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Alles für die Katz

Kristina
Schmid
09.08.19 - 04:30 Uhr

Beginnt das Chaos jeden Tag von vorn, sagen wir: Herzlich Willkommen im Familienleben. Unser Alltag reiht verrückte, bunte, profane und ab und zu unfassbar perfekte Momente aneinander. Das Leben als Mama oder Papa ist eine aufregende Reise, auf die wir Euch nun mitnehmen. Ganz nach dem Motto: Unser Alltag ist ihre Kindheit.

Unzertrennlich zurzeit: Mein Sohn und sein neuer Lego-Zug. Einmal geschenkt bekommen, lässt er ihn nun kaum aus der Hand. Immer und immer wieder setzt er die Teile zusammen. Oder besser gesagt: Er hält sie mir entgegen, damit ich sie zusammensetze – die fünf Wagons, die Bauklötze, den Mann, die Frau, die Katze. Erst wenn jedes Teil sitzt, düst mein Sohn mit dem Zug quer durch die Wohnung los.

Und ich? Beim letzten Mal habe ich mich tatsächlich gefragt, wen ich den Zug fahren lassen soll. Der Mann oder die Frau? Setze ich den Mann als Lokführer ein, spiegle ich die aktuelle Situation auf dem Schweizer Arbeitsmarkt wieder: Schliesslich sind bei den SBB gerade mal vier Prozent aller Lokführer Frauen. Die Wahrscheinlichkeit, in der Schweiz einen Mann an der Zugspitze zu sehen, ist also wesentlich höher. Doch gerade diese Tatsache könnte doch der Grund sein, die Frau als Lokführerin einzusetzen. Auch wenn es in der Schweiz wenige Lokführerinnen gibt: Es gibt sie. Es wäre ein Zeichen. Eines, das zeigt, dass auch Mädchen Lokführerin werden können. Kein Beruf sollte nur den Männern vorbehalten bleiben.

Ich bin nicht naiv zu glauben, mein Einjähriger würde irgendetwas davon verstehen. Aber es sind Fragen, welche die Erziehung in späteren Jahren prägen und beeinflussen können. Rollenbilder entstehen auch dadurch, dass wir sie den Kindern vermitteln. Indem wir Männer als Polizisten und Feuerwehrmänner verkleiden, und Frauen als Coiffeusen und Krankenschwestern. Indem wir Mädchen Puppen in die Hände drücken und Jungen Spielzeugautos. Und was tut man dagegen? Die Freundin einer Arbeitskollegin erklärte ihrer Tochter kurzerhand, die Arzt-Puppe in ihrer Hand sei kein Mann. Es sei eine Frau mit kurzen Haaren. So gehts auch.

Ich will nicht sagen, dass Mädchen nicht mit dem Puppenhaus spielen sollten oder die Jungs nicht an die Werkzeugbank gehören. Ich will hier kein Plädoyer für eine geschlechtsneutrale Erziehung halten. Ich wünsche mir lediglich Freiheit für die kindliche Neugier. Die Kinder nicht von etwas abzuhalten, weil es sich für ein Mädchen angeblich nicht gehört. Den Jungs etwas zu verbieten, weil das vermeintlich was für Mädchen ist. Auch harte Kerle dürfen ein Puppentheater aufführen. Auch «brave» Mädchen dürfen mit dem Hammer zuschlagen. Kinder sollen die Welt entdecken. Sie sollen ausprobieren und träumen. Noch ist ihrer Fantasie keine Grenze gesetzt.

Und während ich also überlege, ob es nun die Frau in meiner linken oder der Mann in meiner rechten Hand sein soll, setzt mein Sohn die Katze als Lokführer ein und fährt los.

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