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Unter der Erde wird Abwasser in Energie verwandelt

Energie Zürichsee Linth baut auf dem Gelände der Abwasserreinigung Rapperswil-Jona eine unterirdische Energiezentrale, in der Wärme umgewandelt und weitertransportiert wird. Bereits im nächsten Herbst können die ersten Häuser von Energie aus Abwasser profitieren.

19.11.18 - 04:34 Uhr
Wirtschaft

In Jona entsteht derzeit der erste Abwasser-Energieverbund der Region. Die Idee: Das 10 bis 15 Grad warme Abwasser aus der Abwasserreinigung (ARA) wird nicht wie bisher in den oberen Zürichsee geleitet, sondern dient den Liegenschaften in der Umgebung für Heizung, Bad und Küche. Das Projekt sei eine Win-win-Situation, ist Ernst Uhler, CEO der Energie Zürichsee Linth AG, überzeugt: «Mit der Nutzung der Wärme aus dem Abwasser können wir den Kreislauf schliessen.» Der Energieaufwand für die Umwandlung der Wärme sei gering, hält Uhler fest: «Der Wärmeverbund ist eine pragmatische Möglichkeit, eine ganz neue Dienstleistung zu etablieren.»

«Mit der Nutzung der Wärme aus dem Abwasser können wir den Kreislauf schliessen.»
Ernst Uhler, CEO Energie Zürichsee Linth AG

Das Heizen und Kühlen mit Abwärme bringt auch Vorteile für den See und seine Bewohner, denn diese litten unter dem allzu warmen Abwasser. Durch die Klimaveränderung gibt es im oberen Zürichsee ohnehin schon zu viele Algen. Deren Wachstum wird durch das über 10 Grad warme Abwasser noch angeheizt.

Stadt unterstützt Verbund

Alleine könnte Energie Zürichsee Linth das Projekt nicht stemmen. Die Stadt übernimmt ein Drittel der Projektkosten für den Leitungsbau, nämlich rund 600 000 Franken. Ausserdem verlangt sie von Energie Zürichsee Linth keine Miete für den sich im Bau befindenden Maschinenraum auf dem Gelände der ARA. Den Rest trägt Energie Zürichsee Linth. Insgesamt könnten mit dem Wärmeverbund Jona dereinst rund 1500 mittelgrosse Wohnungen mit Energie versorgt werden. «Die Gespräche mit interessierten Partnern verlaufen sehr positiv», fasst Beat Sommavilla zusammen. Der Leiter der Unternehmensentwicklung bei Energie Zürichsee Linth ist zuversichtlich, das verfügbare Energiepotenzial ausschöpfen zu können. «Wir gehen davon aus, bis 2022 weitere Partner für den Energieverbund gewinnen und das Energiepotenzial ausschöpfen zu können.»

Bis jetzt haben sich 500 Personen dem Joner Wärmeverbund angeschlossen. «Das Sympathische dabei ist, dass diejenigen, welche die Energie nutzen, sie auch selber ‘produzieren’», sagt Sommavilla augenzwinkernd. Der ökologische Kreislauf werde geschlossen. Im Vergleich zu Gas, dessen Lieferung mitunter auch von politischen Faktoren abhängt, ist die Energie aus Abwärme deutlich verlässlicher. «Abwärme ist immer verfügbar, denn die biologischen Abbauprozesse in der ARA laufen rund um die Uhr.» Zudem ist es regional produzierte Energie.

Idealistisches Projekt

Trotz aller Vorteile ist das Projekt derzeit noch nicht rentabel. Zu teuer ist mit 15 Rappen die Kilowattstunde im Vergleich zu Gas (12 Rappen pro Kilowattstunde). Selbst wenn Energie Zürichsee Linth dereinst das Energiepotenzial voll ausschöpfen könnte, werde das Projekt «nicht wahnsinnig rentabel» sein. Dennoch ist Ernst Uhler überzeugt vom Joner Energieverbund: «Das Ziel muss sein, von den fossilen Energien wegzukommen.» Gerade auch im Hinblick auf den jüngsten Klimabericht sei es zwingend, neue Wege in der Energieversorgung zu suchen. Da müsse man halt am Anfang auch bereit sein, zu investieren. «Falls wir die Energiestrategie 2050 wirklich umsetzen wollen, müssen wir in den nächsten Jahren unseren Lebensstil massiv anpassen.»

Zudem kostet die ökologische Abwärme nicht so viel mehr, wie Beat Sommavilla vorrechnet: «Der Unterschied macht pro Tag in etwa den Preis eines Kaffees aus.» Im Vergleich zu anderen alternativen Lösungen wie beispielsweise einer Erdsonde sei die Energie aus Abwärme günstiger, zumindest was Investition und Betrieb angeht.

Auch der Stadtrat befasst sich mit der 2000-Watt-Gesellschaft – nicht zuletzt, weil Rapperswil-Jona seit 2009 das Label «Energiestadt» trägt. Damit ist die Stadt am Obersee eine von 330 zertifizierten Energiestädten der Schweiz. Vor zwei Jahren hat der Stadtrat auch eine Energierichtplanung erlassen. Das Ziel: den Gesamtwärmeverbrauch bis 2035 gegenüber 2011 um 20 Prozent reduzieren. Ausserdem will der Stadtrat den Anteil von erneuerbaren Energien und Abwärmenutzung von heute 11 auf 25 Prozent erhöhen. Beide Ziele beziehen sich auf das Heizen in Haushalten und Firmen, ohne Strom und Mobilität.

Auch kühlen ist möglich

Doch nicht nur heizen möchte Beat Sommavilla mit der Energie aus dem Abwasser, sondern auch kühlen, denn die heissen Sommer sind insbesondere für ältere Menschen sehr bedrohlich. Aus diesem Grund habe er sofort an Alterssiedlungen und Pflegeheime gedacht, erklärt Beat Sommavilla. Ob die Pflegewohnungen im Porthof dieses Kälteangebot nutzen werden, ist noch offen.

Dass der neuartige Wärmeverbund ausgerechnet in Rapperswil-Jona entsteht, sei auch einer glücklichen Fügung geschuldet, erklärt Sommavilla: «Weil die ARA in Rapperswil-Jona relativ zentral liegt, ist die Distanz zu den nächstgelegenen Wohnbauten gering.» Natürlich wäre es ideal, wenn man auch architektonische «Leuchtturmprojekte» für den zukunftsweisenden Wärmeverbund gewinnen könnte. Der Unternehmensentwickler schielt bereits auf das geplante Jona Center, mit dessen Investor er auch schon in Kontakt stehe. «Ich bin froh, hat die Bevölkerung von Rapperswil-Jona das Projekt gutgeheissen.»

So wird aus Abwasser Wärme 
Das gereinigte Abwasser der Abwasserreinigungsanlage (ARA) ist konstant rund 11 Grad warm. 
Anstatt dieses Wasser wie bisher ungenutzt in den oberen Zürichsee zu leiten, fliesst dieses sogenannte Grauwasser künftig in einen Wärmetauscher. In diesem wird dem Wasser ein Teil der Wärme entzogen. Dem in den Fernleitungen zirkulierendem, rund 10 Grad warmen Wasser wird dann in einem nächsten Schritt Ethanol beigemischt. Dieses schützt das gespeicherte Wasser vor dem winterlichen Frost. Hat das Wasser die Leitungen passiert und die Wohnhäuser erreicht, wird es wiederum einem Wärmetauscher zugeführt. Diese Maschine entzieht dem Wasser-Ethanol-Gemisch erneut Energie, welche sie dann der zum Haus gehörenden Wärmepumpe zuführt. Die Wärmepumpe wiederum erzeugt mittels eines komplexen physikalischen Prozesses heisses Wasser für Heizung, Bad und Küche. 
Je nach Bedarf kann dem Wasser-Ethanol-Gemisch mehr oder weniger Wärme entzogen werden um zu heizen oder zu kühlen. 

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