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Lexi goes Salsera

Stunden vor dem Spiegel, ohne Musik Schritte lernen und Bewegungen in den Körper zu programmieren: Lexi lernt gerade Salsa.

Südostschweiz
09.08.20 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Lexi wird Salsatänzerin.
Lexi wird Salsatänzerin.
SYMBOLBILD/PIXABAY

Zugegeben, während Coronazeiten ist es das vermutlich schlechteste Hobby überhaupt: Paartanz. Nicht nur wegen der potenziellen Ansteckungsgefahr, sondern auch wegen der sozialen Ächtung. Dabei war Salsa meine Medizin gegen das Coronavirus, von dem ich bisher glücklicherweise verschont geblieben bin. Quasi die Anti-Lagerkoller-Pille. Der salsasüchtige, deutsche Gummihals, der einer meiner Mitbewohner ist, und ich verwandelten während den Lockdownzeiten das WG-Wohnzimmer jeden Abend in ein Tanzstudio. Die Nachbarn und der dritte Mitbewohner hatten ihre Freude an den zwei Elefanten und dem Latinosound.

Für alle Feministinnen ist Paartanz unabhängig von Corona der Weltuntergang. Die Manifestation des Bösen quasi. Weil die Frau nichts zu melden hat und nur macht, was der Mann diktiert. Er sagt, in welche Richtung, wie schnell und welche Figur getanzt wird. Selbst wenn er selber keine Ahnung hat. Manchmal tanzt man ein halbes Lied ausser Takt, die Frau geniesst nicht und schweigt. Trotz allem, glaubt mir, spätestens, wenn man viele Drehungen übt, klammert man sich sehr gerne an einen starken Mann, um nicht sehr unelegant auf dem Parkett zu liegen.

Wenn ich Leuten erzähle, dass ich Salsa tanze, sind die meisten erstaunt. Ungeschminkt und im Latzhosenlook muss ich zugeben, dass ich kaum wie eine typische Salsera aussehe. Alle, die mich aus meiner Schulzeit kennen, haben mich jetzt vermutlich auch nicht gerade als Dancingqueen abgespeichert.

Zugegeben, wenn mir vor zwei Jahren jemand gesagt hätte, dass ich mehr High-Heels als Turnschuhe haben werde, hätte ich ihn ausgelacht. Inzwischen renne ich gefühlte Marathons in diesen Riemchensandalen mit 7 cm Bleistiftabsatz, die mir schon unzählige Blasen und den Männern blaue Zehen beschert haben.

Die grösste Illusion, die Nicht-Tänzer haben, ist, dass es beim Salsa nur darum geht, mit den Hüften zu wackeln und einen sexy Dress anzuziehen. Klar, für Showauftritte mit einem Choreoteam trägt man ein Mini-Kleidchen, das man Second-Hand auch für die Streetparade weiterverwenden könnte, aber die Trainings sind eher schweissüberströmt in Sportklamotten. Glaubt mir, Tanzen ist weit weniger glamourös, als alle immer denken.

Der Hauptkritikpunkt von den Trainern ist neben dem mangelnden Hüftschwung die fehlende Spannung. Spannung in den Armen, in den Beinen, in den Füssen, im Bauch, einfach überall. Und um das zu trainieren, kreist man nicht die Hüfte, sondern müht sich mit Planks und Sit-ups ab. Dazu kommt noch ein ausgefeiltes Drehtraining, bis man seekrank ist.

Salsa tanzen heisst für mich Stunden vor dem Spiegel, ohne Musik Schritte lernen und Bewegungen in den Körper zu programmieren, die alles andere als natürlich sind. Zwischendurch kassiert man wegen schlechtem Timing noch einen Ellenbogen im Gesicht. Seit ich in einem Choreoteam für Auftritte trainiere, gehören blaue Flecken und gequetschte Rippen von missratenen Hebefiguren zum Alltag.

Aber spätestens dann, wenn man die Musik aufdreht, und nichts macht, ausser die Musik zu verkörpern, weiss man, wieso man das alles macht. Man darf dann einfach nicht mehr in den Spiegel schauen. Sonst sieht man nämlich wieder, was man alles falsch macht. Am Schluss zählt nämlich nur etwas: Hauptsache, es fühlt sich gut an.

Lexi ist das Pseudonym einer 20-jährigen Molliserin, die einen Internet-Blog in Jugendsprache führt: http://lexilike.blogspot.ch.

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