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Urs Lehmann will die FIS auf Vordermann bringen

Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann spricht im Interview mit Keystone-SDA über seine Kandidatur für das FIS-Präsidium, über seine Chancen auf das Amt und darüber, wer ihn bei Swiss-Ski ersetzen soll.

Agentur
sda
07.04.20 - 15:07 Uhr
Ski alpin
Der langjährige Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann hat klare Visionen für das Amt des FIS-Präsidenten
Der langjährige Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann hat klare Visionen für das Amt des FIS-Präsidenten
KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Urs Lehmann, Sie haben sich viel Zeit gelassen bis zur Bekanntgabe Ihrer Kandidatur fürs FIS-Präsidium. Nun ist es so weit. Das heisst wohl, dass Sie sich wirklich gute Chancen ausrechnen, Gian Franco Kaspers Nachfolger zu werden?

«Ich habe meine Hausaufgaben gemacht und schätze meine Wahlchancen als nicht so schlecht ein, um das FIS-Präsidentenamt in der Schweiz behalten zu können - auch nach 69 Jahren. Eine Garantie gibt es aber keine.»

Der Berner Marc Hodler war ab 1951 während 47 Jahren FIS-Präsident, 1998 übernahm der Bündner Gian Franco Kasper. Nun soll der Aargauer Urs Lehmann folgen. Einige Leute fragen sich: Warum denn schon wieder ein Schweizer?

«Die Nationalität, das Geschlecht, die Hautfarbe, das alles darf keine Rolle spielen. Vielmehr soll man die Person wählen, bei welcher man das beste Gefühl hat und von der man überzeugt ist, dass sie die beste Wahl für diese Position ist. Es ist an mir, die Wählenden von meinen Qualitäten und Fähigkeiten zu überzeugen. Wenn es am Ende heisst, es soll kein Schweizer sein und man wählt mich nicht, dann ist es halt so.»

Bei den vielen Gesprächen, die Sie in den letzten Wochen und Monaten geführt haben: Von welchen Personen und Ländern fühlen Sie sich besonders unterstützt?

«Da muss ich etwas ausholen, ohne im Detail auf die Unterstützer eingehen zu können. Tatsächlich hat mich das Amt schon länger interessiert. Aber ich habe immer gesagt, dass ich mich damit erst definitiv befassen werde, wenn Gian Franco zurücktritt. Im Januar war ich dann einmal bei ihm. Er hat mir alles sehr offen und transparent dargestellt. Vieles habe ich gewusst und einiges doch auch wieder nicht. Dazu habe ich mich bei den wählenden Verbänden über deren Anliegen informiert und mir überlegt, was ich machen könnte. Deshalb weiss ich nun ziemlich genau, wo ich stehe und welche Länder und Regionen mich unterstützen.»

Warum wollen Sie FIS-Präsident werden?

«Es gibt verschiedene Aspekte. Da wo ich jetzt bin, bei Similasan und Swiss-Ski, gefällt es mir sehr - gerade auch die Kombination der beiden tollen Aufgaben. Das FIS-Präsidium ist aber eine Chance, die man wahrscheinlich nur einmal im Leben kriegt. Ich hatte das Privileg, eine solch einmalige Chance schon einmal nutzen zu können, als ich Abfahrts-Weltmeister geworden bin (1993). Zudem traue ich mir diese herausfordernde und grosse Aufgabe zu. Gleichzeitig attestieren mir auch viele Leute, dass ich für diese Aufgabe geeignet bin. Ich spüre national und international grosse Unterstützung.»

Was sind Ihre Wahlkampfthemen?

«Ich habe ein Manifest verfasst. Das ist wie mein offizielles Wahlprogramm. Darin steht zum Beispiel, dass wir den Sport stärken müssen. So gilt es, attraktivere Formate zu finden. Je besser uns das gelingt, desto besser kommen auch die Athleten zum Zug und desto mehr Sponsoren und mehr Geld stehen dem System zur Verfügung. Dieses Geld kannst du wieder in den Sport investieren. Das ist ein Kreislauf nach oben und etwas, dass wir bei Swiss-Ski konsequent angewandt haben. Der zweite Punkt ist: Wenn der Sport attraktiver wird, müssen wir diesen noch besser vermarkten können. Ein Thema für mich ist beispielsweise eine Asien-Tour. Da sind die wachsenden Märkte - und nicht etwa in Europa. Generell: Es braucht keine Revolution, aber eine konsequente Evolution. Das ist mir wichtig.»

Was sind weitere Punkte in Ihrem Manifest?

«Die Corporate Governance muss gestärkt werden, da geht es zum Beispiel um Gender- und Klima-Thematik. Es müssen klare Strukturen geschaffen werden. Auch soll die FIS künftig proaktiv handeln. Im Moment ist sie bei solchen Themen immer einen Schritt zurück. So wie es Swiss-Ski in gewissen Zeiten auch war. Doch da schafften wir es, zurück in den Fahrersitz zu kommen, um wieder selber steuern zu können. Auch geht es mir um eine stärker vereinte FIS. Es gibt über 70 wählende Nationen und dazu noch 60 assoziierte nationale Verbände ohne Stimmrecht. Die Starken stark lassen, aber gleichzeitig versuchen, die schwächeren und mittleren Verbände zu stärken.»

Wenn Sie «FIS» hören, an was denken Sie da?

«In meinem Manifest steht dazu: 'Our future is strong'. Ein Wortspiel, das zu meinem Slogan geworden ist. Die FIS ist als Dachverband einer der stärksten Wintersportverbände. Knapp die Hälfte der zu vergebenden Medaillensätze an Olympischen Winterspielen wird in FIS-Sportarten verteilt. Die FIS hat also in der Vergangenheit ganz vieles richtig gemacht. Auch gab es bei der FIS in den vergangenen Jahren verhältnismässig wenige Skandale und Dopinggeschichten. Der Verband hat ein relativ gutes Image. Jetzt geht es darum, ein gutes und wertvolles Konstrukt ins nächste Zeitalter zu führen. Für mich ist klar, dass man Dinge ändern muss. Anfänglich wird es Widerstand geben. Aber ich bin überzeugt, dass der Endzustand gefallen wird.»

Wegen der Coronavirus-Pandemie musste der FIS-Kongress Mitte Mai in Thailand abgesagt werden. Die Wahl von Kaspers Nachfolger wird frühestens im Herbst durchgeführt werden können. Wie fest ist das zu bedauern?

«Die ganze Thematik um Covid-19 ist grundsätzlich eine Tragödie für die Menschheit. Für die FIS, wo man einen Generationenwechsel anstrebt, kommt die Problematik in einem denkbar ungünstigen Moment. Aber da können wir nichts tun ausser warten und hoffen, dass die Wahl hoffentlich an den Herbstsitzungen in Zürich über die Bühne gehen kann.»

Durch die Verschiebung des Kongresses steht wohl vorher, an der Delegiertenversammlung Ende Juni, Ihre Wiederwahl als Swiss-Ski-Präsident an. Werden Sie nochmals antreten?

«Ja - sofern die DV überhaupt Ende Juni durchgeführt werden kann. Sollte ich nicht als FIS-Präsident gewählt werden, so mache ich bei Swiss-Ski nochmals vier Jahre weiter. Aber klar besteht beim Verband eine Nachfolgeplanung. Wir haben bei Swiss-Ski den Glücksfall, dass Peter Barandun bereitsteht, das Amt zu übernehmen. Klappt das mit mir und der FIS jedoch nicht, dann bleibe ich Swiss-Ski-Präsident und er Vizepräsident.»

Und wie sieht es bei Similasan aus?

«Da bleibe ich sicher dabei, aber meine Rolle würde sich wohl ändern. Das wurde mit dem Verwaltungsrat offen und sehr wohlwollend besprochen. Das ist alles im ersten Quartal passiert, da ich meine Kandidatur ursprünglich beim Weltcup-Finale in Cortina d'Ampezzo verkünden wollte.»

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