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Gräser nehmen eine Abkürzung statt umständliche Evolution

Ein Wildgras kann offenbar Gene von verwandten Arten aufnehmen, um sich an die Umwelt anzupassen, wie Forschende der Uni Bern mit Kollegen berichten. Diese Erkenntnis ist auch mit Blick auf gentechnisch veränderte Pflanzen relevant.

Agentur
sda
20.02.19 - 12:34 Uhr
Wirtschaft
Alloteropsis semialata hat fleissig Gene bei verwandten Arten geklaut, um sich selbst fit zu machen.
Alloteropsis semialata hat fleissig Gene bei verwandten Arten geklaut, um sich selbst fit zu machen.
PA Christin und LT Dunning

Wenn sich Arten an neue Bedingungen anpassen, geschieht das meistens über genetische Mutationen und Selektion über viele Generationen hinweg. Es gibt aber auch eine «Abkürzung»: Beim sogenannten horizontalen Gentransfer sammeln beispielsweise Bakterien und Pilze vorteilhafte Gene von verwandten Arten und bauen sie in ihr eigenes Erbgut ein.

Bei Pflanzen wurde der horizontale Gentransfer jedoch bisher sehr selten nachgewiesen. Wie ein internationales Forschungsteam unter Leitung der University of Sheffield mit Beteiligung der Universität Bern nun im Fachblatt «PNAS» berichtet, sammeln auch Gräser fremde Gene zum eigenen Vorteil: «Gräser stehlen einfach Gene und nehmen eine evolutionäre Abkürzung», sagte Studienautor Luke Dunning von der University of Sheffield.

Wie Schwämme

«Sie agieren wie Schwämme, die nützliche genetische Information von ihren Nachbarn absorbieren, um ihre Verwandten zu übertrumpfen und in feindlichen Lebensräumen zu überleben, ohne Millionen von Jahren aufzuwenden, die solche Anpassungen normalerweise brauchen», so der Forscher in einer Mitteilung seiner Hochschule.

Die Forschenden untersuchten ein Wildgras namens «Alloteropsis semialata», das unter anderem in tropischen und subtropischen Regionen Afrikas, Asiens und Australiens vorkommt. Durch Erbgut-Analyse und Vergleich mit 150 anderen Gräsern stellten die Forschenden fest, dass dieses Gras fast 60 Gene trägt, die ursprünglich von anderen Gräsern stammen, wie die Uni Bern mitteilte. Diese Fremdgene sind offenbar ohne sexuelle Fortpflanzung direkt von Gras zu Gras übertragen worden. Wie genau dieser Gentransfer bei Pflanzen vonstatten geht, ist noch nicht geklärt.

Relevant auch für Gentechnik

Relevant ist diese Übertragung vorteilhafter Genen von Gras zu Gras auch in Zusammenhang mit Gentechnik. Denn zu den Gräsern zählen auch Nutzpflanzen wie Weizen, Gerste, Mais, Reis und Zuckerrohr.

Zum einen scheint das, was Forschende mithilfe von Gentechnik tun - nämlich fremde Gene in Nutzpflanzen einzubauen - auch auf natürliche Weise zu geschehen, erklärte Christian Parisod von der Universität Bern gemäss der Mitteilung. Zum anderen braucht es ein besseres Verständnis dieser Prozesse, um zu verhindern, dass durch Gentechnik eingeführte Gene unbeabsichtigt von Pflanze zu Pflanze übertragen werden und sich so in Wildarten verbreiten.

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