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Mia, Lea und Anna – (k)ein einfacher Weg in die Gemeindepolitik?

Den Weg in die Gemeindepolitik wagen nur wenige Frauen. Wer sie wie unterstützen kann, zeigt das Projekt «PROMO Femina».

Fachhochschule
Graubünden
26.10.22 - 04:30 Uhr

An der Fachhochschule Graubünden wird ausgebildet und geforscht. Über 2000 Studierende besuchen Bachelor-, Master- und Weiterbildungsstudiengänge. In diesem Blog geben Studierende, Dozierende und Mitarbeitende Einblicke in den Hochschulalltag und in Themen, welche sie gerade beschäftigen.

von Ruth Nieffer und Curdin Derungs*

Mia, Lea und Anna verkörpern die wenigen Frauen, die sich auf den Weg in die Gemeindepolitik machen. Unsicher, ob sie den Anforderungen an ein Milizamt gewachsen sind. Beistand suchend für eine Kandidatur. Engagiert, wenn der Schritt gelungen ist. Wer Frauen wie sie auf ihrem Weg in die Gemeindepolitik unterstützen kann, zeigt das Projekt «PROMO Femina».

Ob in Gemeindeexekutive, Schulbehörde oder in der Finanzkommission – in vielen Gemeinden fehlt es an politischen Führungskräften. Eine im Projekt «PROMO Femina» durchgeführte Erhebung zeigt: Durchschnittlich sitzt nur auf jedem vierten Stuhl eine Frau in den Gemeindebehörden. Gut zu wissen, aber nicht neu: Das angestrebte Ziel – jeder zweite Stuhl – stagniert seit den 2010er-Jahren.

Nehmen Mia, Lea und Anna vermehrt Einsitz in Gemeindebehörden, entspricht dies dem demokratischen Prinzip politischer Teilhabe aller Gruppierungen in einer Gemeinschaft. Sie stärken die gelebte Selbstverwaltung auf Gemeindeebene und ergänzen die behördliche Gestaltungsmacht um weibliche Lebensentwürfe und Herausforderungen. So ist denn Gemeindepolitik nicht zuletzt auch jene «Schule», die für politisches Engagement auf kantonaler und nationaler Ebene vorbereitet. Helvetia ruft – erneut für die National- und Ständeratswahlen 2023. Warum bloss verhallt ihr Ruf bei Gemeinde- und Kommissionswahlen?

Der Rekrutierung neuen Schub verleihen

Im Rahmen des Projekts «PROMO Femina» haben Gemeindepolitikerinnen, politisch interessierte Frauen und Expertinnen aus den Kantonen Aargau, Graubünden, St. Gallen, Wallis und Zürich mögliche Gründe für die spärliche Vertretung von Frauen in den Gemeindebehörden diskutiert. In der zweiten Phase entwickelten sie zahlreiche Massnahmen für eine gelingende Kandidatur sowie eine verantwortungsvolle Amtsführung.

Eine Plattform mit vielen Ideen

Mit gut 100 Teilnehmenden sind die Ergebnisse aus den zahlreichen Workshops breit abgestützt. Entstanden ist eine Online-Plattform unter promofemina.fhgr.ch, auf der über 120 Massnahmen mit Beispielen aus der Praxis illustriert und beschrieben sind. Diese richten sich sowohl an Gemeinden, Lokalparteien und Netzwerke als auch an Frauen.

Zum Beispiel:

Mia, die Offene

Sie gehört zur jungen Generation. Bislang hatte sie mit Politik wenig am Hut. Doch die Folgen des Klimawandels oder die Umweltverschmutzung durch Plastik sind ihr nicht egal. Mia fragt sich, wie sie sich engagieren soll. Ob ein politisches Amt in ihrer Gemeinde das Richtige wäre? Sie weiss nicht recht, was da auf sie zukäme. Auf promofemina.fhgr.ch findet Mia allerlei Wissenswertes zu Gemeindepolitik und kann ihre Wissenslücken ausgleichen. Fünf Tipps ermutigen Mia, nächste Schritte zu unternehmen:

  • Lass Dich von erfahrenen Gemeindepolitikerinnen inspirieren.
  • Informiere Dich über die Aufgaben und Herausforderungen eines politischen Amtes sowie die Art des Wahlkampfes in Deiner Gemeinde.
  • Suche Zugang zu Gleichgesinnten in (Frauen-)Netzwerken in der Gemeinde oder Region.
  • Informiere Dich über die politischen Sachfragen in Deiner Gemeinde.
  • Kläre Deine politische Haltung. Wofür trittst Du ein?

Lea, die politisch Interessierte

Sie ist in ihren Überlegungen schon weiter als Mia. Nicht «ob», sondern «wie schafft frau es auf die politische Bühne?», fragt sich Lea. Politische Themen und Diskussionen interessieren sie. Gerne möchte sie in ihrer Gemeinde einige Fragen angehen – bspw. im Digitalisierungsbereich. Nun, wenn Lea gefragt werden würde – sie könnte sich die Mitarbeit in der Gemeindeexekutive gut vorstellen… Erfahrene Gemeindepolitikerinnen haben im Projekt «PROMO Femina» Tipps für eine gelingende Kandidatur zusammengetragen. Folgende fünf nimmt sich Lea zu Herzen:

  • Überlege, welchen zeitlichen und ggfs. finanziellen Aufwand Du zur Bewerbung auf ein öffentliches Amt betreiben möchtest.
  • Schau, wer mit Dir in der (Schul-)Gemeindeverwaltung zusammenarbeiten würde.
  • Lerne eine oder mehrere Lokalparteien kennen (für Beitritt oder für Support als Parteilose).
  • Suche Dir geeignete «Wing(wo)men», die Testimonials und Leserbriefe schreiben.
  • Suche rechtzeitig – idealerweise vor dem Wahlkampf – Support bei (Deinen) Vereinen.

Anna, die erfahrene Gemeindepolitikerin

Sie blickt auf ein langjähriges Engagement für «ihre» Gemeinde zurück. Angefangen hatte sie in der Ortsplanungskommission. Dann war sie Schulrätin. Nachdem ihre Kinder die Schule abgeschlossen hatten, fasste Anna sich ein Herz und liess sich in die Gemeindeexekutive wählen. Es freut sie, wenn sich die Geschicke der Gemeinde zum Positiven verändern lassen. Nun tritt Anna zurück. Wie gelingt es Anna und den im Amt verbleibenden Kollegen, erneut eine Frau für den Gemeinderat zu gewinnen?

Diese fünf Massnahmen erleichtern die Suche nach einer Nachfolgerin für Anna:

  • Sprecht geeignete Frauen aus Eurem persönlichen Umfeld auf eine mögliche Kandidatur an.
  • Sichert den Kandidatinnen eine überparteiliche Unterstützung zu.
  • Organisiert für Kandidatinnen ein «Meet-&-Greet-Anlass» mit den verbleibenden Mitgliedern der Gemeindeexekutive.
  • Überlegt konkrete Massnahmen, wie sich für alle die zeitliche Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Gemeindeamt gut meistern lässt.
  • Erklärt Euch bereit, eine sorgfältige Amtsübergabe durchzuführen.

Wer mitgezählt hat, kommt auf 15 Massnahmen für drei unterschiedliche Frauentypen. Die Teilnehmerinnen an den Vernetzungswerkstätten von «PROMO Femina» sowie die Gleichstellungsbeauftragten der beteiligten Kantone AR, GR, SG, VS und ZH waren sich einig: Nicht nur kandidierende Frauen, Amtsträgerinnen und ihre Gemeinden, sondern auch Parteien, lokale Interessensgruppierungen und (Frauen-)Netzwerke können bei der Förderung des politischen Engagements von Frauen eine zentrale Rolle einnehmen. So finden Unterstützer:innen aus diesen Reihen weitere 107 Massnahmen auf promofemina.fhgr.ch zur Auswahl. Die komplette Massnahmenliste lässt sich nach konkreten Herausforderungen mit Blick auf Kandidatur resp. Amtsführung oder nach den drei unterschiedlichen Frauentypen filtern.

Warum Helvetias Ruf bei Gemeinde- und Kommissionswahl nur schwach erklingt – den möglichen Ursachen wird in den einschlägigen Wissenschaften seit 2003 vertieft nachgegangen. Das Projekt «PROMO Femina» unterscheidet sich diesbezüglich, dass es mit einem umfassenden, leicht zugänglichen Katalog an Handlungsvorschlägen einen konkreten Beitrag zur Bewältigung der Ursachen leisten will.

*Ruth Nieffer ist Dozentin am Schweizerischen Institut für Entrepreneurship (SIFE) und Curdin Derungs ist Dozent und Projektleiter am Zentrum für Verwaltungsmanagement (ZVM).

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