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Von der Ehre, einen Steinbock zu erlegen

Die in der Schweiz einst ausgestorbenen Steinböcke müssen heute durch Abschuss reguliert werden. Auch im Glarnerland müssen 13 Geissen und Böcke erlegt werden. Der Abschuss gilt als Ehre für die Weidmänner.

Martin
Meier
16.08.19 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Majestätisch: Im Glarnerland dürfen in diesem Jahr weniger Steinböcke als sonst geschossen werden.
Majestätisch: Im Glarnerland dürfen in diesem Jahr weniger Steinböcke als sonst geschossen werden.
MIRSADA GUBLER

Was für ein göttlicher Anblick: der erscheinenden Sonnenrand über der Westflanke, der die östliche Bergpracht in gleissendes Licht hüllt. Und was für ein erhabener Anblick, fast ein Alpsegen, ist der Steinbock, der da steht, dessen Atem in der morgendlichen Kühle Fahnen in den Wind zieht wie am nächtlichen Himmel ein Polarlicht. Was muss ein Jäger fühlen, der ein Patent zur Steinbockjagd erhalten hat?

Steinwild-Abschuss hält Kolonien gesund

Auch Fotografin Mirsada Gubler, welche das Steinwild vor die Linse bekommen hat, kommt auf Facebook ins Schwärmen: «Wild. Sanft. Stark. Erdverbunden. Dem Himmel nah, die Könige der Alpen. Einfach mehr als faszinierend. Ich liebe das Glarnerland.»

Nicht vor die Linse, sondern vor die Büchse bekommen den König der Alpen, dem als Krone Hörner aufgesetzt worden sind, die bis zu einem Meter lang werden können, bald eine Handvoll Weidmänner.

Ab dem 1. September darf auf den Steinbock geschossen werden. Das ist kein Grund, um jetzt auf die Jäger zu «schiessen». Das stolze, einst in der Schweiz ausgerottete Tier, muss heute bejagt werden, um die Kolonien gesund zu erhalten.

Am meisten Steinböcke zählt nämlich die Schweiz: Dort leben wieder rund 17 000 Individuen. 13 500 Tiere durchstreifen Italien, 10 000 sind es in den französischen Alpen, 4500 in Österreich. Hinzu kommen die 730 Steinböcke aus Deutschland.

In Slowenien liegt der Bestand bei 400 Individuen – das Glarnerland kommt auf 450 Stück Steinwild. «Bis zur Gemeindefusion zählte der Kanton noch einen Steinbock mehr», sagt Christoph Jäggi, der kantonale Fischerei- und Jagdverwalter, scherzend. «Den auf dem einstigen Gemeindewappen von Glarus.»

Die Glarner Steinböcke leben laut Jäggi heute vor allem in drei Kolonien: in den Gebieten Längenegg, Foostock und Oberalp-Tödi-Calanda. «Aus diesen drei Kolonien dürfen insgesamt 13 Geissen und Böcke geschossen werden.» Weniger als in den vergangenen Jahren. «Im vorletzten Winter gab es durch Lawinen viele Todesfälle. Darauf haben wir jetzt Rücksicht genommen und die Abschusszahlen herabgesetzt», erklärt Jäggi.

Für Abschuss sind bis zu 30 Jahre Jagderfahrung nötig

Einen Steinbock zu erlegen ist im Übrigen nicht jedermanns Sache und an Ehre nicht zu überbieten. Wenn wunderts, dass dies pro Jahr nur eine Handvoll Jäger tun dürfen? «Der Abschuss ist an genaue Vorgaben gebunden» erklärt Jäggi. «Bevor ein Bock geschossen werden darf, muss zuerst eine Geiss erlegt werden.» Und diese dürfe kein Jungtier mitführen.

Die zum Abschuss freigegebenen Böcke werden ferner in vier Alterskategorien eingeteilt. «Wer einen anderthalb- bis zweieinhalbjährigen Bock schiessen will, muss das Glarner Jagdpatent mindestens zehn Mal gelöst haben. Für einen dreieinhalb- bis fünfeinhalbjährigen Steinbock braucht es 20 Jahre Jagderfahrung, für ein noch älteres Tier gar 30 Jahre.»

Den Jägern bleibt bis am 31. Oktober Zeit, auf eine Geiss und den Bock zu schiessen. Danach heisst es: Ende Feuer.

Also: Weidmannsheil!

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