×

Kaeslin zieht in Eschenbach Gross und Klein in ihren Bann

Eine solche Persönlichkeit hat man als Turnverein nicht alle Tage zu Gast: Die frühere Weltklasse-Kunstturnerin Ariella Kaeslin bescherte dem STV Eschenbach mit Tat und Wort einen speziellen Tag.

Bernhard
Camenisch
14.09.20 - 20:39 Uhr
Sport

Kurz nach 10.15 Uhr versammelt die blonde Frau mit Brille im weissen T-Shirt die Kinder in der Turnhalle des Schulhauses Kirchacker um sich. Die Kids hören aufmerksam zu und machen eifrig nach, was ihnen die Vorturnerin zeigt. Es ist eine Prominente, denn die blonde Frau mit Brille im weissen T-Shirt ist Ariella Kaeslin. Bis 2011 sorgte die mittlerweile 32-Jährige als bis dahin erfolgreichste Schweizer Kunstturnerin für Furore, 2008 bis 2010 wurde sie dreimal in Folge als Schweizer Sportlerin des Jahres geehrt.

Einige der Kids vom STV Eschenbach, die an diesem Samstagmorgen beim Turnplausch mit Kaeslin dabei sind, waren damals noch gar nicht geboren. «Ich kannte sie vorher nicht», sagt die achtjährige Noée, «aber sie ist lieb, und der Postenlauf hat mir gefallen.» Auch die neunjährige Norine ist begeistert. «Den Namen Ariella Kaeslin hatte ich schon mal gehört», sagt sie.

Imposanter Blick dahinter

Nach dem Turnen mit der Gruppe der Jüngsten leitet Ariella Kaeslin in Eschenbach noch zwei weitere jeweils 75-minütige Einheiten für ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Engagiert zeigt und erklärt sie, gibt Tipps und hat für alle ein offenes Ohr.

Danach überzeugt sie auch als Referentin zum Thema «Hinter den Kulissen des Spitzensports». Kaeslin wird dabei sehr persönlich und stellt gleich zu Beginn klar: «Ich will nicht nur die schönen Seiten vom Kunstturnen beleuchten.» Es folgt eine eindrückliche Erzählung ihres Werdegangs vom Mädchen, das mit vier Jahren mit Kunstturnen begann und als 13-Jährige ins nationale Leistungszentrum nach Magglingen wechselte, bis hin zur jungen Frau, die 2011 mit 23 Jahren infolge einer Erschöpfungsdepression zurücktrat und danach ihren Platz in der Gesellschaft erst finden musste.

«Ich würde alles nochmals gleich machen.»
Ariella Kaeslin, ehemalige Weltklasse-Kunstturnerin

Mit keinem Wort erwähnt Kaeslin, wie sie 2009 als erste Schweizer Kunstturnerin eine WM-Medaille (Silber) und den EM-Titel (jeweils am Sprung) gewann. Stattdessen spricht sie über den ständigen Kampf gegen die Waage, davon, wie sie ihren Körper trotz 30 Stunden Training pro Woche über Jahre auf Sparflamme halten musste, was zu Verletzungen, häufigem Kranksein und Schlafproblemen führte. Kaeslin war ein gefeierter Weltstar, selbst fühlte sie sich aber «als kleine Kunstturnerin», die ständig mit riesiger Erwartungshaltung konfrontiert war und versuchte, dieser gerecht zu werden.

Kaeslin erklärt, dass es fünf Jahre gedauert habe, bis sie sich vom Burn-out erholte. Und dennoch sagt sie mit Überzeugung: «Ich würde alles nochmals gleich machen. Ich durfte Turnen, mit Betonung auf dürfen.»

Verpasstes nachgeholt

Als Hobbysportlerin ist die Luzernerin mittlerweile vielseitig aktiv, so lief sie vor zwei Jahren ihren ersten Marathon. Längst weiss sie auch, welche Schokolade ihr am besten schmeckt, denn wie sie sagt, musste sie sich nach dem Karriere-Ende erst durchs Angebot testen, Schokolade hatte sie als Spitzensportlerin nicht gekannt.

Auch Schulisches hat Kaeslin nachgeholt. Nach dem Abschluss der Erwachsenen-Matura erwarb sie an der Universität Bern den Bachelor in Sportwissenschaften und Psychologie. Seit zwei Jahren lässt sie sich zur Physiotherapeutin ausbilden.

Kaeslins Besuch in Eschenbach kam auf Vermittlung ihrer Partner EGK-Gesundheitskasse und Vituro zustande. Dass dieser für sie keineswegs bloss Business war, bewies die ehemalige Weltklasse-Turnerin auch nach Beendigung ihres Referats. Sie blieb nämlich auch noch zum Grillplausch im Rahmen des STV-Eschenbach-Family-Days.

 

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Sport MEHR