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Eine Ära ist zu Ende gegangen

Das Taminatal ist ein Tal voller Überraschungen. Nebst der bekannten Thermalwasser-Quelle verbirgt sich dort auch viel Schiefer. Schon 1688 wurde das damals beliebte Gestein abgebaut.

Nicole
Nett
29.07.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Ohne Helm und Sicherung: So wurde im alten Schieferbruch in Vadura vor 135 Jahren gearbeitet.
Ohne Helm und Sicherung: So wurde im alten Schieferbruch in Vadura vor 135 Jahren gearbeitet.
Bild Josef Riederer

Bodenplatten, Fenstersimse und Wandtafeln. Schon im Jahr 1688 hat man im Taminatal Schiefer für die Umgebung abgebaut. 1853 hatte ein Bergbauexperte den Bruch in Vadura, zwischen Pfäfers und Vättis, entdeckt und festgestellt, dass es sich um Gestein von guter Qualität handelt. Vier Jahre später arbeiteten bereits 60 bis 100 Arbeiter in Vadura. Sie stellten täglich zwischen 6000 und 10’000 Schieferplatten für Dächer her. Ausgeliefert wurde der Schiefer in der ganzen Schweiz und bis ins Ausland.

In folgender Reportage geht es um den alten Schieferbruch in Vadura. Zwei Zeitzeugen verraten uns, wie es damals zu- und hergegangen ist:

Video Nicole Nett

Willkommene Arbeit

Die Bevölkerung war nach einer grossen Hungersnot 1817/1818 arm. Da es fast keine Arbeitsplätze im Gebiet hatte, strebte man nach einem Arbeitsplatz im Schieferbau. Mitten im Dorf Pfäfers wurde 1878 eine Schieferfabrik errichtet. Umgerechnet 100 Franken verdiente ein Arbeiter damals im Monat. Vergleicht man dieses Gehalt mit anderen Branchen, waren 100 Franken zu jener Zeit eine relativ gute Bezahlung.

Gefährlich und ohne Vorschriften

Die Arbeit im Bruch war alles andere als ungefährlich. Damals kannte man noch keine Suva-Vorschriften und Masken gegen den Staub. So sind auch einige Arbeiter an Staublungen gestorben, wie der letzte lebende Schieferarbeiter, Benedikt Jäger, erzählt: «Es gab nicht einmal Staubmasken oder Uniformen. Wir zogen einfach alte Kleider an. Das musste reichen.» 

«Wir hatten keine Staubmasken und Uniformen.»

Benedikt Jäger, Letzter lebender Schieferarbeiter aus Pfäfers

Der 81-Jährige hat über ein Jahr im Schieferbruch in Vadura gearbeitet. Gerne erinnert er sich daran zurück: «Vor allem die kleinen Streiche bleiben mir bis heute in bester Erinnerung. Zwischendurch haben wir auch viel gelacht.»

Mit dem Ross nach Bad Ragaz

Wie Josef Riederer, Besitzer des Dorfmuseums Pfäfers, sagt, mussten die schweren Schieferplatten von Vadura mit Pferd und Wagen nach Bad Ragaz transportiert werden. Abgebaut wurde das Gestein zuerst mit einem Hebeisen. Die Platten durften maximal neun Zentimeter dick sein. 

«Die schweren Schieferplatten mussten mit Pferd und Wagen transportiert werden.»

Josef «Sepp» Riederer, Besitzer Dorfmuseum Pfäfers
Kleiner Weiler zwischen Pfäfers und Vättis: Von der Schieferfabrik Vadura aus (rechts im Bild) wurde der Schiefer nach Bad Ragaz überführt. Von dort aus gelangte er in andere Teile der Schweiz und bis ins Ausland.
Kleiner Weiler zwischen Pfäfers und Vättis: Von der Schieferfabrik Vadura aus (rechts im Bild) wurde der Schiefer nach Bad Ragaz überführt. Von dort aus gelangte er in andere Teile der Schweiz und bis ins Ausland.
Bild Josef Riederer

Ende einer über 100-jährigen Tradition

Die Arbeit am Schieferbruch und die Schieferfabrik musste im Jahr 1965 eingestellt werden. Grund war einerseits die Qualität des Schiefers, welche mit der Zeit nachliess. Andererseits war die Konkurrenz aus Italien einfach zu gross. So ist die über 100-jährige Schiefertradition zu Ende gegangen.

Langer Weg: Mit Pferdegespann wurde das schwere Schiefergestein von Vadura nach Bad Ragaz transportiert.
Langer Weg: Mit Pferdegespann wurde das schwere Schiefergestein von Vadura nach Bad Ragaz transportiert.
Bild Josef Riederer

Nicole Nett schreibt und produziert hauptsächlich Geschichten für «suedostschweiz.ch». Die gelernte Kauffrau hat Multimedia Production studiert und lebt in der Bündner Herrschaft. Sie arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz.

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