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Gesucht: Ein Mittel gegen Wohnungsmangel

Freie Wohnungen sind im Linthgebiet zunehmend Mangelware. Die Gründe dafür sind zahlreich. Allerdings gäbe es eine einfache Lösung für mehr Wohnungen auf dem Markt.

Fabio
Wyss
27.03.23 - 17:53 Uhr
Wirtschaft
Noch mehr Wohnraum: In Uetliburg entsteht eine Überbauung, welche sich positiv auf das schon vorhandene Angebot in Gommiswald auswirken wird.
Noch mehr Wohnraum: In Uetliburg entsteht eine Überbauung, welche sich positiv auf das schon vorhandene Angebot in Gommiswald auswirken wird.
Bild Markus Timo Rüegg

Wer eine Wohnung sucht, braucht meist nicht nur Geduld, sondern auch Glück. Dass dies mehr als ein Gefühl ist, belegt die Leerwohnungsstatistik.Für diese müssen die Gemeinden per Stichtag, dem 1. Juni, mitteilen, wie viele freie Wohnungen auf dem Markt zur Verfügung stehen. Und hier zeigen sich in der Region frappante Unterschiede.

Tatsächlich gehen die verfügbaren Wohnungen fast überall zurück – teils gar drastisch (siehe Grafik). In Gommiswald hingegen stehen überraschenderweise 81 Wohnungen leer, acht mehr als im Vorjahr. Überraschend ist das, weil die Gemeinde am Ricken stetig wächst und zuletzt immer Spitzenreiter bezüglich freien Wohnraums in der Region war.

Auch der Gommiswaldner Gemeindepräsident Peter Hüppi hat dafür keine eindeutige Erklärung: «Grundsätzlich weiss ich auch nicht, warum unser Wert höher ist als in den Nachbargemeinden.» Er könne sich vorstellen, dass dies hauptsächlich an der Ermittlung der Zahlen liege. Hüppi weiss von Gemeinden, welche die Zahlen mittels eines Aufrufes an die Bevölkerung eruieren. Und ist sich nicht sicher, wie genau das ist.

In Gommiswald indes wird der Leerstand in einem mehrstufigen Prozess durch die Gemeinde ermittelt. Wie auch immer – klar ist: Von den 81 freien Wohnungen sind nicht alle tatsächlich verfügbar. «Sicher gibt es ältere Wohneinheiten, welche allenfalls gar nicht mehr bewohnbar sind oder einem Neubau weichen werden», sagt Hüppi.

Wohnungsnot in Schänis?

Ganz anders in Schänis, dem Schlusslicht im Linthgebiet. Lediglich drei Gemeinden im Kanton St. Gallen weisen einen tieferen Wert auf als die aufgerundeten 0,2 Prozent im 4000-Seelendorf. Bei der Gemeindepräsidentin Gabriela Tremp tönt es ähnlich wie bei ihrem Gommiswaldner Amtskollegen. Der grosse Unterschied unter den Gemeinden könnte laut ihr tatsächlich an der Ermittlung der Zahlen liegen. Und so gibt Tremp gar Entwarnung: «Ich würde nicht von einer generellen Wohnungsknappheit sprechen.»

Und sowieso handle es sich bei der Statistik des Leerwohnungsbestands um eine Momentaufnahme. «Zum Zeitpunkt der Datenaufnahme für die Statistikerhebung 2022 standen gerade einmal drei Wohnungen zur Verfügung; heute sind es elf Wohnungen.» Zudem seien derzeit verschiedene Neubauprojekte im Bau.

Die Beispiele von Spitzenreiter und Schlusslicht in See-Gaster zeigen, dass Vergleiche unter Gemeinden mit Vorsicht zu geniessen sind. Aussagekräftiger ist der Blick auf das grosse Ganze. Und hier zeigt sich, dass sowohl in der Gesamtschweiz, dem Kanton als auch der Region die Zahl freier Wohnungen tendenziell sinkt. Aktuell sind in See-Gaster bloss 1,4 Prozent aller Wohnungen frei. Bei einem Wert unter 1,5 Prozent spricht der Bund von Wohnungsmangel – unter 1 Prozent von Wohnungsnot. Augenfällig ist vor allem der starke Rückgang. 2020 bewegte sich See-Gaster mit 2,2 Prozent freien Wohnungen deutlich über dem schweizweiten Mittel, nun ist man fast gleichauf.

Wenig Bautätigkeit in Weesen

Am heftigsten ist dieser Rückgang in Weesen, wo die Leerwohnungsziffer zuletzt regelrecht zusammensackte. Gegenüber dem Vorjahr sind fast viermal weniger Wohnungen auf dem Markt. Gemeindepräsident Marcel Benz stellt diese Wohnungsknappheit nicht in Abrede: «Wir haben nicht ausreichend Wohnraum, um die vorhandene Nachfrage in unserer schönen Gemeinde zu decken.» Die Gemeinde erhalte regelmässig Anfragen von Interessenten für freie Liegenschaften, Wohnraum oder auch Baugrundstücke. «Wir beobachten, dass die wenigen frei werdenden Liegenschaften mehrheitlich unter der Hand veräussert werden», sagt Benz.

Den massiven Einbruch der Leerwohnungsziffer im Jahr 2022 erklärt er sich mit der vorläufig erschöpften Bautätigkeit. In den letzten paar Jahren vermochten laut Benz diverse grössere Überbauungen die Nachfrage zu lindern – etwa beim Staad- und Kurfürstenpark, dem Höfenhof oder der Ziegelbrückstrasse. Zwischenzeitlich habe das die Leerwohnungsziffer wohl etwas erhöht.

Jetzt aber stehen die Bagger still. «Die Gemeinde steckt derzeit im Ortsplanungsrevisionsprozess», so Benz. Künftig gilt in Weesen wie auch anderswo: verdichten nach innen. Baueinzonungen sind so gut wie passé. Benz kann sich darum vorstellen, dass einige Grundeigentümer die neuen Bestimmungen des Baureglements und der Weesner Zonenplanung abwarten. «Wir gehen davon aus, bis Ende 2023 diese beiden Grundlagen öffentlich aufzulegen.» Später löse das wieder Neu- oder Umbauten aus, die das Angebot erhöhten.

Ähnliche Probleme am Obersee

Am anderen Ende des Linthkanals hört es sich ganz ähnlich an. Nach der Anfrage der «Linth‑Zeitung» hat sich das Architekturforum Obersee (AFO) über mögliche Ursachen der tiefen Leerwohnungsziffer unterhalten. Deren Sprecher Patrick Biella stellt fest, dass wegen der Ortsplanungsrevision auch im Grossraum Rapperswil-Jona Projekte in der Warteschleife stecken.

Wiederum andere würden durch Einsprachen verzögert, wenn nicht gar ganz verhindert. Andere Projekte scheiterten am Verkehr als «Gordischer Knoten, der erst gelöst werden muss». Dezu verlagere sich die schon länger existierende Wohnungsnot in Zürich nun in ländlichere Regionen.

Und zunehmende Regularien öffneten «Tür und Tor für Einsprachen», sagt AFO-Vorstandsmitglied Biella. Das wirke sich am Obersee mit seiner attraktiven Lage entsprechend rasch auf die Leerwohnungsziffer aus.

Diese Lage zeigt nun ihre Schattenseite. Da gemäss Biella fast keine Baulandreserven bestehen, werden die Grundstückpreise in die Höhe getrieben. Kombiniert mit der allgemeinen Teuerung sinke die Rendite von Wohnprojekten. «Das macht diese für Investoren unattraktiver», erklärt der Architekt.

Aus Sicht des hiesigen Architektengremiums gäbe es diverse Massnahmen, um die Bautätigkeit wieder zu erhöhen. «Bei Einhaltung der bereits strengen Raumplanungs- und Baugesetze sowie privatrechtlichen Vereinbarungen sollte vereinfacht gebaut werden dürfen», fordert Biella. Auch könnten landwirtschaftliche Gebäude für Wohnungsbau besser genutzt werden – selbstverständlich mit der geforderten Umsicht und Kontrolle, ergänzt der AFO-Sprecher.

Was bleibt: Mangel an Personal

Vorschläge zu liberaleren Baugesetzen, wie sie auch der Rapperswil-Joner SVP-Kantonsrat Christopher Chandiramani in einem Vorstoss macht (siehe Box), haben aber einen Haken: Weniger Vorschriften bedeuten nicht gleich eine höhere Bautätigkeit. Denn in der Region haben Baufirmen schon jetzt alle Hände voll zu tun – und leiden stark unter Fachkräftemangel.

Diese Erfahrung macht Architekt Biella tagtäglich. Viele Baumeister offerieren aus Mangel an Kapazität gar nicht mehr. Insbesondere Elektriker, Haustechniker und Handwerker, die mit erneuerbaren Energien zu tun haben, sind für Baumeister schwierig zu bekommen.

Abhilfe würde gemäss Architekturforum eine gezielte Integration von Zugewanderten schaffen. Die allgemeine Zuwanderung gilt bekanntlich als einer der Treiber des sinkenden Wohnangebots. Nachhaltiger wären daher andere Wohngewohnheiten. «Ein- bis Zwei-Personen-Haushalte in grossen Wohnungen blockieren viel Wohnraum, der vielfältiger genutzt werden könnte», sagt Biella. Die immer grösseren Platzbedürfnisse führt auch Bank-Linth-CEO David Sarasin als einen der Gründe für die tiefe Leerwohnungsziffer auf (siehe «Drei Fragen an…»).

Das Architekturforum wüsste einen Lösungsansatz: Microliving. Ein erstes Projekt mit solchen Mikro-Appartments hat Biellas Architekturbüro erst kürzlich mit Unterstützung der Stadt Rapperswil-Jona realisiert (siehe Ausgabe vom 14. Februar). Von den Bauherrinnen, der Mieterschaft und Biella wird dieses einhellig als Erfolgsgeschichte bezeichnet. Um die Leerwohnungsziffer zu erhöhen, bräuchte diese dringend eine Fortsetzung.

Kantonsrat besorgt wegen «Wohnungsnot» in der Region
Prekär sei die Lage auf dem Wohnungsmarkt in See-Gaster. Das schreibt SVP-Kantonsrat Christopher Chandiramani aus Rapperswil-Jona in einer Interpellation. «Auf freie inserierte Wohnungen meldet sich eine riesige Anzahl von potenziellen Mietern.» Laut dem Finanzanalytiker sind Familienwohnungen in der Region stets rarer und fast unbezahlbar geworden. Darum möchte er von der Regierung erfahren, ob die hiesige Verknappung ein Einzelfall im Kanton ist. Auch fragt Chandiramani nach Massnahmen, welche die Problematik schnellstmöglich mildern könnten. Dabei listet der Politiker einen bunten Strauss möglicher Vorschläge auf: von der Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren über eine «Entrümpelung der kantonalen Vorschriften und gemeindeeigenen Bauordnungen»bis hin zu Zonenerweiterungen oder der Förderung von Wohnungsbaugenossenschaften. Eine Antwort der Regierung steht noch aus. (wyf)

Interview mit David Sarasin, CEO der Bank Linth. BILD KEYSTONE
Interview mit David Sarasin, CEO der Bank Linth. BILD KEYSTONE

David Sarasin, Sie prognostizierten schon 2021 eine tiefe Leerstandsziffer für das Linthgebiet. Als Gründe nannten Sie die Zinssituation, Bautätigkeit und Demografie. Ist das noch aktuell? Ja, diese Einschätzung trifft weiterhin zu. Aktuell dürften insbesondere die gestiegenen Zinsen ein Faktor sein, der die Bautätigkeit insgesamt eher bremst.

Was hemmt abgesehen von höheren Zinsen bei Hypotheken derzeit die Bautätigkeit? Rigidere Vorschriften können eine Hürde für Neubauprojekte sein. Zudem ist heute auch mit höheren Materialkosten zu rechnen, angesichts der Inflationstrends und von häufiger gewordenen Engpässen in internationalen Lieferketten.

Und wie beeinflusst die Demografie – also die Alterung der Gesellschaft – den Immobilienmarkt? In der Schweiz sehen wir, dass ältere Menschen bei guter Gesundheit tendenziell länger im Eigenheim bleiben – auch wenn die Kinder längst ausgezogen sind. Gleichzeitig ist ein Land mit einer älteren Altersstruktur verstärkt auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen, welche Infrastruktur und Dienstleistungen erhalten, zum Beispiel auch in der Alterspflege. Kommt dazu, dass aktuell der Arbeitsmarkt generell Bedarf an Fachkräften hat, und mit der Zuwanderung steigt die Wohnraumnachfrage. Wir dürfen dabei aber auch nicht vergessen: Auch jüngere Menschen haben heute das Bedürfnis nach grösserem Wohnraum. Es geht im Kern nicht um Alt oder Jung, sondern um einen Anstieg der Wohnbevölkerung mit grösseren Platzbedürfnissen. (wyf)

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