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«Film ab» für ein Kapitel Zirkusgeschichte

«Ton an, Kamera läuft» heisst es im Aussenquartier des Circus Knie in Wagen. Dort wird derzeit für den Film «100 Jahre Nationalcircus» des Schweizer Fernsehens gedreht. Am Set trifft man auf Lamas, Pferde und einen uralten Zirkuswagen.

11.10.18 - 04:35 Uhr
Stars & Sternli

Das Pferd hat seinen Termin in der Maske bereits hinter sich. Hübsch eingeflochten ist die Mähne, das weisse Fell glänzt in der Morgensonne, elegant trippelt es den Besuchern entgegen. Es ist bereit für den Drehtag, lange bevor Schauspieler und Komparsen in die Kameras blinzeln. Und da sind sie auch schon, die Zirkuswagen. Der grosse Schriftzug auf jedem einzelnen verrät, welche Zirkusgeschichte hier gleich von den Schauspielern nachgestellt wird. Ein Strauss Luftballons baumelt an einem alten Kassahäuschen, Frauen in wallenden Kleidern schlendern über den Kiesplatz. Auch ohne Chapiteau und Fanfaren spürt man: Es liegt ein Hauch Zirkuszauber in der Luft.

50 Minuten dauert der fiktionale Teil des insgesamt 180-minütigen Filmprojekts. Dafür sind 14 Drehtage in Rapperswil-Jona und der Umgebung nötig. 

Die Zirkuswelt beginnt an diesem Morgen dort, wo andern der Zutritt untersagt ist. Das Aussenquartier des Circus Knie am Ortsende von Wagen hat sich kurzerhand in ein Filmset verwandelt. Abgeschirmt von neugierigen Blicken richten sich hier Kameras auf Zirkuswagen und Requisiten aus längst vergangenen Tagen.

«Stehplatz: 60 Rappen»

Auf dem weitläufigen Areal entsteht der fiktionale Teil des SRF-Projekts «Dynastie Knie – 100 Jahre Nationalcircus». Aktuell befinden wir uns im Jahr 1917. Gefilmt wird eine Begegnung zwischen Mar-grit Lippuner und ihrem künftigen Ehemann Friedrich Knie. Dieser, dargestellt vom Berner Schauspeler Simon Käser, hämmert mit festen Schlägen das Preisschild am Kassahäuschen fest: Stehplatz 60 Rappen, «Kategorie 3» einen Franken Fünfzig, Logenplatz drei Franken. Allein die Preise zeigen: Es sind Szenen aus einer Zeit, die weit zurückliegt, und die hier nochmals rekonstruiert werden.

«Achtung, wir drehen, bitte Ruhe!», schallt es von der Regie her. Die Kostümbildnerin eilt herbei, zupft hier ein Tuch, dort einen Rock zurecht, jemand von der Maske glättet Hauptdarsteller Simon Käser den Scheitel mit einem Kamm. «Ton an, Kamera läuft». Käser – alias Friedrich Knie – hämmert erneut, Margrit Lippuner (gespielt von Mona Petri) schlendert über den Platz. Zwei, drei, viermal wird die Szene wiederholt. Dann wird umgebaut.

Vier Szenen sind es insgesamt, die für diesen Tag auf dem Drehplan stehen. 14 Drehtage braucht es, bis der 50-minütige fiktionale Teil des Projekts im Kasten ist. Ergänzt wird er später mit Archivaufnahmen und Interviews mit Familienmitgliedern und Wegbegleitern der Zirkusdynastie Knie

Für den fiktionalen Teil konnten die Verantwortlichen der Firma «Tellfilm» ein wahres Schmuckstück erwerben. Ein alter Zirkuswagen, in dem Margrit Knie-Lippuner einst illustre Gäste empfangen hatte, konnte kurzerhand aus dem Verkehrshaus Luzern nach Rapperswil transportiert werden. Drinnen stehe sogar noch die Original-Einrichtung, schwärmt Produzentin Katrin Renz. Ebenfalls ein Hingucker ist das alte Kassahäuschen. Dieses allerdings wurde für den Dreh nachgebaut. Und: Statt eines Zirkuszelts sticht eine grosse Leinwand ins Auge. Hier wird später mit digitalen Effekten das Chapiteau in die Filmaufnahme projiziert. Dafür, so schildert die Produzentin, ist extra ein Spezialist aus Polen angereist.

Nicht ganz so weit gereist sind die Tiere – allen voran: die Lamas. Sie, die mit dem typisch dümmlich-gelangweilten Blick in die Sonne blinzeln, stammen aus Knies Kinderzoo in Rapperswil. Auf der Suche nach passenden Kostümen für die Schauspieler hingegen hat die Kostümverantwortliche in der gesamten Deutschschweiz gesucht. Gewänder aus den Anfängen der Zirkusdynastie seien zwar teils noch erhalten. Aktuell befänden sie sich aber im Textilmuseum St. Gallen. Und, fügt sie scherzhaft an: «Sie sollen ja nicht gleich auseinanderfallen, wenn die Schauspieler sie anziehen.»

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