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Internationale Konzerne stärker in die Verantwortung nehmen

Am Dienstag beginnt in Bern die ordentliche Sommersession. National- und Ständerat sind sich in der Haltung zur Konzernverantwortungs-Initiative uneins. Die drei Glarner stehen für drei unterschiedliche Positionen.

Daniel
Fischli
30.05.20 - 04:30 Uhr
Wirtschaft
Martin Landolt (rechts) diskutiert an der Sondersession von Anfang Mai im Bernexpo-Gebäude.
Martin Landolt (rechts) diskutiert an der Sondersession von Anfang Mai im Bernexpo-Gebäude.
ALESSANDRO DELLA VALLE/KEYSTONE

Man wird nie wissen, ob die keimfrei unterkühlte Atmosphäre im Bernexpo-Gebäude einen Einfluss auf die politischen Entscheide der eidgenössischen Räte hatte. Der Glarner Ständerat Mathias Zopfi (Grüne) sagt: «Wir werden sicher probieren, in persönlichen Gesprächen noch ein paar Ständeräte zu überzeugen. Aber es ist schwieriger als im Bundeshaus; in der Bernexpo fehlt das Zwischenmenschliche.»

Es geht um zwei konkurrierende Gegenvorschläge zur Konzernverantwortungs-Initiative. Derjenige des Nationalrates würde die Initianten zum Rückzug der Initiative bewegen, derjenige des Ständerates geht ihnen aber zu wenig weit. Die Minderheit im Ständerat mit Mathias Zopfi müsste in Gesprächen fünf Kollegen überzeugen, die Seite zu wechseln und sich der Lösung des Nationalrates anzuschliessen, damit zwischen den Räten eine Einigkeit zustande kommt. Passiert das in der am Dienstag beginnenden Sommersession nicht, ist der Gegenvorschlag vom Tisch, und es kommt so oder so zur Abstimmung über die Initiative.

Die Initiative verlangt, dass Unternehmen mit Sitz in der Schweiz für im Ausland begangene Menschenrechtsverletzungen oder Umweltzerstörungen hierzulande zivilrechtlich haftbar gemacht werden können. «Eigentlich eine Selbstverständlichkeit», sagt Mathias Zopfi dazu.

Glencore am Pranger

Wenn der Gegenvorschlag des Nationalrates scheitert und es im Herbst zur Abstimmung über die Initiative kommt, so könne der Wirtschaftsstandort Schweiz nur verlieren, glaubt Zopfi. Auch wenn die Initiative abgelehnt werde. Die Initianten prangern schon heute schwere Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen vor allem des Zuger Rohstoffkonzerns Glencore an. Diese Bilder bleiben hängen. «Ein Abstimmungskampf wird der Reputation der Schweizer Wirtschaft so oder so schaden», sagt Zopfi. Umgekehrt könne die Schweiz, wenn sie das Anliegen der Initiative umsetze, wieder einmal eine Pionierrolle einnehmen. «Und eigentlich ist doch klar, dass jeder haftet, wenn er einen Schaden verursacht hat.»

Auch Nationalrat Martin Landolt (BDP) sagt, er befürchte, dass der Gegenvorschlag des Nationalrates scheitere. Der Initiative gibt er in diesem Fall gute Chancen in der Volksabstimmung: «Gegen das Anliegen kann man eigentlich nichts haben und sie ist sehr breit, bis in bürgerliche Kreise hinein abgestützt.» Die Initianten hätten sich kompromisswillig gezeigt, so Landolt. «Die Wirtschaft hat den Schritt auf die Initianten zu aber noch nicht gemacht.» Offenbar fehle die Einsicht, dass Handlungsbedarf bestehe.

Landolt gibt dem nationalrätlichen Gegenvorschlag den Vorzug vor der Initiative. Ersterer schränkt insbesondere den Kreis der betroffenen Unternehmen ein. Falls er sich in der Abstimmung zwischen dem noch schwächeren ständerätlichen Gegenvorschlag und der Initiative entscheiden müsste, wäre er «in einem Dilemma», so Landolt. «Ich weiss noch nicht, wofür ich mich entscheiden würde», sagt er. Und: «Es geht vielen aus der bürgerlichen Mitte so.»

Ein «Magnet für Klagen»

Im Gegensatz zu Zopfi und Landolt macht sich Ständerat Thomas Hefti (FDP) für den Vorschlag des Ständerates stark. Er führt keine neuen Klagemöglichkeiten vor Schweizer Gerichten ein. Die Unternehmen würden nur zur Berichterstattung in Sachen Menschenrechte und Umweltschutz verpflichtet. Das sei nicht nichts, so Hefti. «Die Firmen werden das sehr ernst nehmen müssen.»

Thomas Hefti befürchtet, dass mit der Einführung von Haftungsregeln gemäss der Initiative oder dem Vorschlag des Nationalrates die Schweizer Gerichte zu «Magneten für Klagen» würden. Denn diese Regelung wäre in der Welt einmalig, so Hefti. «Anwaltsbüros aus der ganzen Welt würden Klagen einreichen und Fernsehstationen aus der ganzen Welt würden darüber berichten.» Für die Unternehmen werde sich die Frage stellen, ob sie diesem Druck standhalten wollten und die Schweiz noch der richtige Standort sei.

Rechtsgrundlage für die neue Corona-Tracing-App

Der Bundesrat legt dem Parlament in der Sommersession die Rechtsgrundlage für den Betrieb der Tracing-App vor. Sie informiert ihre Nutzer, wenn diese Kontakt mit einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatten. Die App auf dem Smartphone kann das bisherige Contact-Tracing der Kantone ergänzen.

Wichtig sei dabei, dass ein Missbrauch der Daten möglichst verhindert werde und Missbräuche bestraft werden könnten, sagt Ständerat Thomas Hefti. Ebenfalls, dass die Daten nur für den vorgesehenen Zweck und nicht etwa als Beweismittel vor Gerichten verwendet werden dürften. Die App sei im Kampf gegen das Coronavirus nützlich, sie sei aber «sehr nahe an orwellschen Zuständen», so Hefti. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Datenschutz gewährleistet werden kann.

Die Nutzung der App soll nach dem Willen des Bundesrates freiwillig sein. Und wer sie nicht nutzt, darf nicht benachteiligt werden. Die vorberatenden Kommissionen von National- und Ständerat empfehlen zudem, dass Personen, die sich nach einer Warnung durch die App freiwillig in Quarantäne begeben, einen Anspruch auf Lohnfortzahlung haben. Ständerat Mathias Zopfi unterstützt dieses Anliegen: «Wenn man will, dass die App genutzt wird, darf sie keine Kosten verursachen», sagt er. Thomas Hefti würde diese Frage lieber erst später regeln. Die Vorlage als ganze sei schon «etwas übers Knie gebrochen». Wenn die Nutzung der App freiwillig sei, könnten Folgefragen auch in einer zweiten Runde sorgfältig geprüft werden, so Hefti.

Schutz des Klimas

Der Nationalrat diskutiert das CO2-Gesetz, das dem Abbruch der Frühlingssession zum Opfer gefallen ist. Seine vorberatende Kommission ist mehrheitlich auf dem Kurs, den der Ständerat vorgegeben hat. Die Vorlage sei ein tauglicher Schritt zum Schutz des Klimas, sagt Nationalrat Martin Landolt. Und sie werde die Beratung trotz der Opposition der SVP unbeschadet überstehen. «Ich freue mich auf den Abstimmungskampf», sagt Landolt. Er rechne mit einer grossen Zustimmung, was dann die Klimapolitik stärke. (df)

Daniel Fischli arbeitet als Redaktor bei den «Glarner Nachrichten». Er hat Philosophie und deutsche Sprache und Literatur studiert.

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