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Die Schweiz wird durchgeschüttelt und kaum jemand merkts

Im Wallis bebt seit einigen Tagen immer wieder die Erde spürbar. Pro Jahr passiert das in der Schweiz 10 bis 20 Mal, meistens im Alpenraum. Meist sind es aber schwache Beben zwischen einer Magnitude von 2 und 3 auf der Richterskala. Ein Blick auf alte und aktuelle Daten zeigt, wie oft - und auch wie stark - es in der Schweiz bebte und bebt.

Südostschweiz
11.11.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Die Geschichte der Schweiz ist - auch - von Erdbeben geprägt. Diese Animation zeigt wie.

Schwere Erdbeben mit katastrophalen Folgen wie in Mittelitalien, im Himalaya oder entlang des pazifischen Feuergürtels, davon bleiben wir in der Schweiz zwar verschont. Doch auch bei uns bebt die Erde eigentlich ständig und ordentlich. Denn die Alpen und damit grosse Teile der Schweiz liegen über einer tektonisch durchaus aktiven Zone der Erde. 

Konkret taucht ein Teil der europäischen Erdplatte unter den Alpen in die Tiefe ab und schiebt sich dabei unter die adriatische Erdplatte, die von Südenosten nach Nordwesten drückt. Durch diese Bewegung wurden die Alpen aufgefaltet und dadurch entstehen in der Erdkruste im Alpenraum jährlich Tausende kleinere und grössere Erdbeben.

Im Detail sieht das Aufeinandertreffen der beiden Platten so aus:

Seit 1975 betreibt der Schweizerische Erdbebendienst an der ETH ein Netz von inzwischen mehr als 200 seismischen Messstationen in der ganzen Schweiz. Der Grossteil der registrierten Beben ereignet sich in den Alpen, vor allem im Wallis und in Graubünden. Im Durchschnitt werden damit drei bis vier Beben pro Tag oder zwischen 1000 und 1500 Beben pro Jahr gemessen. Von der Bevölkerung werden davon pro Jahr aber nur zwischen zehn und 20 Beben gespürt. Diese gespürten Beben weisen normalerweise eine Stärke von 2,5 oder mehr auf der Richterskala auf.

Allein im Jahr 2019 wurden bisher 1454 Erdbeben (Stand, FR 8.11. 13.30 Uhr) erfasst, die letzten vier davon alle am Freitag zwischen 10 und 11.30 Uhr im Wallis südlich von Sion. Keines davon stärker als 1,4.

Die Grafik unten zeigt, wie viele gespürte Beben seit Messbeginn 1975 pro Jahr registriert wurden. Da sieht man, wir befinden uns gerade in einer eher ruhigen Phase.

Die Zahl der ingesamt aufgezeichneten Beben hängt aber nicht nur von deren Stärke, sondern auch von deren Epizentrum ab. Mit ein Faktor ist die Dichte der Messstationen und die ist im Wallis und der Ostschweiz zum Beispiel deutlich höher als etwa im Mittelland. Das heisst, dass Beben mit tieferen Ausschlägen in Graubünden öfter erfasst werden als etwa in Zürich.

Die Grafik unten zeigt diese Häufigkeitsunterschiede deutlich.

Die Grafik oben zeigt zudem eine weitere Unterscheidung von Beben im Alpenraum und solchen im Mittelland: sie ereignen sich nämlich in anderen Tiefen. Während Beben im Mittelland bis in eine Tiefe von 30 bis 50 Kilometer auftreten und damit bis an den Übergang von Erdkruste zu -mantel, ereignen sich Beben im Alpenraum nur bis in eine Tiefe von 15 bis 20 Kilometer, sind also viel näher an der Erdoberfläche und durch das auch öfter spürbar.

Auf Grund der Plattenkollision unterhalb der Alpen ereigneten sich in der Vergangenheit im Alpenraum mehrere schwere Erdbeben mit einer Magnitude von über sechs auf der Richterskala. Man geht auf Grund von historischen Überlieferungen mindestens zwölf solcher Beben in den letzten 1000 Jahren aus (siehe Grafik oben). Das letzte, respektive die letzten drei, ereigneten sich 1976 im Friaul in Nordostitalien. Man zählt ein Haupt- und zwei Nachbeben zusammen, die alle stärker als sechs waren, fast 1000 Menschenleben forderten und 45'000 Menschen obdachlos machten.

Von diesen zwölf Beben ereignet sich eines in Graubünden, am 3. September 1295 im Raum Churwalden und wird auf eine Magnitude von 6.2 geschätzt. Der Schweizerische Erdbebendienst schätzt, dass eine Wiederholung jenes Bebens heute allein innerhalb des Kantons Graubünden Gesamtschäden von rund zwölf Milliarden Franken verursachen würde. Es ist zudem das älteste historisch nachgewiesene Beben in der Schweiz

Das letzte Beben im Kanton, das mehrere Gebäudeschäden verursacht hatte, ereignete sich am 20. November 1991 im Raum Vaz. Es war zudem auch das stärkste mit einer Magnitude von fünf und zog mehr als 80 Nachbeben nach sich, die sich bis ins Frühjahr 1992 erstreckten.

Erdbeben lassen sich nach heutigem Wissensstand nicht vorhersagen. Das beste was man hat, sind grundsätzliche Annahmen über die Wahrscheinlichkeit vom Auftreten von Beben bestimmter Schweregrade. 

«Die Wahrscheinlichkeit für ein katastrophales Beben mit einer Magnitude von etwa 6 oder mehr liegt bei einem Prozent im nächsten Jahr. Im Schnitt ist alle 50 bis 150 Jahre mit einem solchen Ereignis zu rechnen. Ein Erdbeben dieser Stärke ereignete sich zum vorerst letzten Mal im Jahr 1946 bei Sierre im Wallis. Ein solches Beben kann aber überall und jederzeit in der Schweiz auftreten.»

Das schreibt der Schweizerische Erdbebendienst auf seiner Website. Ein Beben mit einer Magnitude von 5 sei etwa alle acht bis 15 Jahre zu erwarten.

Und zum Vergleich noch dies: Für Kalifornien, das direkt auf der so genannten San-Andreas-Verwerfung liegt, einem Teil des pazifischen Feuerrings, wo die nordamerikanische und die pazifisch Erdplatte aufeinander treffen und sich aneinander entlang bewegen, wird die Wahrscheinlichkeit für ein katastrophales Erdbeben mit einer Stärke über 6,7 auf der Richterskala innerhalb der nächsten 30 Jahre auf 99 Prozent geschätzt.

Die Informationen für diesen Artikel stammen vom Schweizerischen Erdbebendienst (ebenso alle Grafiken) sowie von Worldatlas.com

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