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Bitte Ruhe, Teil 2

Kristina
Schmid
29.11.19 - 04:30 Uhr

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

25 Jahre lang hatte ich den Luxus, mich nur um mich selbst sorgen zu müssen. Und gelegentlich mal um meinen Ehemann. Abgesehen von beruflichen und familiären Verpflichtungen sowie dem Gesetz konnte ich mein Leben so gestalten, wie es mir gefiel. Und die Vorstellung, diese Freiheiten aufzugeben, schreckte mich ab.

Ich konnte an einem Mittwochabend mit Freundinnen ins Kino gehen, und an einem Sonntagmorgen mit meiner Familie zum Brunch. Nach der Arbeit konnte ich mit meinen Schwestern stundenlang telefonieren, wenn mir danach war – oder meinen Ehemann zu einem Abendessen beim Mexikaner treffen. Ich schlief am Wochenende aus, mindestens bis zehn Uhr, und plante fürs Wochenende irgendwelche Ausflüge. Warum auch nicht? Um es kurz zu fassen: Mein Leben war, nun ja, mein Leben. Und war toll.

Auch wenn sich das nun töricht anhört: Ich war der Ansicht, dass ich auch nach der Geburt meines Kindes einiges davon noch würde tun können. Vielleicht nicht im gleichen Ausmass – dem war ich mir schon bewusst – aber immerhin. Mein Sohn brauchte nicht lange, um mir klarzumachen, dass meine Vorstellung von einem Leben mit Kind und die Realität meilenweit auseinander lagen. Er machte mir schnell klar, dass vieles wohl nicht meinen Plänen entsprechend laufen würde. Denn mein Sohn hatte offenbar gar kein Interesse daran, ein Schwimm-mit-der-Strömung-Kind zu sein. 

Die ersten Tage und Wochen waren streng. Die Nächte noch strenger. Nicht, weil ich ein Kind hatte, das mühsam war. Er war ein liebes Kerlchen. Hauptsächlich deshalb, weil der Schlaf einfach zu kurz kam. Manchmal hätte ich nachts am liebsten geheult, weil ich dachte, der einzige Mensch auf der ganzen Welt zu sein, der noch wach ist. Und mein Mama-Herz brach, weil dieses kleine und wundervolle Wesen ebenfalls nicht schlafen konnte, obschon es müde war.

Ich versuchte so ziemlich alles, um ihn nur zum Schlafen zu kriegen. Wiegen, singen, massieren. Ich wollte ihm so sehr jenen Schlaf schenken, der mir so fehlte. Irgendwann schlief er. Aber auf seine Weise. Monatelang war der einzige Ort, an dem mein Baby schlafen wollte, auf mir – in meinen Armen. Mit ins Bettchen legen war nichts. Da wachte er gleich wieder auf und fing an zu weinen. Ich war müde und erschöpft. 

Irgendwann kam der Moment. Ich spürte es einfach. Ich spürte, dass es Zeit war, dass mein Sohn lernt, in seinem Bettchen zu schlafen. Einerseits, weil er inzwischen so schwer war, dass mir jedes Mal Arm und Rücken schmerzten, wenn ich ihn eine weitere Runde durchs Zimmer tragen musste. Andererseits, weil er inzwischen nicht mehr so friedlich in meinen Armen schlief wie in den ersten Wochen. Jedes Mal, wenn er sich drehen wollte – was auf den Armen liegend schliesslich nicht geht – wachte er auf. Er weinte, weil er zwar wach war, aber nicht ausgeschlafen. Es war der Moment, da ich spürte, er müsse lernen, im eigenen Bett zur Ruhe zu kommen.

Manche Familien glauben stark daran, dass ein Baby am schnellsten schlafen lernt, wenn man es schreien lässt. So würde das Kind lernen, sich selbst zu beruhigen und einzuschlafen. Andere glauben, das wäre eine Tortur, die das Kind für immer schädigen würde. Gewisse Familien glauben an die Lösung eines Familienbetts, bei dem Babys und Kinder im selben Bett schlafen wie die Eltern. Andere denken, ein Baby sollte von Anfang an lernen, im eigenen Bett zu schlafen. Die Meinung der meisten Eltern liegt wohl irgendwo in der Mitte. Und auch ich gehöre zu diesen Familien. Aber vor allem glaube ich eins: Eine erholte Familie ist eine glücklichere Familie. Eine ausgeruhte Mutter eine bessere Mutter. Und ein ausgeschlafenes Kind ein zufriedeneres Kind.

Schlafentzug ist Folter. Umso wichtiger war es mir, dass wir einen Weg finden, der zu uns passt, und der uns in absehbarer Zeit wieder etwas Schlaf und Erholung bringen würde. 

Tatsächlich haben wir es geschafft. Wie wir zu unserem Schlaf mit Kleinkind gekommen sind, – und weshalb das so essenziell wichtig ist, darüber schreibe ich im letzten und dritten Teil von «Bitte Ruhe». Übernächste Woche. Gleicher Ort. Gleiche Zeit. Ich freue mich. Kristina.

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