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Es ist zu warm: Der Glarner Wald soll klimafitter werden

Die Folgen des Klimawandels sind für den Glarner Wald spürbar. Wärmerekorde gehören schon fast zur Tagesordnung. Daher erarbeitet der Kanton eine Strategie zum Umgang mit den höheren Temperaturen.

Südostschweiz
29.11.23 - 17:46 Uhr
Klima & Natur
 Wird anders aussehen: Der Klimawandel wird die Baumartenzusammensetzung im Glarner Wald und damit das gewohnte Waldbild verändern.
Wird anders aussehen: Der Klimawandel wird die Baumartenzusammensetzung im Glarner Wald und damit das gewohnte Waldbild verändern.
Bild  Barbara Zweifel-Schielly / Bild Barbara Zweifel-Schielly

Die Statistik beeindruckt: Der bisherige Temperaturhöchstwert für den September in der Schweiz, so auch in Glarus, wurde dieses Jahr um fast ein Grad Celsius überboten. Der Oktober war der zweitwärmste je gemessene. Und auch der Sommer 2023 war schweizweit einer der fünf wärmsten seit Messbeginn, wobei alle fünf in den letzten 20 Jahre auftraten. Im Kanton Glarus ist es im Jahresdurchschnitt heutzutage rund ein Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel, die letzten vier Jahre gar 1,5 Grad. Die jährliche Anzahl Sommertage über 25 Grad Celsius nimmt zu, die Anzahl Frost- und Schneetage ab. Die Gletscher schwinden augenscheinlich. Verschiedene Blumen und Obstbäume blühen in Elm und Linthal zwischen 5 bis 18 Tage früher als im Mittel seit 1970.

Der Klimawandel produziert zudem Starkniederschläge, was auf den ausgetrockneten Böden zu Hochwassern und Überschwemmungen führt. Eine Veränderung des Klimas führt in der steilen Glarner Berglandschaft schnell zu räumlichen Verschiebungen der Klimazonen, sodass eine Temperaturerhöhung die Waldgrenze und die Schneefallgrenze ansteigen lässt. Der Klimawandel ist deswegen im Glarnerland besonders schnell und deutlich sichtbar. «Das alles hat Konsequenzen für den Glarner Wald, seine Schutzfunktion für die Siedlungen und Strassen, die zukünftige Holzernte, die unzähligen waldbewohnenden Tiere und Pflanzen und für den Wald als Erholungsraum», bilanziert Maurus Frei, Kantonsoberförster des Kantons Glarus.

Heutiges Waldbild im Wandel

«Wegen den steigenden Temperaturen nimmt die Verdunstung im Sommer zu, was auch im Wald zu trockeneren Böden führt, vor allem während Trockenphasen», sagt Maurus Frei und gibt zu bedenken: «Gut sichtbar waren im Glarnerland beispielsweise im Hitzesommer 2018 die bereits im August verfärbten Bäume, vor allem Buchen, als Folge von Hitze und Trockenheit.» Die Artenzusammensetzung im Wald wird sich mit Fortschreiten des Klimawandels deswegen verändern. Trockenheitstolerantere Bäume wie Linden, Eichen, Ahorne, Erlen, Pappeln, Birken, Lärchen, Eiben und Waldföhren werden in Zukunft das Waldbild verstärkt mitprägen. Der Wald wird dadurch laubholzreicher und im Herbst farbiger. Die beiden häufigsten Glarner Baumarten heute, die Fichte (48 Prozent Anteil) und die Rotbuche (31 Prozent) leiden je länger je mehr unter den trockenwarmen Bedingungen. «Die Rotbuchen und Fichten sind in tieferen Lagen die grossen Verliererinnen des Klimawandels. Dort wird in den nächsten Jahrzehnten ein starker Rückgang erwartet. Dafür werden die Rotbuche und Fichte in höheren Lagen neue Gebiete erobern. Eine andere Häufigkeit und Verteilung dieser heute oft genutzten ‹Brotbaumarten› werden die zukünftige Holzernte stark beeinflussen», erklärt Maurus Frei.

«Die Rotbuchen und Fichten sind in tieferen Lagen die grossen Verliererinnen des Klimawandels.»

Maurus Frei, Kantonsoberförster

Auch andere Waldbewohner, wie beispielsweise das Auerhuhn oder der Dreizehenspecht, die sich aufgrund ihrer Bedürfnisse nicht innerhalb weniger Jahrzehnte an die sich verändernden Waldlebensräume anpassen können, dürften stärker unter Druck geraten. Hingegen wird erwartet, dass sich heute schon etablierte invasive Neophyten und Neozoen, also gebietsfremde Arten, wärmebedingt stärker als bisher ausbreiten, weitere invasive Arten einwandern und so die heimische Artenvielfalt negativ beeinträchtigt wird.

Auch gewisse Schadorganismen wie die Borkenkäfer in Fichten vermehren sich bei wärmeren Temperaturen stärker und machen den Klimawandel im Schutz- und Nutzwald bei der Waldpflege zur noch grösseren Herausforderung. Ein weiteres Problem stellen die Waldbrände dar. Kantonsoberförster Frei dazu: «Das Waldbrandrisiko war bis heute wegen der hohen Niederschläge im Kanton Glarus meist nur während einiger Wochen pro Jahr hoch. Mit zunehmenden Trockenphasen steigt dieses Risiko. Und damit die Häufigkeit von Feuerverboten im Wald.» Da in der Schweiz die meisten Waldbrände von Menschen ausgelöst würden, sei der Glarner Wald auf die Mithilfe der Bevölkerung angewiesen. «Geht man vorsichtig mit Feuer im Wald um und werden Feuerverbote eingehalten, ist der wichtigste Schritt getan, um Waldbrände zu verhindern», so Frei.

Vor 14 Jahren: Bilder wie dieses vom Waldbrand ob Ennetrösligen aus dem Jahre 2009 werden bei Fortschreiten des Klimawandels wohl häufiger werden.
Vor 14 Jahren: Bilder wie dieses vom Waldbrand ob Ennetrösligen aus dem Jahre 2009 werden bei Fortschreiten des Klimawandels wohl häufiger werden.
Bild Kanton Glarus

Auswirkungen vermindern

Um den Auswirkungen des Klimawandels proaktiv zu begegnen, listete der Kanton vor vier Jahren auf, mit welchen negativen Entwicklungen man im Glarnerland rechnen muss und welche Massnahmen dagegen wirken. Seither wird die Umsetzung dieser Massnahmen alle paar Jahre geprüft und das weitere Vorgehen festgelegt. Erhebliche Auswirkungen des Klimawandels werden für die folgenden sieben Sektoren erwartet: Naturgefahren, Wasser, Biodiversität, Boden, Gesundheit Mensch/Tier, Tourismus und Wald. Insgesamt wurden für diese Sektoren 30 Massnahmen beschrieben und mit deren Umsetzung gestartet.

«Die verschiedenen forstlichen Massnahmen bezwecken insbesondere, das heutige Wald-Ökosystem möglichst widerstands- und anpassungsfähig zu machen.»

Maurus Frei, Kantonsoberförster

Acht davon betreffen den Sektor Wald. Als eine dieser Massnahmen erarbeitet der Kanton Glarus aktuell eine Strategie «Wald und Klimawandel». Ziel der Strategie ist es, den Wald klimafitter zu machen, bei Bedarf auch mittels Pflanzungen und deren Schutz vor Wildverbiss. «Die verschiedenen forstlichen Massnahmen bezwecken insbesondere, das heutige Waldökosystem möglichst widerstands- und anpassungsfähig zu machen. Zudem sollen der aktuelle Forschungsstand zum Klimawandel und dessen Auswirkungen laufend in die naturnahe Waldbewirtschaftung einfliessen», führt Frei dazu aus. «Wir wollen mit einer naturnahen Waldbewirtschaftung vielfältige und standortgerechte Wälder mit einer dauernden Bestockung und einer artenreichen, natürlichen Baumverjüngung fördern.» Komme eine grosse Bandbreite verschiedener Waldarten zusammen vor, sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass es Arten darunter habe, die mit den jeweils vorherrschenden Umgebungsbedingungen klarkommen würde. «Solche Wälder sind am robustesten gegenüber negativen Umwelteinflüssen. So können wir eine stabile Bestockung mit guter Schutzwirkung am besten gewährleisten.»

Als weitere Massnahme bekämpft das Forstpersonal invasive Neophyten im Wald, und zwar in erster Linie auf ökologisch wertvollen Flächen wie Waldreservaten. Waldbrände sollen vor allem mittels eines umfassenden Präventionskonzepts verhindert werden. Brechen trotzdem Feuer aus, sollen diese mit moderner Ausrüstung und einer aktuellen Waldbrandeinsatzplanung effizient bekämpft werden. Vermehrt investiert wird zudem in die standortkundliche Weiterbildung der Revierförster. In Kursen erfahren sie, was bei der Waldpflege zu Zeiten des Klimawandels speziell beachtet werden muss.

Ein Blick in die Zukunft

Im Kanton Glarus findet man an einzelnen Standorten mit viel Südausrichtung und Föhneinfluss heute schon wärmeliebende, trockenheitstolerantere Waldgesellschaften. Sie können einen ersten Eindruck vermitteln, wie der Glarner Wald in einigen Jahrzehnten bei Fortschreiten des Klimawandels vielerorts aussehen könnte. Einer dieser Wälder ist der Plattenwald hinter dem Schlössli in Niederurnen. Mehr über diesen Wald erfährt man aktuell auf einer Themenwand im Naturzentrum Glarnerland.

*Barbara Zweifel-Schielly ist Biologin und Co-Leiterin des Naturzentrums Glarnerland

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