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Als die Flimser den Elmern die Sonne stahlen

Am Wochenende scheint die Sonne wieder durchs Martinsloch auf die Elmer Kirche. Vor dreissig Jahren blieb das Spektakel fast aus: Eine Gruppe waghalsiger Bündner deckte das Loch mit einer Blache ab. 

Martin
Meier
28.09.22 - 14:37 Uhr
Leben & Freizeit

Geschichtenerzählerin Anni Brühwiler winkt ab: «Das ist für einmal keine Sage. Das ist die Wahrheit.» Als wäre es erst gestern gewesen, erinnert sich die Elmerin an jenen Tag, als Lausbuben aus Flims den Elmern die Sonne stehlen wollten. Just an dem Tag, an dem ihr Strahlenlicht durchs weltberühmte Martinsloch auf den Kirchturm hätte scheinen sollen.

«Schöner hätte sich das Wetter an diesem 1. Oktober 1989 nicht mehr zeigen können», erzählt Anni Brühwiler. «Es war ein klarer Herbsttag – mit gefärbten Wäldern, angeschneiten Gipfeln und einem blauen Himmel.» Dementsprechend gross sei auch der Aufmarsch der Schaulustigen gewesen.

Im Martinsloch blieb es nach Ablauf des Countdowns dunkel

Um 9.33 Uhr hätte es so weit sein sollen. War es aber nicht. Nach Ablauf des Countdowns blieb es im 17 Meter hohen und 19 Meter breiten Martinsloch dunkel. «Da konnte doch etwas nicht stimmen», dachte sich Brühwiler. Der Blick durchs Fernglas bestätigte ihre Vermutung: Im natürlichen Felsentor flatterte etwas ganz und gar Unnatürliches. Aber was? In der Folge machte sich der Elmer Hans Rhyner auf den Weg, dies herauszufinden.

«Auf der Dorfumfahrung entdeckte ich ein erstes verdächtiges Fahrzeug. Es entpuppte sich als dasjenige einer Filmequipe, die sich wunderte, dass das Naturschauspiel nicht stattgefunden hat», erzählt Rhyner. «Die Crew versicherte mir dann aber glaubhaft, dass sie mit dem Ausfall des Ereignisses nichts, aber auch gar nichts zu tun habe. Vielmehr hätten sie ein paar Sequenzen für den Vorspann zum 1991 erscheinenden Anna-Göldi-Film drehen wollen.» Also ermittelte Hans Rhyner weiter.

Das Funkgerät machte die Jugendlichen verdächtig

Wenig später entdeckte der Elmer einen VW-Bus, vor dem sich Jugendliche aufgestellt hatten, die zum Martinsloch hochblickten. «Handys gab es damals noch keine», so Rhyner. «Aber einer der Jugendlichen hat ein Funkgerät in den Händen gehalten.» Das machte die Jugendlichen verdächtig. «Auf meine Frage hin haben sie dann sofort gestanden.»

«Auf meine Frage hin haben die Jugendlichen sofort gestanden.»

Hans Rhyner, Augenzeuge

Die Idee, den Elmern einmal die Sonne wegzunehmen, sei am Stammtisch geboren worden, gaben die überführten Jugendlichen aus Flims «Kommissar» Rhyner zu Protokoll. Die eine Gruppe habe in Elm die Aktion überwacht. Die andere Gruppe sei mit einer 144 Quadratmeter grossen Plastikblache von Flims aus zum Martinsloch hochgestiegen. Den Plastik habe man dann mit zwei Ösen im Loch befestigt, erzählten die Jugendlichen. Diese haben allerdings nicht mit der Thermik gerechnet. Der Wind hat die Blache aus einer der Ösen gerissen, sodass die Elmer verspätet dann doch noch in den Genuss des Naturspektakels kamen. Die Jugendlichen konnten unerkannt «entkommen».

Im Tourismusbüro Elm ist später ein Schreiben eingegangen, indem sich die Jugendlichen für ihren Scherz entschuldigten. Anonym. Ihre Identität blieb bis heute unbekannt. Nur so viel: Heute dürften die «Lausbuben» so um die 50 Jahre alt sein.

Die Aufnahmen, die das Filmteam vom abgedunkelten Martinsloch gemacht hat, erschienen nie im Vorspann des Anna-Göldi-Films: dafür unter dem Titel «Hoppla» in der damaligen Sendung «DRS aktuell».

Wart Ihr damals unter den Lausbuben, die das Martinsloch verdeckt haben? Meldet euch unter glarus@suedostschweiz.ch! 

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