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Auf zu den meditierenden Hunden

Corina Gerster hat ihre Zelte im heimischen Benken abgebrochen, um die weite Welt zu erkunden. Davon berichtet sie jeden Freitag auf linthzeitung.ch.

Linth-Zeitung
11.01.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die tibetischen Gebetsflaggen sind im Himalaja weit verbreitet. Sie repräsentieren Mantras und Gebete, die vom Wind in die Ferne getragen werden.
Die tibetischen Gebetsflaggen sind im Himalaja weit verbreitet. Sie repräsentieren Mantras und Gebete, die vom Wind in die Ferne getragen werden.
CORINA GERSTER

von Corina Gerster

Bin grad auf Zwischenlandung in Dhaka. Kennt ihr? Ich au nöd. Also doch, jetzt scho. Vorher hätte ich glaub auf den afrikanischen Kontinent getippt. Stattdessen sitze ich hier in Bangladesch. Gefallen tuts mir am Flughafen nicht wirklich. Ich bin die einzige Touristin weit und breit. Ganz allgemein sichte ich maximal eine Handvoll Frauen. Entsprechend ziehe ich die ganze Aufmerksamkeit auf mich. Grüppchenweise stellt man sich vor mich hin und checkt mich von oben bis unten mit stählernem Blick ab. Sechs Stunden lang. Natürlich trage ich lose Kleidung und zeige keine Haut. Reiseknigge on point. Trotzdem fühle ich mich wie ein Stück Fleisch in der Theke. Oder wohl eher wie eine Schinkenkeule, die lose am Marktstand hängt. Tja, egal. Tüüf dureschnuufe und locker bliibe.

Ich sollte diese Farce eigentlich eh als mentales Aufwärmtraining ansehen. Denn ich bin unterwegs nach Nepal! Erst wollte ich an einen Buddhismus-Kurs in einem Kloster teilnehmen. Inklusive zwei Schweigetagen. Dann habe ich mich aber umentschieden, dass ein vierwöchiges Yoga-Kürsli wohl eher meins ist. Doch alle Achtung: Auf dem Stundenplan stehen nicht nur herabschauende und dreibeinige Hunde. Sondern auch ganz viel Philosophie, Meditation und interessante Praktiken fürs Alltagsleben. Zum Beispiel Ahimsa, über friedvolles Handeln und Denken. Oder Aparigraha, über das Nicht-Anhäufen von Besitz. Oder Pratyahara, die Kontrolle über die eigenen Sinnesbedürfnisse sowie deren Impulse. Und so wiiter.

«Ich sollte diese Farce als mentales Aufwärmtraining ansehen. Denn ich bin unterwegs nach Nepal!»

In Kathmandu angekommen, trudle ich mit einer Horde wild gackernder Nepali aus dem Flughafen direkt in eine Rostbüchse (alias Taxi) rein. Zwei Fenster fehlen, sind easy-peasy mit einem Plastiksack zugeklebt. «No problem, Miss!» Ja demfall, los gahts! Auf nach Thamel, ins touristische, saubere und recht hübsche Zentrum Kathmandus. Klischeehaft wehen die farbigen Gebets-Fähndli im Wind, überall kann man gefälschte North-Face-Jacken und Paschmina-Tücher kaufen. Scheint, dass hier primär drei Arten von Touristen rumhängen: die Wanderer in voller Überleben-in-der-Wildnis-Montur, die Spirituellen mit Yogamätteli oder Klangschale unterm Arm und die dauerbekifften Hippies in Jesussandalen. Alle lassen es sich gut gehen: entweder mit leckerem Dal Bhat und Momos, mit Ayurveda- und Massagetherapien oder dem omnipräsenten Marihuana.

Für mich gehts zu Fuss weiter, denn meine Unterkunft liegt etwas ausserhalb. Zuerst durch enge Gässli, dann entlang einer verrückten Hauptstrasse mit hupenden Rollern und verbeulten Autos, hetzenden Schubkarren und dezent gestressten Fussgängern. Vorbei an den von Fliegen übersäten Fleisch- und Fischauslagen. Nur die handzahmen Strassenhunde wirken tiefenentspannt: Sie lassen sich weder vom Verkehrschaos noch von den zu Boden tropfenden Fleischsäften beeindrucken. Scheint mir, dass zumindest die Hunde ihr Pratyahara schon mal so richtig im Griff haben.

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