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«Die FIS ist reformbereit, aber ein schwerfälliges Konstrukt»

Gian Franco Kasper (75), seit 1998 FIS-Präsident, gibt am Rande der WM in Are der Nachrichtenagentur Keystone-SDA ein Interview. Aufs Gegenlesen verzichtet der Bündner wie immer.

Agentur
sda
16.02.19 - 10:20 Uhr
Ski alpin
FIS-Präsident Gian Franco Kasper (links) in Are im Gespräch mit Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann
FIS-Präsident Gian Franco Kasper (links) in Are im Gespräch mit Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann
KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Gian Franco Kasper, am Mittwoch hat der FIS-Vorstand unter anderem entschieden, dass die alpine Kombination nun doch nicht abgeschafft wird. Was sind die Gründe dafür?

«Es gab sehr viele Leute bei uns im Vorstand wie auch in der ganzen FIS, die der Überzeugung sind, dass wir unsere älteste Disziplin nicht einfach so aufgeben sollen. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige Leute, die die Parallel-Events befürworten. Es war praktisch ausgeschlossen, eine Mehrheit für das eine oder das andere zu finden. Deshalb sind wir typisch schweizerisch einen Kompromiss eingegangen.»

An der WM 2021 in Cortina d'Ampezzo wird es 13 statt 11 Rennen geben. Wie wird das gehen?

«Das ist vorläufig noch offen. Aber diese zwei zusätzlichen Rennen bekommen wir sicher ins Programm. Parallel-Rennen kann man problemlos auch am Abend fahren.»

Wenn man die Kombination für Cortina behält, dann sollten aber auch im Weltcup in den kommenden Saisons Rennen in dieser Disziplin durchgeführt werden.

«Das haben wir gleichzeitig beschlossen. Wir haben aus dem Vorstand eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die den Weltcup-Kalender überarbeiten muss - und zwar bereits den nächstjährigen. Das wird sehr schwer sein, aber es soll wieder mehr Kombinationen geben.»

An wie viele Kombinationen pro Winter und Geschlecht denken Sie?

«Als persönlich erstrebenswert sehe ich drei oder vier. Das wäre ein gutes Ding. Aber es gibt doch einige Orte, die mehr als froh wären, wenn sie auch noch eine Kombination hätten. Die Frage ist dann, wie man das im Gesamtweltcup einbaut. Aber das ist für mich ganz klar: Wenn wir die Kombination bei Weltmeisterschaften und eventuell später auch bei Olympischen Spielen behalten, dann müssen wir auch im Weltcup einige Kombinationen durchführen.»

Was bedeutet der Entscheid des FIS-Vorstands für Olympia 2022?

«Das ist noch offen und auch nicht unser Entscheid.»

Künftig soll es unter dem Namen «Parallel» eine weitere alpine Disziplin geben. Was wurde in diesem Bereich entschieden?

«Das ist nicht eine Angelegenheit des FIS-Vorstands, sondern des Alpin-Komitees. Bis im Frühjahr muss eine Einigung über das Format erzielt sein. Wir können nicht mit diesem Durcheinander weiterfahren. Das Alpin-Komitee hat den festen Auftrag, im Frühjahr mit einer Lösung zu kommen, die dann in der nächsten Saison zur Anwendung kommt.»

Sie sagten, Olympia ist zu gross und zu teuer. Welche Disziplinen würden Sie denn gerne streichen?

«Es geht mir nicht darum zu streichen. Es geht darum, nicht noch mehr dem Gigantismus zu verfallen und mehr und mehr Disziplinen respektive Wettkämpfe rein zu holen.»

Wie gross ist die Gefahr, dass am Ende weder Stockholm noch Mailand Olympia 2026 ausrichten?

«Ich würde die Frage gerne beantworten. Wenn ich es denn wüsste. Die Gefahr besteht natürlich, ist aber nicht mehr ganz so gross. Was ich gehört habe vom Premierminister und all den Politikern, die hier in Are waren, ist die Stimmung eigentlich sehr positiv. In Italien muss man die Regierung ja nicht mehr befragen. Die zwei betroffenen Provinzen haben Ja gesagt, auch zur Finanzierung. Das sollte an und für sich funktionieren. Ich bin froh, haben wir wenigstens zwei von den sieben ursprünglichen Kandidaten übrig für 2026.»

Welcher der beiden Kandidaten überzeugt Sie mehr?

«Schauen Sie, für uns ist es eine Luxusausgabe. Beide Orte haben sehr, sehr viel Erfahrung mit Weltcups in allen unseren Disziplinen. Was immer herauskommt, für uns ist es kein Problem.»

Was hielten Sie also von einer Doppelvergabe auch im Winter?

«Das wäre theoretisch sicher möglich. Doch das steht nicht zur Diskussion.»

Zuletzt wurde Ihnen wieder Behäbigkeit vorgeworfen. Und dass die FIS einen Reformstau habe. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

«Das ist Ansichtssache. Wir bei der FIS waren immer so weit wie möglich reformbereit. Doch wir sind natürlich auch ein schwerfälliges Konstrukt.»

Sie sind gewählt bis 2022 und haben vor der Wahl gesagt, dass auch ein frühzeitiges Ende infrage kommt. Ist das zuletzt wieder aktueller geworden durch den Sturm, dem sie ausgesetzt waren?

«Das hat mich nicht wirklich irritiert. Aber ich habe mir vorbehalten, dass ich etwa 2020 aufhöre. Das wäre eine Möglichkeit. Aber beschlossen habe ich noch nichts. Sonst wäre ich auch eine lahme Ente.»

Werden Sie versuchen einen Wunschnachfolger zu installieren?

«Jein. Es wird einige Kandidaten geben, und ich nehme an, dass unter diesen jemand ist, hinter dem ich voll und ganz stehen kann. Im Moment werde ich sicher nicht mit einem Vorschlag kommen.»

Ihr Interview mit dem «Tages-Anzeiger» hat zuletzt für Wirbel gesorgt. Sie haben sich erst für das Missverständnis entschuldigt, dann der Zeitung unterstellt, dass Sie falsch zitiert wurden...

"...falsch zitiert ist falsch gesagt. Man hat meine Aussagen verändert oder herausgenommen. (Der «Tages-Anzeiger» hat die Audio-Datei mit den fraglichen Interview-Passagen veröffentlicht, um zu zeigen, dass Kasper korrekt zitiert worden ist - Red.) Ich kann immer nur wiederholen: Selbstverständlich glaube ich an die Klimaveränderung. Das sind Fakten, die müssen wir gar nicht diskutieren. Aber ich glaube nicht daran, und da wehre ich mich dagegen, dass das heisst, dass der Schneesport vorbei ist und wir in zehn oder zwanzig Jahren keinen Schnee mehr haben. Im Moment haben wir sicher klimatische Veränderungen, aber ob die anhalten oder nicht, das wäre zu beweisen."

Auch Ihre Aussage über Olympia in Diktaturen hat für Aufregung gesorgt. Was gilt da jetzt?

«Wenn Sie mich fragen, wo ist es leichter, ein neues Skigebiet zu bauen: In der Diktatur oder einer normalen Demokratie, dann muss ich sagen: In einer Diktatur. Aber wir haben mit den Diktaturen praktisch nichts zu tun. Wir sind in demokratischen Ländern und müssen uns mit den Gegebenheiten auseinandersetzen. Was heisst schon Diktatur? Ein Dorfkönig kann das auch sein, der das alles erleichtert. Das kann viel einfacher sein, als über hundert Gremien zu gehen. Aber das hat nichts mit Diktaturen im eigentlichen Sinn zu tun.»

Zum Schluss: Wie zufrieden sind sie mit der WM hier in Are?

«Bis jetzt haben wir Glück gehabt, wir haben keine Aussenseitersiege gehabt...»

... wäre das denn Pech, wenn es Aussenseitersiege gibt?

«Jein. Aussenseitersiege, wenn es mehrere sind, sind schlechte Beispiele für die Fairness des Rennens. Es kommen viele Leute infrage, aber wenn ein Mexikaner die Abfahrt gewänne, würde ich sagen, das ist nicht die beste Werbung für den Skisport. Aber wir sind draussen und müssen mit dem Wetter zurecht kommen. Eine zu hundert Prozent faire Weltmeisterschaft gibt es ganz einfach nicht. Das ist nicht möglich. Sonst wären wir in der Halle oder im Labor.» (sda)

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