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Neues Jahr – neues Glück

Die Autorin freut sich so mässig über das neue Jahr. Maximal.

04.01.23 - 16:30 Uhr
Umzüge: Gibt es etwas Nervigeres, als einen Umzug zu organisieren?
Umzüge: Gibt es etwas Nervigeres, als einen Umzug zu organisieren?
Symbolbild Unsplash

«OK Boomer» versus «Wa hesch denn du scho erlebt du huere Banane?» Im Blog «Zillennials» beleuchten Vertreterinnen der Generation Z, Nicole Nett und Anna Nüesch, und die Millennials David Eichler und Jürg Abdias Huber in loser Folge aktuelle Themen. Im Idealfall sorgen die vier damit für mehr Verständnis zwischen den Generationen. Minimal hoffen sie, für etwas Unterhaltung, Denkanstösse und den einen oder anderen Lacher zu sorgen.

2023 stehen bei mir viele Veränderungen an. Wie ich das hasse. Wer verlässt schon gerne die Komfortzone? Klar, so ein bisschen ist kein Problem. Mal die grosse Zehe in unbekannte Gewässer zu tunken kann sehr erfrischend sein. 2023 wird bei mir aber (fast) alles anders. Ich habe meinen Job bei der Somedia auf Ende März künden müssen, weil wir, also ich und mein Mann, quer durch die Schweiz, retour in den Aargau ziehen. Neuer Job, neue Wohnung. Wie schon im Sommer 2019, als es mich nach Chur verschlagen hat. Solche Aktionen mag ich gar nicht. Ich komme generell nicht gut mit Veränderungen klar. Never change a winning team (dt. verändere nie ein Siegerteam) ist nicht umsonst eine bekannte Redewendung. Und wenn sich dann plötzlich das halbe Leben ändert, tue ich mich schwer.

Das war schon in der Kindheit so. Während sieben Jahren wohnte ich mit meinen Eltern in einem Quartier, in dem wir alle wie Familie waren. Die Haustüren der drei Doppeleinfamilienhäuser standen rund um die Uhr offen. Und wir alle waren bei uns allen zu Hause. Doch dann schwappte eine Welle der Midlife-Krise über unsere Häuser. Jedenfalls kam mir das damals so vor. Fast alle Paare trennten sich, zogen weg, und auch wir zogen um. Zwar waren meine Eltern noch immer vernarrt ineinander, aber trotzdem fühlte es sich an, als müsste ich mein Leben, so wie ich es kannte, auf einen Schlag hinter mir lassen, auch wenn ich, anders als die meisten Kinder im Quartier, nicht plötzlich Scheidungskind war.

Ich habe nachgerechnet. In meinem Leben bin ich bereits acht Mal umgezogen. Ich bin noch keine 30 Jahre alt, Herrgott. Und noch bevor ich Ende Jahr 30 werde, werden es neun Umzüge sein. Ich habe in den Kantonen Aargau, Schwyz, Luzern, Zürich, Solothurn, Baselland und Graubünden gelebt. Bis vor zwei Jahren hätte ich auch mit Nachdruck behauptet, dass ich mich im Aargau am meisten zu Hause gefühlt habe. Doch Chur hat sich wie ein Parasit in mein Herz geschlichen und sich dort wohlig eingenistet. Wo ist mein Zuhause? Dort, wo meine Familie ist? Die ist auch über die ganze Schweiz verteilt. Romantisch betrachtet ist mein Zuhause dort, wo mein Mann und unsere Tiere sind. Aber ganz ehrlich – zu welcher Region habe ich eine tiefe Beziehung? Eine Bindung, die über die Postleitzahl hinausgeht?

Gleiches gilt für meinen Job. Ich habe wohl die beste (Arbeits-)Zeit meines Lebens bei der «Südostschweiz» gehabt. Auch wenn meine Vorgesetzten hin und wieder die Hände verworfen und die Augen verdreht haben ab meinen Ideen und Vorstellungen. Machen lassen haben sie mich meine Sperenzchen aber immer. So habe ich eine nationale Politikerin in den Schwitzkasten genommen und mir wegen eines UNO-Spiels Feinde in Hollywood gemacht, war nur wenige Zentimeter von einer Stradivari im Wert von mehreren Millionen Franken entfernt und habe mit einem bekannten Immobilienmogul Monopoly gespielt.

Ich habe gelernt, dass ein Name nicht auf eine weisse Weste schliessen lässt und dass gewisse Komiker wütend werden, wenn man sie nicht lustig findet. Eines Abends hatten wir sogar die Erlaubnis, unseren Arbeitskollegen für ein Format Whisky zu trinken zu geben – das ganze Medienhaus hat hinterher gestunken. Ich habe hier viele meiner Arbeitskolleginnen kommen und gehen sehen, hab viele offizielle und inoffizielle Feste mit ihnen gefeiert, sie in nicht mehr fahrfähigem (oder gehfähigem) Zustand angerufen, und nie gab es Ärger, Streit oder Neid. Mein Team zu verlassen, bricht mir das Herz.

Und trotzdem bin ich sicher, dass ab Ende März, wenn ich meine Herzensstadt und mein Lieblingsteam hinter mir lasse, nicht alles schlecht wird. Es warten neue Abenteuer, neue Highlights und Herausforderungen, die mich wachsen lassen werden. Und wenn ich Heimweh bekomme, weiss ich haargenau, dass mein Umfeld hier nur einen Anruf und 1,5 Autostunden entfernt ist. Und dass ich mit einem wunderbaren Glas Rotwein aus der Region empfangen werden würde. Aber es ist halt einfach so verdammt schwer, Gewohntes zu verlassen und Unbekanntes mit offenen Armen zu empfangen.

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prolitteris