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Anklage spricht in Winterthurer Mordprozess von grausamem Vorgehen

Er habe die Frau seines Enkels aus Notwehr erschossen, hat ein 79-Jähriger am Dienstag vor dem Bezirksgericht Winterthur geltend gemacht. Doch laut Anklage gab es am Tatort das Messer gar nicht, mit dem der Mann angegriffen worden sein will.

Agentur
sda
09.01.24 - 16:49 Uhr
Blaulicht
Ein 79-jähriger Grossvater muss sich vor dem Winterthurer Bezirksgericht verantworten: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor. (Symbolbild)
Ein 79-jähriger Grossvater muss sich vor dem Winterthurer Bezirksgericht verantworten: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord vor. (Symbolbild)
KEYSTONE/STEFFEN SCHMIDT

Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer eine Verurteilung des Mannes wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Der Verteidiger plädierte auf einen Freispruch vom Mordvorwurf; einzig wegen Vergehens gegen das Waffengesetz sei sein Mandant mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Das Bezirksgericht Winterthur wird das Urteil zu einem späteren Zeitpunkt eröffnen.

Es sei Notwehr gewesen, als er am 16. Februar 2021 in der Winterthurer Wohnung der damals 32-Jährigen zur Waffe gegriffen habe, brachte der 79-Jährige vor. Die Frau sei mit einem Messer von einer Länge von 35 oder 40 Zentimetern auf ihn zugekommen und habe gerufen, dass sie aus ihm Gulasch machen werde.

Die Staatsanwältin bezeichnete dies als unglaubhaft: «Er versucht offenkundig, sich als Opfer hinzustellen.» Ein Messer habe er in ersten Einvernahmen nicht erwähnt. Zudem sei am Tatort keines gefunden worden. Auch die Abgabe der Schüsse spricht gegen die Version des 79-Jährigen: Der erste Schuss fiel gemäss Gutachten, als die Frau auf dem Sofa sass - nicht bei einem Angriff.

Der Beschuldigte habe die Tat zielgerichtet, skrupellos und grausam ausgeführt, zeigte sich die Staatsanwältin überzeugt. Es habe sich um eine «rachsüchtige Abrechnung» gehandelt, nachdem die 32-Jährige mit ihren drei Kindern gegen den Willen der Familie in die Schweiz gezogen war und sich scheiden lassen wollte.

In der Heimat seines Mandanten herrschten keine archaisch-patriarchalischen Wertvorstellungen, hielt demgegenüber der Verteidiger in seinem Plädoyer fest. Er lehnte die Idee eines «Ehrenmords» ab. Ob der Mann angesichts kognitiven Einschränkungen überhaupt schuldfähig sei, stellte der Verteidiger infrage. Es sei nie umfassend geklärt worden, ob sein Mandant an Demenz leide.

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