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Wahlsystem wird in alle Richtungen geprüft

Der Grosse Rat bespricht an seinem letzten Tag unter anderem die Simultanübersetzung im Grossen Rat. In der Fragestunde werden ausserdem die Themen Mafia in Graubünden und Mineral im Grossratsgebäude besprochen.

Patrick
Kuoni
04.12.19 - 18:32 Uhr
Politik
Session Grosser Rat
Der Grosse Rat startet in seinen letzten Tag der Dezembersession
MARCO HARTMANN

Ticker

Session beendet

Der Grosse Rat hat am dritten und letzten Tag der Dezembersession:

  • Den Auftrag Derungs betreffend Abfrage von Grundeigentümerdaten auf der Geodatendrehscheibe GeoGR gutgeheissen.
  • Den Auftrag Claus betreffend Anpassung des Wahlsystems für den Grossen Rat mit der Abänderung der Regierung gutgeheissen.
  • Den Auftrag Salis betreffend Tanz- und Ballettunterricht an den Sing- und Musikschulen gutgeheissen.
  • Den Auftrag Maissen betreffend Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben in der kantonalen Verwaltung mit der Abänderung der Regierung gutgeheissen.
  • Den Auftrag Michael (Donat) betreffend behördliche Regulierung von Schaden verursachende Wölfe gutgeheissen.
  • Diverse weitere Anfragen, Anträge und Aufträge behandelt.

Die Dezembersession des Grossenrates ist beendet. Die nächste Session findet im Februar 2020 statt.

Locher-Benguerels Auftrag knapp gescheitert

Zum Abschluss der Session wurde der Auftrag von Sandra Locher Benguerel (SP) betreffend Überarbeitung Konzept für Schulen in Kollektivunterkünften betroffen.

In ihrem Auftrag führt Locher-Benguerel aus:

«Mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen, welche derzeit die Schule in einer Kollektivunterkunft besuchen, tun dies bereits seit mehr als zwei Jahren. Expertisen und wissenschaftliche Erkenntnisse sehen den Aufenthalt in segregativen Heimklassen nur als befristete Übergangslösung als sinnvoll. Integration oder Teilintegration in die Regelschule sollten daher nach dem Erlangen der Grundvoraussetzungen so rasch als möglich geschehen.»

Nachfolgend die Forderungen:

  1.           Der Übertritt in die Regelschule soll für alle Kinder spätestens auf den Beginn des dritten Semesters nach Eintritt in die entsprechende Heimschule erfolgen. Wobei ein früherer Übertritt im Sinne der bestmöglichen Förderung der Schülerin oder des Schülers laufend geprüft und gefördert wird. Ein späterer Übertritt in die Regelschule ist individuell zu begründen.
  2.           Kinder im Kindergartenalter sollen direkt den öffentlichen Kindergarten besuchen.
  3.           Das Grundrecht auf Bildung ist in jedem Fall höher zu gewichten als asylrechtliche Sachverhalte. Das Konzept ist dahingehend anzupassen, dass für alle Kinder in Heimschulen in Bildungsbelangen keine Unterschiede nach Aufenthaltsstatus gemacht werden.
  4.           Die Integration in die Regelschule bedeutet für alle Beteiligten eine grosse Herausforderung, gerade für Lehrpersonen, Familien und Schulgemeinden. Deshalb muss die Integration von Flüchtlingskindern in die Regelschule professionell und mit entsprechenden finanziellen Mitteln des Kantons begleitet und unterstützt werden.
  5.           Die Anstellungsbedingungen von Lehrpersonen an Schulen in Kollektivunterkünften entsprechen denjenigen der Lehrpersonen an Volksschulen.
  6.            Das Konzept soll betreffend die niederschwelligen sonderpädagogischen Massnahmen (Ziffer 15) dahingehend angepasst werden, dass mindestens die Hälfte des Unterrichts im Teamteaching von der Klassenlehrperson und einer heilpädagogisch oder psychologisch ausgebildeten Fachperson durchgeführt wird.

Ergebnis der Abstimmung: Der Auftrag wurde trotz zwei Abänderungen der Bündner Regierung mit 34:48 bei zwei Enthaltungen nicht überwiesen.

Kompetenzen bei der Regulierung der Wölfe sollen voll genutzt werden

Grossrat Gian Michael (BDP) sieht für die Bündner Landwirtschaft aufgrund einer Zunahme der Wolfsbestände grosse Herausforderungen. «Vor allem Kleinviehhalter sehen ihre Ausrichtung durch die steigenden Wolfsangriffe in grosser Gefahr. Zunehmend vor grosse Probleme gestellt werden auch die Mutterkuhhalter. Durch das steigende Schutzbedürfnis der Mutterkühe wird das Handling der Einzeltiere und Herden auf Alpen und Weiden gegenüber Personal und Touristen immer schwieriger», schreibt er in seinem Auftrag.

Die aktuelle Gesetzgebung lasse eine behördliche Regulierung von Schaden verursachende Wölfe bei umgesetztem Herdenschutz zu. Es werde unterschieden zwischen dem behördlichen Einzelabschuss eines Einzelwolfes, wenn dieser einen konkreten und erheblichen Schaden verursacht und der behördlichen Regulierung eines sich aktuell fortpflanzender Wolfsrudels (=Wolfsbestand), wenn dieses einen konkreten grossen Schaden verursacht. Die Kantone verfügen dabei über eigene Kompetenzen.

Er fordert, dass aufgrund der Entwicklung der Wolfsbestände die Bündner Regierung alle Kompetenzen bei der behördlichen Regulierung gegenüber Schaden verursachenden Wölfen nutzt und sofort umsetzt.

Die Bündner Regierung und der Grosse Rat sehen das mehrheitlich gleich. Sie überwiesen den Auftrag mit 79:3 Stimmen bei 15 Enthaltung. Regierungsrat Mario Cavigelli hält fest: «Mit dieser Überweisung bekräftigt der Rat die Haltung der Regierung.» Die Regierung sei davon überzeugt, dass nur mit der Möglichkeit eines Eingriffs bei verhaltensauffälligen Wölfen und Bestandesregulationsmassnahmen ein Zusammenleben zwischen Mensch und Wolf in der Kulturlandschaft möglich sei. Die Enthaltungen gründeten darauf, dass einige den Sinn des Auftrages in Frage stellten, da es nur um ein Zeichen gehe. 

Endspurt 

Die letzte Kaffeepause der Dezembersession ist nun ebenfalls vorbei. Es stehen noch einige Traktanden an. Aktuell wird gerade eine Nachfrage auf eine Fraktionsanfrage der  SP betreffend Budgetabweichungen und finanzpolitische Planung behandelt. Danach stehen noch folgende Programmpunkte an: 

  • Auftrag Michael (Donat) betreffend behördliche Regulierung von Schaden verursachende Wölfe (RR Cavigelli)
  • Anfrage von Ballmoos betreffend Neubau und Sanierungen Strassenbeleuchtung (RR Cavigelli)

  • Auftrag Locher Benguerel betreffend Überarbeitung Konzept für Schulen in Kollektivunterkünften (RR Peyer)

  • Anfrage Cahenzli-Philipp betreffend interprofessionelle Teams in der Grundversorgung (RR Peyer)

Ob noch alle Punkte behandelt werden können, hängt vom Umfang der Diskussion bei den einzelnen Punkten ab. 

 

Kanton soll attraktiver werden

Grossrätin Carmelia Maissen (CVP, Ilanz) forderte in einem Auftrag an die Regierung, dass diese über ein Analyseinstrument die aktuellen Anstellungs- und Arbeitsbedingungen beim Kanton untersucht. Besonderes Augenmerk solle auf der Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben liegen. Die Resultate sollen zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeberin beitragen. Diese Analyse ist gemäss Auftrag nötig, weil der Fachkräftemangel für die kantonale Verwaltung zunehmend eine Herausforderung darstellt.

In ihrer Antwort stimmt die Bündner Regierung den Schlüssen von Maissen mehrheitlich zu. Sie beabsichtige deshalb, einen Entwicklungsschwerpunkt «Attraktiver Arbeitgeber» ins Regierungsprogramm 2021–2024 aufzunehmen. «Die allgemeine Richtung,in die sich die kantonale Verwaltung als Arbeitgeberin zu entwickeln hat, dürfte unbestritten sein»,heisst es. Bei der Umsetzung der Massnahmen müsse aber sichergestellt sein, dass diese den betrieblichen und organisatorischen Anforderungen gerecht würden. Die Verwaltung habe in erster Linie einen Auftrag zu erfüllen und bestmögliche Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürger zu erbringen. Es sei vorgesehen, dass beider anstehenden Revision des Personalgesetzes Massnahmen geprüft werden, mit denen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben verbessert werden kann. «In welcher Form die Grundlagen erhoben werden und inwiefern dabei die Unterstützung einer externen Stelle in Anspruch genommen werden soll, möchte die Regierung aktuell offenlassen», schreibt diese. Sie hat den Auftrag deshalb mit Unterstützung von Maissen abgeändert. Dieser lautet nun: «Die Regierung wird beauftragt, bei der Revision des Personalgesetzes die Anstellungs-und Arbeitsbedingungen in der kantonalen Verwaltung auch hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie/Privatleben zu untersuchen und Massnahmen zu entwickeln.» Der Auftrag wurde mit 102:2-Stimmen angenommen. Nun folgt eine 30-minütige Pause. 

Schon bald Gesundheitsbereich an der HTW Chur? 

Seit Anfang September heisst die HTW Chur neu Fachhochschule Graubünden (FHGR). Dies mit dem Hintergrund, dass sie per Anfang 2020 losgelöst aus der Fachhochschule Ostschweiz ihren eigenen Betrieb aufnehmen wird. Bereits bevor es soweit ist, ist die Fachhochschule aber im Fokus einer Anfrage von Grossrat Urs Hardegger (BDP, Seewis). In dieser hält er fest: «Als kleinste Fachhochschule der Schweiz wird sie sich auf dem umkämpften Bildungsmarkt behaupten müssen. Neben den bestehenden Angeboten gilt es nun, weitere Angebote ins Auge zu fassen und sich damit schweizweit zu profilieren.» Ein Thema, das sich geradezu anbiete, sei die Gesundheit. Er wollte deshalb von der Bündner Regierung wissen, unter welchen Bedingungen die Einführung eines Gesundheitsbereiches an der FHGR möglich, wäre, wann eine Einführung erfolgen könne und ob die Regierung Kooperationspartner für die Umsetzung empfehle.

Die Bündner Regierung ist in ihrer Antwort durchaus positiv gestimmt. Sie hält aber auch fest: «Die Einführung eines Ausbildungsangebots im Gesundheitsbereich an der Fachhochschule Graubünden bedarf zunächst umfassender Abklärungen über die Ziele und den potenziellen Nutzen eines solchen Angebots.» Dies, weil der Aufbau eines neuen Tätigkeitsfelds mit beträchtlichen personellen und finanziellen Zusatzaufwendungen verbunden sei. Das Bildungszentrum Gesundheit und Soziales (BGS) habe dazu im Rahmen des Leistungsauftrags 2017–2020 erste Vorabklärungen getroffen, welche als Grundlage für die weitere Arbeit dienen können. Die Regierung geht in ihrer Antwort davon aus, dass die FHGR die Bachelor-Ausbildung im Gesundheitsbereich alleine anbieten könnte, während weiterführende Masterstudiengänge, Spezialitäten oder Forschungsschwerpunkte mit anderen Hochschulpartnern abzustimmen wären. Eine Einführung des neuen Lehrgangs wäre ab Beginn des Studienjahres 2023/24 denkbar. Zu prüfen sei, ob ein Bachelor-Studiengang so vorbereitet werden könnte, dass bereits im Herbst 2022 ein Pilotstudiengang begonnen werden könnte.

Wahlsystem-Diskussion auch auf Twitter

FDP-Grossrat Thomas Bigliel und SVP-Grossrat Heinz Dürler zeigen auf Twitter, welche Lösung sie für das zuständige Wahlsystem begrüssen würden. Sie schliessen damit an die Diskussion am Morgen an, bei welcher entschieden wurde, dass die Regierung, was das künftige Wahlsystem für den Grossen Rat angeht, Vorschläge in alle Richtungen erarbeiten wird. 

Weiter Kantonsbeiträge für den Tanz- und Ballettunterricht

Im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines neuen Fragebogens für die Kantonsbeiträge an die Sing- und Musikschulen realisierte das EKUD , dass seit Jahrzehnten auch Tanz- und Ballettunterricht an den Sing- und Musikschulen unterrichtet wird und bisher subventioniert wurde. Nach Ansicht des Departements soll dies ohne Rechtsgrundlage, also fälschlicherweise geschehen sein. Deshalb kam es zum Schluss, diese Zahlungen auf das Betriebsjahr 2020 einzustellen. Dagegen wehrte sich Mario Salis (SVP) und zahlreiche weitere Grossräte. Im Grossen Rat war praktisch unbestritten, dass die dazu nötige Rechtsgrundlage nun geschaffen werden soll (107:5 bei zwei Enthaltungen). Neben der Schaffung der Rechtsgrundlage legt die Regierung nun auch Vorgaben zu Betrieb und Qualität der Sing- und Musikschulen fest. Die Revision soll, geht es nach Regierungsrat Jon Domenic Parolini, rückwirkend auf Januar 2020 gelten, sodass keine Beitragslücken entstehen würden. 

Endspurt der Dezembersession

Die Mittagspause ist beendet, es stehen noch einige wenige Traktanden auf der Abarbeitungsliste des Rates. Zuerst geht es noch einmal um den Auftrag von FDP-Grossrat Urs Marti, der die Ergänzungsarbeiten zum Erlass übergeordneter politischer Ziele und Leitsätze für die Planungsperiode 2021 – 2024 thematisiert. Sein Auftrag zielt auf die übergeordneten politischen Ziele für die Jahre 2021 - 2024. Nach der grossrätlichen Debatte ist es an der Regierung, aus diesen Grundsätzen Regierungsprogramm und Finanzplan zu erarbeiten. Er schreibt als Begründung für den Auftrag «Das an und für sich logische Vorgehen wurde bis anhin in mehr oder weniger abstrakten Teilaufgaben über das Regierungsprogramm der ganzen Legislatur verteilt. Die sich daraus ableitenden Teilschritte sind für den Grossen Rat kaum fassbar, zu allgemein formuliert, kaum messbar und zudem unverständlich nummeriert. In der jährlichen Erfolgskontrolle wird sodann zu wenig differenziert und zu wenig kritisch ein Jahresziel von der Regierung selbst als erfüllt oder nicht erfüllt beurteilt.»

Marti und die Mitunterzeichnenden beauftragen daher die Regierung, pro vom Grossen Rat beschlossenen übergeordnetem politischem Ziel und den daraus formulierten Leitsätzen mindestens 3, maximal 8 konkrete Umsetzungsprojekte über die ganze Legislatur dem Grossen Rat zum Beschluss vorzulegen. Ein Projekt soll in einem klassischen Projektauftrag dargestellt und gegliedert sein, wo das angestrebte Endprodukt, der Weg dorthin, die Etappenziele, die Umsetzungsverantwortlichkeit, die finanziellen Mittel und das Reporting festgehalten sind. 

Der Grosse Rat lehnt das Anliegen mit 37:67 bei fünf Enthaltungen ab. Die Gegner (SP,CVP, BDP, GLP und einzelne weitere) begründeten ihre Ablehnung damit, dass die wichtigen Punkte bereits anerkannt würden und der Auftrag von Marti übers Ziel hinausschiesse und auch in die Kompetenz des Regierungsrat eingreife. Die anderen Parteien strichen die bessere Nachvollziehbarkeit für das Parlament mit dem Auftrag Marti heraus. Abgelehnt wurde der Auftrag im Vorfeld ebenfalls unter anderem aufgrund der Aufgabenteilung, die mit dem Auftrag nicht mehr vollständig gegeben sei, von der Bündner Regierung. 

Mittagspause 

Ratsvizepräsident Martin Wieland hat die Sitzung bis um 14 Uhr unterbrochen. Dann wird der Auftrag von Urs Marti (FDP) betreffend Ergänzungsarbeiten zum Erlass übergeordneter politischer Ziele und Leitsätze für die Planungsperiode 2021 – 2024 weiter behandelt. En Guata! 

Patrick Kuoni ist Redaktor und Produzent bei Südostschweiz Print/Online. Er berichtet über Geschehnisse aus dem Kanton Graubünden. Der Schwerpunkt seiner Berichterstattung liegt auf den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Tourismus. Wenn er nicht an einer Geschichte schreibt, ist er als einer der Tagesverantwortlichen für die Zeitung «Südostschweiz» tätig. Patrick Kuoni ist in Igis (heutige Gemeinde Landquart) aufgewachsen und seit April 2018 fester Teil der Medienfamilie Südostschweiz.

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