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Die Frau hat den Dreh raus

Ein Holzstab mit ein paar Rillen – und fertig ist die Waffe gegen verstopfte Duschabflüsse. Vor zwei Jahren hat die Jonerin Jutta Jertrum aus der Not heraus den Abflussstab «Twist Out» entwickelt. Es gibt ihn schon beim grössten deutschen Drogeriemarkt.

08.02.19 - 18:26 Uhr
Wirtschaft
Jutta Jertrum
Jutta Jertrum

Sie ist eine Zupackerin. Das sieht man Jutta Jertrum sofort an. Ihre praktische Ader war es auch, die sie kurzum zur Erfinderin gemacht hat: «Wenn mich etwas nervt, überlege ich permanent, wie ich das Problem lösen könnte», sagt die energiegeladene Frau. Genau so erging es der auf der Schwäbischen Alb geborenen Wahl-Jonerin mit ihrem verstopften Duschabfluss. «Keines der erhältlichen Produkte hat mich überzeugt», sagt sie, und ihre Augen blitzen. «Ich ärgerte mich jeden Tag aufs Neue.» In der Werkstatt ihres Schreiners kam ihr dann die Idee mit dem Holzstab. Er war es auch, der eine erste Vision des Abflussstabs auf Papier brachte.

Wenig später stand die gelernte Hotellerie-Fachfrau in Prag erneut vor demselben Problem: Der Abfluss der Hotel-Dusche war verstopft. «In diesem Moment dachte ich: Mein Holzstab, der einfach funktioniert und hygienisch ist, wäre hier perfekt.» Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz erzählte sie ihrer Mutter von der Vision eines Holzstabs, der mit einem Dreh allen Unrat aus dem Abfluss holen sollte. Diese fand die Idee «cool». Kein Wunder: Sie hatte der kleinen Jutta bereits als Kind eingetrichtert: «Nur diese Leute sind beschissen, die sich nicht zu helfen wissen.»

Deutsche weniger vorsichtig

Gemeinsam mit ihrem Schreiner entwickelte sie bald den Holzstab «Twist Out», dessen geschwungene Rillen Haare und anderen Unrat anziehen, und liess das Produkt Ende 2016 patentieren. Wenig später gelangte der 40 Zentimeter lange Stab erstmals in die Läden. Das Rapperswiler Traditionsgeschäft Elsener Messerschmied war eines der ersten Geschäfte, das Jertrum ermöglichte, ihr Produkt im Handel anzubieten. Das schwungvolle Logo, das den Dreh des Stabs mit dem Baum verbindet, entwarf Jutta Jertrums älterer Sohn gemeinsam mit einem befreundeten Werber.

In der Schweiz beliefert Jertrum heute rund 60 Läden. Aber richtig Fahrt aufgenommen hat der Drehstab in unserem nördlichen Nachbarland: «Der Schweizer ist halt sehr vorsichtig und überlegt etwas länger, bevor er etwas Neues kauft.» Die «deutsche Antwort» auf ihr Produkt fasst die quirlige Jonerin so zusammen: «Der Deutsche findet es entweder toll oder einen Mist. Dazwischen gibt es fast nichts.» Unter anderem hat der Wirbelstab Eingang ins Sortiment des grössten deutschen Drogeriemarkts gefunden. Aber auch die sogenannten «Unverpackt-Läden» in Deutschland zeigten grosses Interesse an ihrem Stab aus Buchenholz, erzählt Jutta Jertrum. «Dort kann man die Abflussstäbe auch einzeln kaufen.» Am Obersee arbeiten auch einige Hotels mit Jertrums Erfindung. Neben dem Preis «Startfeld Diamant» ist sie auch für den German Innovation Award nominiert.

Mehr ökologisches Bewusstsein

Bis heute hat die 49-Jährige rund eine Million Abflussstäbe verkauft. In einer Packung stecken acht Stäbe – wer will, kann sie mehrere Male verwenden. Insbesondere Haare holte der Stab effizient und rasch aus dem Abfluss, wie ein Selbsttest zeigt. Von ihrer Erfindung müsse Jertrum, die früher Geschäftsführerin der Schloss Rapperswil Gastro GmbH war, nicht leben können. «Aber wenn es so weitergeht wie jetzt, könnte ich das bald.»

Dass der Holzstab nicht nur einfach, sondern auch umweltfreundlich ist, habe am Anfang gar nicht im Vordergrund gestanden. «Für mich war vor allem wichtig, dass er funktioniert», resümiert Jertrum. Durch ihre Erfindung sei sie nach und nach in Kontakt mit der «Öko-Szene» gekommen und hätte dadurch auch am eigenen Verhalten einiges verändert: «Heute kaufe ich keine Nespresso-Kapseln mehr, die Maschine haben wir aus der Küche verbannt.» Und in ihren letzten Ferien auf Sardinien habe sie sich derart über Littering geärgert, dass sie auf einer Mini-Insel Plastik einsammelte. Trotzdem sagt Jutta Jertrum: «Ich bin nicht total öko.»

«Ich bin einfach hartnäckig»

Auch als Erfinderin würde sich Jertrum nicht bezeichnen: «Ich glaube, ich bin einfach sehr hartnäckig.» Ausserdem sei sie zu Hause «die Praktische», die repariere und zupacke. Das war bereits im Schloss Rapperswil so. «Ich erinnere mich gut, dass ich einmal die Eismaschine wieder zum Laufen bringen musste.»

Und was kommt nach «Twist Out»? Hat sie bereits eine Idee für ein neues Produkt? Jutta Jertrum winkt ab. Sie möge ihren Alltag so, wie er jetzt sei. «Was mich aber wirklich beschäftigt, sind die Robidog-Säckli. Als Hundenärrin denke ich: Das muss doch irgendwie auch ohne Plastik gehen!» Um die Umwelt zu schonen, verwende sie oft ein einziges Säckli für ihre beiden Hunde – «auch wenn ich dieses volle Säckli dann zwei Stunden mit mir herumtragen muss».

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