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Der Blick zurück gibt uns Sicherheit für die Weiterfahrt

Gedanken des Uzner Pfarrers Michael Pfiffner zur Oster-Wende: Der Blick zurück schafft Klarheit. Aber erst im Nachhinein gehen uns manche Zusammenhänge auf, die wir in der eigentlichen Situation nicht gesehen haben.

Linth-Zeitung
18.04.19 - 14:34 Uhr
Leben & Freizeit
Blick zurück: Sich etwas zu-wenden, das hinter uns liegt, kann den Blick stärken für das, was kommt.
Blick zurück: Sich etwas zu-wenden, das hinter uns liegt, kann den Blick stärken für das, was kommt.
MARKUS TIMO RÜEGG

von Michael Pfiffner

Viele von uns, die zwei- oder vierrädrig unterwegs sind, machen ihn ganz automatisch: den Blick in den Rückspiegel. Schliesslich erleichtert er mir die Sicht zurück, ohne dass ich meinen Kopf drehen muss. Ich habe den Überblick, wenn ich jemanden überhole oder wenn ich rückwärtsfahre. Der Blick zurück gibt mir Sicherheit für meine Weiterfahrt.

* Der Blick zurück: Christen überall auf der Welt machen das auch in diesen Tagen, an denen sie sich an die Leidens- und Auferstehungserzählungen Jesu erinnern. Es sind bekannte und faszinierende Geschichten, denen wir in diesen Tagen wieder begegnen: Jesus feiert ein letztes Mahl mit seinen Freunden, er wird verhaftet, gefoltert, verurteilt und stirbt einen qualvollen Tod am Kreuz. Mit diesem Kreuzestod scheint alles zu enden. Doch dann nimmt die Geschichte eine unerwartete Wende. Am dritten Tag wird Jesus von den Toten auferstehen.

«Erst durch ihr Wenden, durch ihr Zu-Wenden erkennt sie, dass Jesus von den Toten auferstanden ist.»

* Immer wieder spielt bei diesen Geschehnissen der Blick zurück eine wichtige Rolle: Beim letzten Abendmahl gehen die Gedanken der Jünger und Jesu zurück an die Befreiung der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft. Die Jünger, die zuschauen müssen, wie Jesus am Kreuz stirbt, denken zurück an gemeinsame Erlebnisse, an all die Worte und Taten, die Jesus vollbracht hat, als er noch mit ihnen unterwegs war.

* Auch an Ostern selber spielt der Rück-Blick eine entscheidende Rolle. Am frühen Ostermorgen kommt Maria Magdalena zum Grab Jesu. Voll Schrecken und Entsetzen muss die Vertraute Jesu feststellen, dass der Stein, der das Grab verschlossen hatte, weggerollt und das Grab geöffnet war. Vieles dürfte ihr in diesem Moment durch den Kopf gegangen sein: Waren es Grabräuber oder sogar Grabschänder, die Jesus mitgenommen haben? Was haben sie mit ihm gemacht? Wurde er an einen anderen Ort gelegt? Und wenn ja: von wem? Und wo ist er jetzt? Vorsichtig beugt sie sich in die Grabkammer hinein, um sich zu vergewissern, dass Jesus wirklich nicht mehr da ist. Zwei Engel sitzen in der Kammer, so wird uns in der Bibel berichtet, die ihr nicht wirklich weiterhelfen können. Und dann kommt die Wende: Maria Magdalena dreht sich um und sieht Jesus dastehen – sie blickt zurück, schaut in die Richtung, aus der sie gekommen ist und sieht den Auferstandenen. Erst durch ihr Wenden, durch ihr Zu-Wenden erkennt sie, dass Jesus von den Toten auferstanden ist.

* Im Rück-Blick liegt die Wende. Das hat nicht nur etwas mit Ostern zu tun. Das sind Erfahrungen, die wir auch in unserem Alltag machen: Erst im Nachhinein geht auch uns hie und da ein Licht auf, «checken» wir etwas, wird uns etwas viel klarer. Erst im Nachhinein gehen uns manche Zusammenhänge auf, die wir unmittelbar in der Situation nicht gesehen haben.

* In solchen, manchmal unscheinbaren Augenblicken ist etwas von dieser Auferstehungs-Erfahrung spürbar, erleben wir eine kleine Oster-Wende. Es ist die Wende von der Verzweiflung zur Hoffnung, vom Dunkel zum Licht, vom Tod zur Auferstehung. In diesem Sinn wünsche ich allen frohe und gesegnete Ostern.

Michael Pfiffner ist Pfarrer in Uznach, Domherr und Dekan.

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