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Die Einzelpraxis wird zum Auslaufmodell

Churer Hausärzte praktizieren immer seltener in Einzelpraxen. Der Wunsch nach Teilzeitarbeit und mehr Work-Life-Balance ist zu gross.

21.09.17 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Der Beruf der Hausärztin fasziniert – verlangt aber auch Verzicht.
Der Beruf der Hausärztin fasziniert – verlangt aber auch Verzicht.
KEYSTONE

Rund 40 Hausärzte sind gemäss Ärztenetzwerk Grisomed in Chur tätig. Sie dürften sich über mangelnde Arbeit nicht beklagen. Denn sollte zum Beispiel Euer Hausarzt in die verdiente Rente gehen, kann sich die Suche nach einem neuen Hausarzt hinziehen. Viele Hausärzte nehmen keine neuen Patienten mehr in ihre Kartei auf.

Schwierige Suche nach einem Nachfolger

Schwierig ist es nicht nur für Patienten, einen Hausarzt zu finden. Auch für abtretende Hausärzte mit einer Einzelpraxis kann sich die Suche nach einem Nachfolger schwierig gestalten, wie jüngst das Beispiel des Churer Hausarztes Hansjürg Wieland zeigte. Nach langer Suche schien sich eine Lösung abzuzeichnen, dann aber zerschlug sich diese in letzter Sekunde. Nach einem Brief an die Patienten mit einer Auswahl an Hausärzten, die noch Patienten aufnehmen, kam es doch noch zum Happy End. Ein Nachfolger wurde diesen Sommer gefunden.

«Es ist zunehmend schwierig, einen Nachfolger für eine Einzelpraxis zu finden», sagt Christian Hasler, Präsident des Churer Ärztevereins. Nicht ohne Grund: «Junge Ärzte arbeiten lieber im Team. Sie möchten nicht mehr 100 Prozent arbeiten. Sowohl Männer als auch Frauen möchten ein Teilzeitpensum zwischen 70 und 80 Prozent.» Dies habe eine Studie der Universität Bern ergeben. Das Stichwort heisst «Work-Life-Balance». Die Arbeit in einer Gemeinschaftspraxis lässt Arbeit und Privatleben besser miteinander vereinbaren. Darüber hinaus liessen sich junge Ärzte lieber anstellen und seien so neben der ärztlichen Verantwortung nicht noch mit administrativen Arbeiten und technischen Herausforderungen beschäftigt.

Auf Spezialisten angewiesen

Auch die Spezialisierung macht sich in der Hausarztmedizin bemerkbar. Wie Hasler erklärt, wird die Medizin zunehmend komplexer, sodass der Hausarzt selber nicht mehr alles anbieten kann und auf Zusammenarbeit mit Spezialisten angewiesen ist. Zudem gibt es immer mehr Berufe, welche Angebote vom Hausarzt übernehmen, etwa die Wundspezialisten bei der Spitex, die Ernährungsberaterin für Zuckerkranke sowie die Pharma-Assistentin und der Apotheker, die Beratungen und Behandlungen anbieten.

Keine Selbstdispensation

Einen Einfluss auf die Attraktivität des Hausarzt-Berufs dürfte auch die Selbstdispensation haben – respektive die fehlende Selbstdispensation. Darunter versteht man die Abgabe von Arzneimitteln durch Ärzte. Zwar gilt in Chur der gleiche Taxpunktwert wie in anderen Ostschweizer Städten, diese aber kennen eine Selbstdispensation für Ärzte, wovon diese finanziell profitieren. 

«Zudem schränken die Krankenkassen zunehmend die freie Arztwahl ein und haben für die Versicherten spezielle Ärztelisten», so der Präsident des Churer Ärztevereins Christian Hasler. Den Listen ist zu entnehmen, mit welchen Ärzten die Kassen zusammenarbeiten – ohne dass der einzelne Hausarzt selber weiss, nach welchen Kriterien die Listen gemacht werden. Hasler sieht noch eine weitere zusätzliche Belastung in Sachen Krankenkassen: «Von den Krankenkassen werden immer mehr Arztberichte verlangt und zunehmend Formulare verschickt, deren Bearbeitung sich zum Teil sehr zeitintensiv gestaltet.»

Notfalldienst optimieren

Damit Chur für junge Praxisnachfolger attraktiv bleibt, ist es laut Hasler wichtig, dass es Optimierungen im Notfalldienst gibt mit guter Zusammenarbeit mit den Spitälern. In anderen Schweizer Städten werde dies schon häufig praktiziert mit Notfallpraxen im Spital.

Der Hausarzt-Beruf ist und bleibt für Hasler ein faszinierender und abwechslungsreicher Beruf. Der Hausarzt pflege den Kontakt mit Patienten über viele Jahre, von jung bis alt. Er habe das Privileg, ganze Familien auf ihrem Lebensweg zu begleiten. Und nicht zuletzt sei der Beruf auch aus medizinischer Sicht interessant, da der Hausarzt am medizinischen Fortschritt der Medizin teilhaben kann.

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