×

Der Künstler Alois Michel schafft einen «Corona-Fridolin»

Der 82-jährige Künstler und Maler Alois Michel ruft mit einem Werk zu Vorsicht, Geduld und Disziplin auf.

Südostschweiz
06.04.20 - 20:04 Uhr
Kultur
Der Künstler und sein Werk: Alois Michel setzt dem Glarner Landespatron den Kopf des «Pestvogels» auf.
Der Künstler und sein Werk: Alois Michel setzt dem Glarner Landespatron den Kopf des «Pestvogels» auf.
HANS SPECK

von Hans Speck

Alois Michel wohnt schon seit vielen Jahren mit seiner Frau «Luisli» in einem Häuschen mit ein wenig Umschwung an der Mattstrasse ganz in der Nähe des Schwimmbades in Netstal. Seine Eltern, Georges und Tamara Michel-Sergutschov, haben eine äusserst bewegte Geschichte hinter sich. Diese führt in die damalige Sowjetunion oder genauer: in die Stadt Narva in der Nähe von St. Petersburg.

Kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges erging 1937 von der Zentralregierung in Moskau aus an alle in Russland lebenden Ausländer die ultimative Aufforderung, entweder das russische Bürgerrecht anzunehmen oder das Land zu verlassen. So kehrten die Michels in die Schweiz zurück, wo sie sich nach langer Abwesenheit wieder assimilierten.

«Wisi» wird Alois Michel in seinen Kreisen genannt, «Don Aloisius» nannten ihn seine Freunde in seinem Feriendomizil in Calpe in Spanien. Er ist Vater einer Tochter und eines Sohnes, gelernter Maler mit Meisterprüfung und langjähriger Besitzer eines eigenen Malergeschäfts. Er weiss daher, wie man Farben mischt.

Von Hundertwasser inspiriert

«Wisi» liebt den vielseitigen Mischprozess, das spannende Zusammenspiel der verschiedenen Farben und freut sich über die erzielten Resultate. Seine Bilder malt er hauptsächlich auf Acrylbasis, scheut sich aber nicht, ab und zu auch mit Öl- oder Wasserfarben zu experimentieren. «Wisi» ist ein Maler und Künstler nach altem Schrot und Korn, hat das Malen von der Pike auf gelernt, ist vielseitig und extrem experimentierfreudig.

Immer wieder wartet er mit neuen Ideen auf. Ein Beispiel dafür sind seine Wahl- und Abstimmungskampagnen, bei denen er seine Meinung jeweils vor kommunalen, kantonalen und eidgenössischen Abstimmungen schwungvoll und mit viel Farbe auf ein Holzbrett malt und schreibt.

«Wisi» amtierte zudem viele Jahre als Präsident des Fussballclubs Netstal. «Gäbe es den ‘Wisi’ nicht, müsste man ihn erfinden», sagte erst kürzlich eine Nachbarin lächelnd.

Als grosser Fan des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser finden sich in seinen Bildern Elemente, die jenen von Hundertwasser zumindest ähneln. Alois Michel lässt sich zwar von dessen Malstil inspirieren, verfolgt aber eisern seine eigene «Wisi-Michel-Linie». Seine Bilder sind pittoresk, teils sogar abstrakt, nehmen aber immer ein bestimmtes Thema auf; sei es ein politisches, wirtschaftliches, religiöses oder wie im Moment die alles beherrschende Corona-Krise.

In Anlehnung an die Pest

Sein neustes Werk widmet «Wisi» der Sorge um seine Mitlandleute. So hat er den Kopf des Landespatrons St. Fridolin kurzerhand mit dem Kopf des «Seidenschwanzes» ausgewechselt, der auch «Pestvogel» genannt wird.

Die sporadisch in Mitteleuropa erscheinenden, geheimnisvollen Seidenschwanzschwärme wurden insbesondere von der Bevölkerung im Mittelalter für ein böses Vorzeichen gehalten. Aus dieser Vorstellungswelt rührt auch der im Niederländischen noch immer gebräuchliche Artname «Pestvogel». In der Deutschschweiz wird er oft «Pechvogel» oder «Sterbevögeli» genannt.

In Mitteleuropa liess sich dieser Singvogel nur bei Nahrungsknappheit blicken. Denn eigentlich lebt er in Nordskandinavien und Kanada.

In Schwärmen «wie ein Näbel» erlebten ihn die Menschen einst und bekamen es darauf mit der Angst zu tun, folgten doch häufig Kälte, Dürre oder Hunger. Vom 15. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, als die Pest oder der «Schwarze Tod» auch im Glarnerland wütete, wurde der Pestvogel immer wieder ins Spiel gebracht.

Als belesener Mann kennt «Wisi» diese Geschichten. Mit diesen begründet er denn auch, warum er dem Glarner Landespatron den Kopf des Seidenschwanzes aufsetzt. «Corona-Fridolin» heisst das Werk, das die Gestalt des heiligen Fridolins mit dem Kopf des Pestvogels und einem riesigen Schnabel als Mahnmal für die schwere Zeit zeigt, die momentan alle rund um den Globus mit einer Art «Pest des 21. Jahrhunderts» erleben. Sagen will «Wisi» mit seinem Bild: «Seid vorsichtig und gehorcht den Verordnungen des Bundesrates. Seid geduldig, denn es könnte noch lange dauern.»

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Kultur MEHR