Der Kanton lockert für mehr Sonnenstrom den Denkmalschutz
Fotovoltaikanlagen und Denkmalschutz beissen sich oft. Nicht mehr lange. Der Kanton St. Gallen will Regeln lockern und einfacher verständlich machen. Das kommt gut an.
Fotovoltaikanlagen und Denkmalschutz beissen sich oft. Nicht mehr lange. Der Kanton St. Gallen will Regeln lockern und einfacher verständlich machen. Das kommt gut an.
Seit dem 15. Jahrhundert steht die reformierte Kirche im bündnerischen Trin – seit letztem Jahr ist das Dach bestückt mit Solarzellen. 300 Quadratmeter misst die Fotovoltaikanlage, welche in einem denkmalgeschützten Ortsteil steht. Wäre das auch ein paar Dutzend Kilometer von der Surselva entfernt im Linthgebiet möglich?
Eine einfache Antwort auf diese Frage gibt es nicht. Klar ist aber: Denkmalschutz und Solarenergie beschäftigen hiesige Gemeinden, Solarinstallateure und Bauherren. Denn einfach so eine Fotovoltaikanlage kann längst nicht auf jedes Dach gebaut werden. Sobald ein Gebäude in einem kantonal oder national geschützten Ortsteil liegt, wird es kompliziert.
Und davon gibt es viele: Über ein Dutzend Ortskerne oder Einzelobjekte sind es verteilt im ganzen Linthgebiet. Sie finden sich auf einer langen Liste des Kantons. «Viele Hausbesitzer wollen eine Fotovoltaikanlage bauen, können aber nicht», sagt Andreas Schätti, Inhaber der Eschenbacher Solarenergiefirma Polyvoltark.
Eine Anfrage der «Linth‑Zeitung» beim Kanton beantwortet Christian Eisenhut von der St. Galler Energieagentur. Selbst er sagt, teilweise gebe es «unklare denkmalpflegerische Richtlinien». Das führe zu langen Bearbeitungszeiten der Baugesuche – umso mehr wegen der hohen Nachfrage nach Fotovoltaikanlagen.
Auf Wunsch der Gemeinden beschleunigt und vereinfacht nun der Kanton St. Gallen den Bewilligungsprozess. Und teils lockert er Vorgaben für denkmalgeschützte Ortsteile, damit dort mehr Solaranlagen entstehen können. Noch bis zum 20. Februar läuft dazu die Vernehmlassung (Die Teilnahme steht Interessierten unter diesem Link offen: https://findmind.ch/c/solar-denkmalpflege).
Kommen Solarpanels auf das Schloss Rapperswil?
Auf die Frage, ob so schon bald auf dem Schloss Rapperswil Sonnenstrom produziert wird, antwortet Eisenhut von der Energieagentur energisch: «Mit gesundem Menschenverstand käme dort niemand auf die Idee, Solarpanels zu installieren.» Trotz neuer Bewilligungspraxis werde es im Kanton weiterhin Tabus für Fotovoltaikanlagen geben.
Wo diese Tabus gelten und wo nicht, soll bald öffentlich einsehbar sein. Der Kanton plant, eine Karte zusammenzustellen, mit weissen, gelben, orangen und roten Bereichen (Details siehe Box). Weiss heisst: keine Vorgaben. Rot: starke Restriktionen.
Was in den denkmalgeschützten Bereichen gelten soll
Der Kanton St. Gallen will geschützte Ortsbilder und Kulturobjekte in drei Kategorien unterteilen. Auf einer Karte werden diese nach Farben unterschieden: In der roten Kategorie sind höchstens Ausnahmebewilligungen denkbar – zum Beispiel für nicht einsehbare Solarziegel. Dies, weil die Dachfläche als sehr sensibel gilt. Das Schloss Rapperswil fällt gemäss der St. Galler Energieagentur ebenfalls in diese Kategorie. Oranges Gebiet ist die Altstadt von Uznach. Wie bei der roten Kategorie braucht es für eine Solaranlage grünes Licht von der St. Galler Denkmalpflege. Diese legt Wert auf die Anordnung, Struktur, Form und Farbe von Solarpanels. Sie dürfen den Charakter der Dachlandschaft nicht beeinträchtigen. Unter Umständen können in der orangen Kategorie auch Solaranlagen auf bestehenden Dächern montiert werden – sogenannte Aufdachanlagen. Bislang war das verboten. Auch in der gelben Kategorie benötigt es eine Baubewilligung, aber keine Stellungnahme des Kantons. Auch sonst gibt es mehr Freiheiten für den Bau von Solaranlagen. Infrage kommen für diese Kategorie kantonal geschützte Ortsbilder, wie der Eschenbacher Ortsteil Goldingen. Gemeinden reden bei der noch folgenden definitiven Einteilung mit. (wyf)
Das Rapperswiler Schloss wird wie das Kloster Berg Sion oder das Kloster Wurmsbach voraussichtlich in diese rote Zone fallen. Dasselbe gilt für sensible Ortsbilder. Eisenhut von der Energieagentur verweist auf die national geschützte Altstadt St. Gallen. Dort seien nur Ausnahmen denkbar. «Ein Beispiel dazu sind Solarziegel.» Diese seien optisch kaum von herkömmlichen Dachziegeln zu unterscheiden.
National geschützte Ortsteile gibt es auch im Linthgebiet viele: von Rapperswil über Schmerikon bis nach Weesen. Auch kleine Weiler und Ortsteile gehören dazu wie Giebel in Goldingen, Rieden oder Maselstrangen – und das sind noch gar nicht alle.
Sie werden aber nicht automatisch alle rot markiert auf der Karte. Viele national geschützte Ortsbilder werden laut Eisenhut neu dem orangen Bereich zugeordnet, wo es weniger Vorgaben für Solaranlagen gibt. «Nicht alle Ortsbilder und Dächer sind gleich sensibel», begründet er.
Gemeinden reden künftig mehr mit
Bei weniger sensiblen Orten will der Kanton darum Vorgaben für Solaranlagen lockern. Das kam anfänglich nicht nur gut an: Der Gemeinderat von Schmerikon begrüsst zwar die Bestrebungen. Er warnt aber davor, ohne «lokale Kenntnisse» den Denkmalschutz zu lockern, wie er im Gemeindeblatt letzten Herbst festhielt.
Die Befürchtungen bleiben nun, da der Entwurf des Kantons vorliegt, unbegründet. «Die Festsetzung erfolgt im Dialog zwischen Denkmalpflege und Gemeinde», erklärt Eisenhut. Zudem erhalten die Gemeinden mehr Kompetenzen. In gelben Gebieten können sie künftig ohne Rücksprache mit der kantonalen Denkmalpflege entscheiden, wie Solaranlagen auszusehen haben.
Auf Anfrage begrüsst die Stadt Rapperswil‑Jona die kantonalen Anpassungen. «Das Thema ist für die Stadt von Bedeutung», schreibt die Kommunikationsabteilung. Erhofft wird ein vereinfachtes Verfahren für Fotovoltaikanlagen auf Dachlandschaften, deren Schutzziel als gering eingestuft wurde.
Im Fokus liegen nicht Kulturgüter
Wie auch der Kanton hält die Stadt fest, dass dadurch keine sensiblen Ortsbilder oder Kulturobjekte beeinträchtigt werden sollen. Ganz ähnlich tönt es auch aus der Solarbranche: Fachmann Schätti verortet das grosse Potenzial für mehr Sonnenstrom sowieso andernorts (siehe «Vier Fragen an…»). Trotzdem freut er sich auf klarere Regeln und gewisse Lockerungen für Fotovoltaikanlagen in denkmalgeschützten Gebieten.
«Selbst Gemeinden wissen teils nicht genau, wie mit einem solchen Gesuch umzugehen ist»
Inwiefern tangiert der Denkmalschutz Ihre tägliche Arbeit mit Fotovoltaikanlagen? Das Thema kommt immer wieder auf. Teils haben Eigentümer Interesse an einer Solaranlage an ihrem Haus, aber die Situation ist unklar wegen des Denkmalschutzes. Zum Teil wissen selbst Gemeinden nicht genau, wie mit einem solchen Gesuch umzugehen ist. Dann wird das Projekt oftmals nicht weiterverfolgt. In denkmalgeschützten Ortsteilen herrscht aktuell ein bisschen ein Wildwuchs. Manchmal sind Solaranlagen möglich, aber nur mit hohen Auflagen. Manchmal sind sie gar nicht zulässig. Ich habe in der Vergangenheit darum Anfragen von Bauherren bei denkmalgeschützten Gebäuden direkt an Gemeinden verwiesen.
Entsprechend begrüssen Sie, dass hier bald mehr Klarheit herrschen soll? Es braucht eine Vereinheitlichung, Vereinfachung und einen Leitfaden – ganz klar. Die Frage ist: Wo können unter welchen Restriktionen Fotovoltaikanlagen installiert werden? Die Situation ist vergleichbar mit früher. Damals herrschten auch ausserhalb von Kernzonen noch mehr Vorgaben, und der Bewilligungsaufwand war grösser. Heute haben die Gemeinden in der Regel nur noch ein Meldeverfahren für Fotovoltaikanlagen an nicht denkmalgeschützten Gebäuden.
Geht das nicht zulasten von schützenswerten Objekten – wie etwa dem Schloss Rapperswil oder diversen Kirchendächern? Natürlich dürfen nicht wahllos schöne Kirchendächer mit Aufdachanlagen zugebaut werden. Bei solchen Immobilien sind die Geschichte und Ästhetik ausschlaggebend. Die technologischen Möglichkeiten sind aber heute sehr gross. Es gibt Solarziegel oder farblich angepasste Indachanlagen, die sehr unauffällig sind. Diese Solaranlagen sind exklusive Produkte
Und entsprechend teuer? Genau. Dadurch sinkt die Rendite bei solch geschützten Objekten. So, wie ich es beurteile, geht es bei den kommenden Anpassungen aber auch nicht darum, dass auf historischen Denkmälern wie dem Schloss Rapperswil eine Fotovoltaikanlage gebaut wird. Das Problem liegt vielmehr darin, dass viele Hausbesitzer eine Fotovoltaikanlage bauen wollen, es aber nicht können. Nur weil sie in einem schönen alten Haus leben, muss die Produktion von Solarenergie nicht zwingend verboten sein. Das Hauptziel muss darum sein, dass für sie die Rahmenbedingungen und Sachlage einfacher werden. Das grosse Potenzial für die Energiewende liegt aber wiederum anderswo: auf den grossen Dächern der Industrie oder auf Ställen der Landwirtschaft. (wyf)
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