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Heute hören wir wieder «I gan mit minra Latärna und mini Latärna mit mir»

Am Montag, am Martinstag, ziehen wieder Kinder mit hell leuchtenden Laternen durch die Bündner Ortschaften. Wir erklären, was hinter dem Feiertag und dem traditionellen «Räbaliachtli»-Umzug steckt.

Südostschweiz
11.11.24 - 04:30 Uhr
Graubünden
Schöne Stimmung: Die Kinder erhellen mit ihren Laternen die Strassen.
Schöne Stimmung: Die Kinder erhellen mit ihren Laternen die Strassen.
Bild Michele Limina/Keystone
Beim Begriff «Räbaliachtli»-Umzug erklingt im Kopf sofort in Dauerschleife «I ga mit minra Latärna und mini Latärna mit mir» oder «Räbaliachtli, Räbaliachtli, wo gasch hii? I de dunkle Nacht, ohni Stärneschii, do mues mis Liechtli sii», haben noch viele im Ohr. Da werden wieder Kindheitserinnerungen wach an die besondere Stimmung und Aufregung vor dem Lichterumzug.

«Räbaliachtli»-Lied «I gan mit miner Laterne»

Auch in diesen Tagen ziehen in vielen Bündner Gemeinden Kinder vom Spielgruppenalter bis zur zweiten Primarschulklasse mit ihren geschnitzten Räben durch die Strassen. Sie singen Lieder und essen anschliessend gemeinsam etwas Warmes. Doch woher kommt er eigentlich, der Brauch des «Räbaliachtli»-Umzugs? Und weshalb wird er am Martinstag gefeiert?

Beginn der Fastenzeit und Zinstag

Der 11. November wird als Martinstag bezeichnet, weil der heilige Martin, Bischof im französischen Tours, am 11. November 397 verstarb. Dafür, dass der Martinstag auf verschiedene Arten – so auch mit dem «Räbaliachtli»-Umzug – gefeiert wird, gibt es zwei verschiedene Erklärungen. 

Zum einen hielten die Christen vom Mittelalter bis in die Neuzeit zwischen dem 11. November und Weihnachten eine Fastenzeit. Tiere, die nicht durch den Winter gefüttert werden konnten, wurden geschlachtet, nicht fasten-taugliche Lebensmittel wie Fett und Eier mussten verbraucht werden. Deswegen wurde am letzten Tag vor Beginn der Fastenzeit noch einmal geschlemmt und gefeiert.

Zum anderen galt der Martinstag auch als das Ende des bäuerlichen Wirtschaftsjahres und war traditionellerweise vielerorts der Tag, auf den die Entrichtung des Zehnten fiel, also der in Naturalien abgegebenen Steuern. Noch heute beziehen sich Landpachtverträge teilweise auf den Martinstag als Anfangs- und Endtermin. Aus diesem Grund wird der Martinstag auch Zinstag genannt.

Deshalb werden Laternen aus Räben geschnitzt

Wie das Bundesamt für Kultur (BAK) schreibt, sind Räben Herbstrüben mit weissem Fruchtfleisch und violett gefärbter Haut, die früher Grundnahrungsmittel waren. Gemäss dem Online-Portal «sardona24.ch» konnten die deutschen Reben im Mittelalter jeweils als Letztes geerntet werden. Umso mehr Räben die Bauern ernten konnten, umso sicherer war die Lebensmittelversorgung in der Winterzeit. Die Bauern feierten als Dank für die gute Ernte einen Gottesdienst und veranstalteten ein Volksfest. Die Bäuerinnen wanderten zu diesem Gottesdienst und Fest mit Räbeliechtli vom Berg hinab ins Tal. Die Laternen erleuchteten ihnen den Weg zur Kirche.

Heute werden Räben meist nur noch zu Dekorationszwecken angebaut, schreibt das BAK. Sie können gratis oder zu einem kleinen Unkostenbeitrag bei den Organisatoren bezogen werden. Sie werden ausgehöhlt und in die Wände werden Bilder geschnitzt. Das Licht einer Kerze bringt die Motive zum Leuchten. Früher wurden die Räben vor allem zu Hause geschnitzt. Heute werden sie meist in den Vereinen, Schulen und Kindergärten vorbereitet, die auch die Anlässe durchführen.

Entstehung des Brauchs

Das Umherziehen mit Lichtern ist zur jüngeren Brauchentwicklung zu zählen. Wie das BAK schreibt, stammen zuverlässige Beobachtungen über erste Lichterumzüge im Zürcher Oberland aus den 1920er-Jahren. Ursprünglich wurden die Räbenlichter vermutlich einzeln, und nicht in organisierten Umzügen durch die Strassen getragen. Es war ein ländlicher Brauch, der im vertrauten Rahmen stattfand.

Laut dem BAK ist das bedeutsamste Fest mit Räbenlichtern die «Räbechilbi Richterswil». Sie wird seit 1908 vom lokalen Verkehrsverein durchgeführt und ist über die Jahre zu einem Volksfest mit überregionaler Ausstrahlung gewachsen. Heute sind die Räbenlichter-Umzüge in vielen Kantonen der Schweiz bekannt und zur Tradition geworden.

«Räbaliachtli»-Lied «Räbaliachtli, Räbaliachtli»

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