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Nicht nur für den Traum vom Weltmeistertitel

Tim Braillard ist ein Aushängeschild der Schweizer Unihockey-Nationalmannschaft. Um an der Heim-WM im November bestmöglich zu performen, überlässt er nichts dem Zufall.

Stefan
Salzmann
11.08.22 - 17:30 Uhr
Unihockey
Arbeitsplatz im Calandapark: Tim Braillard kann beim Vereinssponsor Clement Elektro einer Teilzeit-Anstellung für seinen Verein Alligator Malans nachgehen.
Arbeitsplatz im Calandapark: Tim Braillard kann beim Vereinssponsor Clement Elektro einer Teilzeit-Anstellung für seinen Verein Alligator Malans nachgehen.
Bild Livia Mauerhofer

Nochmals das Bestmögliche herausholen. Das hat sich Tim Braillard vorgenommen. Im Hinblick auf die Unihockey-WM, die Anfang November in Zürich und Winterthur über die Bühne gehen wird. Ein Karrierehighlight soll es werden. Der Traum vom Weltmeistertitel – er lebt. Der 29-jährige Unihockeyspieler von Alligator Malans ordnet diesem Vorhaben mit der Schweizer Nationalmannschaft und ein paar letzten erfolgreichen Jahren auf Vereinsstufe alles unter. Dafür hat der Spitzensportler eine Ausbildungsstelle bei der Graubündner Kantonalbank (GKB) aufgegeben. Dieser Umstand beschreibt das Dilemma, in dem ein Unihockeyspieler wie er steckt.

Braillard trainiert wie ein Profisportler. Acht bis neun Einheiten pro Woche sind für ihn Normalität. «Früher reichten vier Trainings pro Woche, doch der Aufwand ist von Jahr zu Jahr grösser geworden. Vor allem, weil die Schweden und die Finnen immer mehr Vollzeitprofis haben», sagt er. Braillard ernährt sich wie ein Profisportler. Braillard ruht sich aus wie ein Profisportler. «Regeneratives wie Stretching, Massage und genügend Schlaf ist nicht zu unterschätzen», betont er. Braillard verzichtet auf viel Selbstverständliches – genau so wie ein Profisportler. Aber Braillard verdient nicht wie ein Profisportler. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit einem «normalen» Job.

Nicht nur Spieler: Bei Alligator Malans ist Tim Braillard mittlerweile auch ein Angestellter. 
Nicht nur Spieler: Bei Alligator Malans ist Tim Braillard mittlerweile auch ein Angestellter. 
Bild Dani Ammann

Als er nach zwei Jahren in Schweden auf die Spielzeit 2020/21 in die Bündner Heimat zurückkehrte, ergab sich eine Anstellung bei der GKB. Ein halbes Jahr vor Abschluss dieser Ausbildungsstelle musste er Ende des vergangenen Jahres schweren Herzens einen Schlussstrich ziehen. «Es war kein Entscheid gegen die GKB. Aber ich merkte, wenn ich an der Heim-WM mein bestes Unihockey spielen möchte, musste ich etwas verändern. Da war für mich die Spitzensportlösung vom Militär und das Teilzeit-Jobangebot von Alligator Malans gerade passend.» Hinzu kam, dass er neben Torhüter Pascal Meier und Verteidiger Luca Graf als Werbegesicht der bevorstehenden WM in der Schweiz vorgeschlagen war und dieses Privileg wahrnehmen wollte.

Bekannter und grösser

Deshalb arbeitet der 29-Jährige jetzt reduziert. Statt 80 sind es noch 60 Prozent. Er tut dies für seinen eigenen Verein, Alligator Malans. Bei Clement Elektro, einem Sponsor des Unihockeyklubs, durfte er im Calandapark einen Büroplatz beziehen. Seit Mai arbeitet er drei Tage in der Woche vor Ort, um die Marke Alligator Malans wieder bekannter und grösser zu machen. Möglich werden soll dies mit Vereinsprojekten, doch aktuell schlägt er sich noch mit anderen Tätigkeiten herum. Solchen, die weniger interessant sind. «Aber erledigt werden müssen sie auch», sagt er. Nebenher profitiert er im 40-Prozent-Pensum von der Spitzensportlösung der Armee.

«Wir müssen einen nächsten Schritt tun, um wieder auf die Erfolgsspur zurückzukehren.»

Tim Braillard, Unihockeyspieler von Alligator Malans

Alles in allem versucht der Unihockeyklub mit der neu geschaffenen Stelle, den Anschluss an die Topvereine aus den Städten nicht zu verlieren. «Wir müssen einen nächsten Schritt tun, um wieder auf die Erfolgsspur zurückzukehren», sagt Braillard. Aber nicht ohne nachhaltigen Erfolg. Also nicht mit der Verpflichtung mehrerer ausländischer Topspieler, um kurzfristig mehrere Jahre hintereinander den Titel zu holen. Nein, man will mit fortschrittlicher Junioren-Förderung und konstanten Sponsoringverträgen Schritt für Schritt an die Spitze zurückkehren. «Wenn wir so arbeiten, kommt der Erfolg in der ersten Mannschaft automatisch», sagt Braillard überzeugt.

Was es dafür braucht, fällt dem NLA-Spieler erst jetzt so richtig auf. Beispielsweise wie viele freiwillige Helferinnen und Helfer sich für den Klub engagieren und was von ihnen in unzähligen und meist unbezahlten Stunden geleistet wird. «Das ist mir richtig eingefahren und war eindrücklich zu sehen. Nun schätze ich das mehr als früher.»

Neue Philosophie 

Um vom Spitzensport leben zu können, ist ein Unihockeyspieler noch weit entfernt. Was die Schweizer Akteure im Durchschnitt verdienen, ist meist ein gut behütetes Geheimnis. Viel ist es nicht. Wenigstens können fast alle Spieler von Alligator Malans zu günstigen Leasingkonditionen ein Auto bei der Dosch Garage in Landquart beziehen. «Dazu gibt es ein paar Hundert Franken Lohn pro Monat. Je nachdem wie lange man schon dabei ist», verrät Braillard. Es ist mehr als auch schon. Denn die Philosophie hat sich geändert. Beispielsweise zur Saison 2005/06, als das schwedische Ausländertrio Jussila, Larsson, Olofsson für den Meistertitel verantwortlich war, aber auch das meiste Geld absahnte und die Schweizer Identifikationsfiguren quasi leer ausgingen.

Auf dem richtigen Weg: Tim Braillard investiert drei Arbeitstage pro Woche, um die Marke Alligator Malans wieder grösser und bekannter zu machen.
Auf dem richtigen Weg: Tim Braillard investiert drei Arbeitstage pro Woche, um die Marke Alligator Malans wieder grösser und bekannter zu machen.
Bild Livia Mauerhofer

Auch wenn seither – mit Ausnahme des Schweizer-Meister-Titels in der Spielzeit 2012/13 – die Erfolge ausgeblieben sind, ist der eingeschlagene Weg für Braillard der richtige. «Den ganzen Erfolg abhängig von Top-Ausländern zu machen, wäre auch kein gutes Zeichen an die eigenen Junioren.» Und so hofft der Schweizer Nationalspieler, dass sich der eingeschlagene Weg bald wieder mit Meister- und Cuptiteln auszahlen wird.

Im Optimalfall macht sich Braillards persönlicher Einsatz und auch Verzicht auf so viel Selbstverständliches bereits im November an der Heim-WM bemerkbar. Und doch ist ihm wichtig zu betonen, dass er all dies nicht nur für diese eine WM-Woche investiert. «Falls wir Weltmeister werden würden und ich meinen Teil dazu beitragen konnte, dann hätte sich das alles mehr als ausbezahlt», sagt er. Es würde ihn doppelt freuen. Denn die gute Form käme im zweiten Saisonteil auch seinem Herzensklub Alligator Malans zugute, bei welchem er nicht nur Spieler, sondern eben auch Angestellter ist.

 

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