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Und sie grüssen noch immer

Sie sollten ursprünglich nur während sieben Monaten in Rapperswil-Jona stehen: Doch die kunstvoll verzierten Bänkli kommen so gut an, dass sie nun länger als geplant das Stadtbild prägen. Verschwinden wird das nationale Kulturprojekt nur Schritt für Schritt.

18.10.18 - 04:33 Uhr
Leben & Freizeit
An der Rapperswiler Seepromenade stehen noch immer die kunstvoll beschrifteten Bänkli - darauf abzusitzen ist fast schon schade.
An der Rapperswiler Seepromenade stehen noch immer die kunstvoll beschrifteten Bänkli - darauf abzusitzen ist fast schon schade.
RAMONA NOCK

Sie grüssen Passanten und sorgen für staunende Blicke: Was steht da in schwungvoller Schrift geschrieben, welche Geschichte ist hier kunstvoll verewigt? Ein Gedicht, ein Sprachspiel, eine Grussbotschaft?

Die beschrifteten Sitzbänkli, die seit März letzten Jahres ganz Rapperswil-Jona schmücken, sind noch immer ein Blickfang. Zwar sind hier und dort die Buchstaben etwas verblasst oder die Farbe ist ein wenig abgeblättert. Auch tragen gerade an der Rapperswiler Seepromenade längst nicht mehr alle Bänkli die verschnörkelten Schriftzüge. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Einig sind bereits wieder mit roter Farbe übermalt worden.

Literatur zum Verweilen

Als Teil des nationalen Kulturprojekts «Reise zwischen den Sprachen» sind im letzten Frühjahr 60 Bänkli in Rapperswil-Jona mit Textfragmenten aus nationaler und internationaler Literatur beschriftet worden (siehe Kasten). Ursprünglich war das Projekt auf sieben Monate beschränkt – von März bis Oktober 2017. Doch auch ein ganzes Jahr später prägen noch immer viele der optischen Hingucker das Stadtbild. Dies soll auch noch ein Weilchen so bleiben. Wie Francisca Moor, Kulturverantwortliche von Rapperswil-Jona, erklärt, sind die beschrifteten Bänkli so gut angekommen, dass es sie schade dünkte, nach sieben Monaten allesamt zu übermalen. Sie habe so viele positive Rückmeldungen erhalten, schwärmt Moor. In Absprache mit dem städtischen Werkdienst hat sie darum eine andere Lösung gefunden: Statt alle Bänkli einzusammeln und im Werkhof wieder komplett rot zu streichen, erledigt der Werkdienst dies nun im Rahmen der normalen Unterhaltsarbeiten.

Im Winter trifft es die Ersten

Alle rund 150 öffentlich zugänglichen Sitzbänkli in der Stadt werden ohnehin im drei-Jahres-Rhythmus in den Werkhof gebracht und aufgefrischt, erklärt Corsin Tuor, Leiter des städtischen Werkdienstes. Dort werden sie gereinigt und abgeschliffen, kaputte Latten werden ausgetauscht und die Bänkli bekommen allesamt ein frisches Farbkleid. Die 60 von Kalligrafen verzierten Bänkli aus dem Kulturprojekt werden somit schrittweise aus dem Stadtbild verschwinden: Jene aus der Altstadt und dem Zentrum von Rapperswil sind im kommenden Winter an der Reihe, erklärt Tuor. Im nächsten Turnus kommen die Bänkli aus Jona dran, danach noch jene, die vereinzelt am Stadtrand stehen. Bis das letzte der schmucken Bänkli nur noch in schlichtem Rot daherkommt, könnten gemäss Tuor zwei bis drei Jahre vergehen.

Vorgreifen und die Bänkli vorzeitig renovieren würde der Werkdienst nur dann, wenn sie etwa mit Beleidigungen verschmiert wären. Dies war bisher aber nie der Fall: Handelt es sich um kleinere Kritzeleien wie Herzen oder Initialen von Verliebten, sehe man darüber hinweg.

Buchstaben am «Füdli»

Trotz des vielen Lobes, welches das Kulturprojekt erhalten hat: Nur gänzlich positiv ausgefallen sind die Rückmeldungen nicht, sagt der Leiter vom Werkdienst: So hätten sich Personen bei ihm gemeldet, die sich nach einer Rast auf den Bänkli über Abdrücke der schwarzen Buchstaben auf ihren weissen Hosen ärgerten. Dies betraf glücklicherweise nur vereinzelte Bänkli mit braunem Grundton, wie sie unter anderem entlang der Jona stehen. «Dort haftete die schwarze Schriftfarbe offenbar weniger gut als auf den roten Bänkli», schildert Tuor. Das Team der Kalligrafen habe daraufhin die betroffenen Bänkli mit Klarlack überzogen. Damit war das Problem gelöst. Künftig muss also keiner mehr fürchten, nach einer Pause ungewollt mit einem unschönen Souvenir durch die Stadt zu spazieren.

Eine Reise in Sprachwelten
Das Projekt «Voyage entre les langues – Reise zwischen den Sprachen» ist ein Kulturprojekt der Oertli- Stiftung, die sich letztes Jahr anlässlich ihres 50-Jahr-Jubiläums zum Ziel nahm, die Mehrsprachigkeit in der Schweiz zu fördern. In sechs Ortschaften, darunter Rapperswil- Jona, macht das Projekt auf die verschiedenen Sprachregionen aufmerksam. Mit grafischen Installationen im öffentlichen Raum, wie den kunstvoll beschrifteten Bänkli, will die Stiftung betonen, wie wichtig der Austausch zwischen den Sprachregionen sei. Umgesetzt wurde das interaktive Projekt vom Forschungsinstitut «Civic City», einem Kollektiv aus Designern, Architekten, Soziologen, Geografen, Städteplanern und Künstlern. Für die Verzierungen der Bänkli in Rapperswil-Jona haben sich Kalligrafen aus einem multilingualen Textkorpus bedient. Dieser sei ein Mix aus Poesie, historischen Texten und solchen, die in jüngerer Zeit entstanden sind. Die gewählten Texte und Wortspiele hat ein Team von Kalligrafen von Hand und in kunstvoller Schrift auf den Bänkli angebracht. Vertreten sind auch lokalen Autoren wie Bruder Adrian Müller vom Kapuzinerkloster, Theaterregisseurin Barbara Schlumpf und Kulturwissenschaftler Peter Röllin.

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