im Auto.

Doch damit nicht genug. In den späten 2000ern erhält alles einen Touch-Screen. Die Handys, die Fernbedienungen für den Fernseher, die Displays im Auto. Whatsapp löst die SMS ab und Facebook hat MSN in den Boden gestampft. Der CD-Player liegt bereits neben dem Plattenspieler auf dem Estrich, der MP3-Player beziehungsweise der iPod oder sogar das iPhone haben übernommen. Kaum hat man sich an das Bedienen durch die Finger gewöhnt, wird es schon wieder obsolet. Siri, Alexa und co. erleichtern uns in den 2010ern das Leben. Fernseher reagieren neu auf unsere Gesten und Stimmen. Kühlschränke melden selbständig, was wann wo gekauft werden muss. Bezahlen kann man nicht nur ohne Bargeld, man kann es nun auch ohne Karte. Filme sind vorübergehend vorwiegend in 3D erschienen. Kaum ist dieser Trend vorbei, rollen VR-Brillen den Markt von hinten auf.

Und da sitzt nun eine Person, geboren in den 50ern, und streicht gedankenverloren über Grammophon und Faxmaschine. Diese Welt, wie wir sie nun kennen, ist ihr zu schnell. Sie wurde zu schnell zu dem, was sie heute ist. Und jetzt weiss sie nicht, wie sie eine Email schreiben soll. Oder wie man mit dem modernen Handy jemanden anruft. Natürlich gibt es sehr viele Personen, die sogar noch früher geboren sind, die damit kein Problem haben. Aber es gibt auch Personen wie mich, 1993 geboren, die manchmal Angst haben, mit der Technik nicht mehr Schritt halten zu können. Bis jetzt kam ich einigermassen mit. Ich habe aber keine Ahnung, was das Metaverse ist. Oder wie Crypto-Währungen funktionieren. Ich kann kein aufwändiges Tiktok drehen. Natürlich könnte ich mich einlesen, mich informieren. Aber das ist mir zu anstrengend. Ich bin es mir gewohnt, dass sich alles in meinem Tempo entwickelt. Irgendwann werde ich gedankenverloren über mein iPhone streichen und an die Zeit zurückdenken, als ich mit der Technik noch klargekommen bin.

Versteht ihr, wie Crypto-Währungen funktionieren?

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Die Frage ist, ob man wirklich jeden neuen technischen Trend mitmachen muss?
Sicher, manchmal wird man dazu gezwungen, da neue Technik nicht immer rückwärts kompatibel ist.
Was gleichzeitig auch die Frage nach der Freiheit stellen sollte. Immer wenn man "etwas muss" ist man eben nicht mehr frei. Leben wir eigentlich nur noch für das Smartphone?

Ein Video zum Nachdenken: "Bist Du auch so verloren in dieser Welt wie ich?" heisst der Titel:

https://www.youtube.com/watch?v=-kT5yvSe4Ig&list=PLZHj_T7f_WNfxzd7r9c3M…

prolitteris