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Die grössten Golfer müssen leiden - auch Koepka

Brooks Koepka, der erfolgreichste Golfer der Gegenwart, wird am US Open in Pebble Beach vom Underdog Gary Woodland auf den 2. Platz gedrängt. Koepka könnte aber aus dem Scheitern gestärkt hervorgehen.

Agentur
sda
18.06.19 - 22:00 Uhr
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An den Olympischen Spielen ist der 4. Platz der Platz, den keiner haben will. Ledermedaille. An den vier grossen Golfturnieren, den sogenannten Majorturnieren, ist der 2. Platz am wenigsten beliebt. Wer den Platz innehat, denkt darüber nach, was hätte sein können, wenn er nur ein bisschen besser gespielt oder der andere nicht so viel Glück gehabt hätte. Ein 3. oder ein 5. Platz quälen den Spieler weniger.

Man findet in der Golfgeschichte keinen grossen Champion, der das unliebsame Gefühl eines 2. Platzes nicht mehrfach erlebt hätte. Angefangen in der neusten Zeit bei Brooks Koepka. Der 29-jährige Floridaner gewann vier der letzten neun Majors. Dies ist in der heutigen Dichte der Konkurrenz eine schier unglaubliche Leistung. Aber in der gleichen Zeitspanne wurde Koepka auch zweimal Zweiter, besiegt von Woodland und davor im April dieses Jahre am US Masters von Tiger Woods. Die Geschichte lehrt, dass die grossen Golfer meistens gestärkt aus knappen Niederlagen hervorgegangen sind. So gesehen, könnte das Scheitern vom Wochenende auch Koepka nützen. Es hat noch eine lange Karriere vor sich.

Nicklaus öfter Zweiter als Sieger

Jack Nicklaus, Jahrgang 1940, ist mit 18 Majorturnier-Siegen immer noch der Rekordhalter. Er sagte noch während seiner Aktivzeit, dass er sich nicht nur von Siegen habe antreiben lassen, sondern auch von 2. Plätzen. Der «Goldene Bär» wusste, wovon er sprach, denn an den grossen Turnieren war er 19 Mal Zweiter. Nicklaus, der grösste Sieger, war also in gewisser Weise auch der grösste Verlierer der Golfgeschichte.

Bedauernswerter Greg Norman

Tiger Woods war bis im August 2002 nie Zweiter. Zu diesem Zeitpunkt hatte der junge Tiger schon acht grosse Siege eingefahren. Fortan jedoch lösten sich Siege und 2. Plätze, je sieben, ab. Auch er musste lernen, ein knappes Scheitern zu verarbeiten. Das ungefähre Verhältnis von 2:1 (Siege zu 2. Plätzen) ist ausserordentlich positiv.

Den Kontrapunkt unter den grössten Golfern setzte Greg Norman, der «Weisse Hai» aus Australien. Er gewann zweimal das British Open. Aber dies war viel zu wenig für den Mann, der während insgesamt weit mehr als sechs Jahren die Weltrangliste anführte. Norman schien an den 2. Plätzen - zuletzt waren es neun - zu zerbrechen. Oftmals verlor Norman mit schierem Pech. Im Stechen des US Masters 1987 hatte er den Sieg praktisch schon im Sack, als der amerikanische Aussenseiter Larry Mize aus einer unmöglichen Position von weit ausserhalb des Greens einlochte. Mize' Sieg stellte sich später als Eintagsfliege heraus.

Um in die Etage von Nicklaus, Woods, Koepka und auch Norman zu gelangen, muss ein Golfer mit einer ausserordentlichen Begabung gesegnet sein. Talent allein reicht jedoch bei weitem nicht. Durchhaltewillen, Kreativität und mentale Stärke sind nebst einer ausreichenden Fitness unabdingbar.

Die Reihe von hochgelobten Talenten, die später vieles oder alles schuldig geblieben sind, ist breit. Sogar Sergio Garcia steht darin. Als er 1999 zu den Profis wechselte, wurde der Spanier als «Europas Antwort auf Tiger Woods» gehandelt. Die erwarteten Duelle auf höchster Ebene waren in der Folge sehr selten. Heute, mit 39 Jahren, muss Garcia froh sein, wenigstens einen grossen Titel (US Masters 2017) errungen zu haben.

Unerfüllte Prophezeiungen

Der Amerikaner Rickie Fowler und der Italiener Matteo Manassero gehörten zu den Toptalenten. Vor dem Omega European Masters 2012 in Crans-Montana wurde der populäre Spanier Miguel Angel Jimenez gefragt, wer seiner Meinung nach zuerst ein Major gewinnen werde, Fowler oder Manassero. Jimenez wollte zuerst von der Journalistin wissen, woher sie komme. «Aus Italien», sagte sie. «Ich glaube, dass Manassero zuerst gewinnen wird», sagte Jimenez. Heute, sieben Jahre später, hat keiner von beiden etwas Grosses gewonnen. Manassero hat sogar das reguläre Spielrecht auf der europäischen Tour eingebüsst.

Es ist möglich, dass es den jüngsten Profis nicht guttut, wenn sie als künftige Champions gefeiert werden, noch bevor sie etwas Rechtes geleistet haben. «Der neue Bernhard Langer ist da», hiess es sinngemäss in Deutschland, als Dominic Foos 2014 mit 17 Jahren zu den Profis wechselte. Schon 2015 gewann der Jüngling aus Karlsruhe ein Turnier auf der zweitklassigen Challenge Tour. Aber damit hatte es sich, bis heute. Foos stagniert und kämpft nach wie vor um den Aufstieg in den höheren Circuit. Ist er einmal auf der Europa-Tour angelangt, ist er noch nirgends. Denn im Weltgolf spielt die Musik in den USA und auf der dortigen Tour.

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