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Schulen auf dem richtigen Fuss erwischt

Schule ohne Präsenzunterricht – dieser Herausforderung stellen sich derzeit alle Schweizer Schulen. Rapperswil-Jona ist dank neuer Strukturen darauf vorbereitet.

Fabio
Wyss
19.03.20 - 20:26 Uhr
Leben & Freizeit
Betreuung in Ausnahmefällen: In der Schule Hanfländer sind nun Lehrer mit Betreuungsdiensten beauftragt.
Betreuung in Ausnahmefällen: In der Schule Hanfländer sind nun Lehrer mit Betreuungsdiensten beauftragt.
BILD FABIO WYSS

Zwei Knaben schwingen im Hanfländerquartier ein Seil, in der Mitte hüpft ein Mädchen. «Jetzt brauchen sie nur noch Musik, um einem Takt zu folgen. Genauso könnte in diesen Zeiten die Bewegung geschult werden», sagt Kindergartenlehrerin Claudia Leutwiler. Wie werden Inhalte vermittelt ohne Präsenzunterricht? Das ist die Frage, die momentan die Lehrerschaft im ganzen Land umtreibt.

Auf diese Frage scheint man in Rapperswil-Jona bestens gerüstet. «Die Situation hat uns auf dem richtigen Fuss erwischt», sagt Josef Bärtsch. Er ist der Schulleiter der Schule Hanfländer. Mit 430 Schülern, 60 Lehrpersonen und 30 weiteren Angestellten ist das die grösste Schuleinheit der Region.

Perfektes Timing – ein Zufall

Die Lehrer sind auf die Schulschliessung gut vorbereitet. Erst letzte Woche habe die Stadt neue Führungsstrukturen abgesegnet, sagt Bärtsch. Dadurch ist nun klar geregelt, welche Lehrperson die Verantwortung für klassenübergreifende Schulstufen übernimmt. Diese Koordination hilft, damit die einzelnen Lehrer altersgerecht den Schulstoff auch im Homeschooling vermitteln. «Es macht keinen Sinn, dass ich den Kindergartenlehrpersonen vorschreibe, was zu tun ist – denn ich war nie Kindergartenlehrer», sagt Bärtsch.

Kindergartenlehrerin Leutwiler hat nun eine solche Führungsaufgabe inne. Sie sagt, dass diese Umstrukturierung, schon seit Monaten laufe. Das zahle sich nun aus: «So können wir den Eltern etwas bieten, das Hand und Fuss hat.»

Der Fernunterricht stellt sie dennoch vor riesige Herausforderungen. Gerade im Kindergartenalter seien Lehrer sehr wichtige Bezugspersonen für die Kinder. «Wir müssen den Kindern zeigen, dass wir immer noch für sie da sind – auch wenn nicht physisch.» Um diese Nähe zu zeigen, habe sie beispielsweise gemeinsam mit einer anderen Lehrkraft ein Lied aufgenommen. Die Kinder hörten es via Handy – und brachen in Jubel aus. Es tut Leutwiler gut, denn: «Auch ich brauche die Kinder und will den gemeinsamen Faden aufrecht erhalten.»

Auf diese Weise werden auch andere Inhalte vermittelt. «Ein breiter Strauss an Möglichkeiten» steht den Lehrern zur Verfügung, sagt Schulleiter Bärtsch. So ist etwa eine Dropbox eingerichtet. Lernmaterialien sind nach Fächer geordnet – zugänglich von überall her.

Auch die Verlage tragen das Ihre dazu bei: Online-Lerntools sind neu teilweise frei verfügbar. Auf verschiedenste Arten können Schüler so am Computer, Tablet oder Handy Aufgaben lösen. Sie erhalten die Lösungen, und die Lehrer können sie überprüfen. Das entlastet den schulinternen Server, eine weitere Möglichkeit für das Lernen vom heimischen Sofa aus.

Zuversichtlich: Josef Bärtsch, Schulleiter im Hanfländer glaubt, dass keine Bildungslücke entsteht. BILD FABIO WYSS
Zuversichtlich: Josef Bärtsch, Schulleiter im Hanfländer glaubt, dass keine Bildungslücke entsteht. BILD FABIO WYSS

Entsteht eine Bildungslücke?

Josef Bärtsch gibt aber zu: «Es ist momentan eher ein Festigen und Repetieren der Lernziele.» Neue Inhalte zu vermitteln, sei eine ganz andere Schuhnummer. Schulpräsident Luca Eberle sieht das gleich: «Die Wochen bis zu den Frühlingsferien können wir uns schlimmstenfalls ans Bein streichen – was danach kommt, ist anspruchsvoller.»

Angst vor einer Bildungslücke existiert bei der Lehrerschaft aber nicht. Kindergartenlehrerin Leutwiler meint, dass dafür nun überfachliche Kompetenzen gefördert werden, wie etwa Toleranz, Konfliktbewältigung oder Rücksichtnahme.

Indem sie beispielsweise Geschichten vorliest und die dazugehörigen Bilder verschickt, kann sie neue Inhalte vermitteln. Sie ist überzeugt: «Gerade in dieser ersten Phase können Schüler in eine Art Lern-Euphorie fallen, weil sie nun öfters den Computer benutzen dürfen.»

Für die Zeit danach sei nun Geduld gefragt, sagt Bärtsch – «bei den Lehrern, Schülern und Eltern». Es stimmt ihn zuversichtlich, weil das bis jetzt bestens funktioniert hat. Die Eltern lobt er: «Sie zeigten in dieser Situation gegenüber uns bisher viel Vertrauen.»

Die Eltern ihrerseits geben das Lob zurück: «Die Schulen machen einen Riesenjob», heisst es vielerorts. Alleine der Schulkreis Hanfländer schaffte es, rund 350 verschiedene Familien zu koordinieren. Damit die Kommunikation über den Heimunterricht sichergestellt wurde, telefonierten die Lehrer zusätzlich zum Informationsschreiben mit den Eltern.

Schulen betreuen Kinder in Härtefällen
Wenn Eltern die Betreuung ihrer Kinder nicht sichern können, springen die Schulen ausnahmsweise in die Bresche.
In Rapperswil-Jona heissen diese Betreuungshorte «Looping». Sie existierten bereits vor der Corona-Krise. Nun sind sie aber zumindest bis zum 4. April kostenlos. In der Schule Hanfländer ist die Nachfrage gering. In den nächsten Wochen sind maximal acht Kinder angemeldet. Kapazität hätte die Schule für 20. Betreut werden die Schüler von Angestellten des «Looping» und ­zusätzlich von Lehrpersonen.
Neben dem Schulstoff, der zu Hause stattfinden müsste, will die Schule den Kindern klare Tagesstrukturen lehren. Von 6.30 bis 18 Uhr werden sie betreut, Mittagessen muss selber mitgebracht werden. Die Betreuer vermitteln auch weitere Hygienemassnahmen. «Der Stellenwert der Schule wird durch diese Krise nachhaltig gestärkt», ist der Schulleiter Josef Bärtsch überzeugt. (wyf)

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