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Für Guerrini ist Geduld statt Angriff angesagt

Cross-Country-Mountainbiker Marcel Guerrini will in diesem Jahr zu alter Stärke zurückkehren. Derzeit kuriert der Neuhauser aber eine Verletzung aus.

Bernhard
Camenisch
10.05.19 - 22:53 Uhr
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Ein neues Team, neuer Elan – nach einer missglückten letzten Saison wäre Marcel Guerrini bereit gewesen, wieder anzugreifen. Damit muss der 24-Jährige aus Neuhaus warten, stattdessen muss er sich in Geduld üben. Knieschmerzen haben ihn Anfang Woche zum Entscheid gezwungen, vorerst keine Rennen zu fahren. Die Pause wird sicher bis nach der Schweizer Meisterschaft am 2. Juni dauern. Somit lässt Guerrini auch die beiden ersten Weltcups der neuen Saison aus.

Es sind der innere Oberschenkelmuskel des Quadrizeps und die Knochenhaut, die entzündet sind und für die Beschwerden im linken Knie sorgen. Zudem hat sich Flüssigkeit gebildet. «Auf einer Skala bis zehn ist der Schmerz bei zwei bis drei», erklärt Guerrini, «aber es ist halt ein konstanter, dumpfer Schmerz.» Dieser soll nun vollständig abklingen. Es sei schwierig, vorherzusagen, wie lange dies dauere. «Wenn ich schon pausiere, werde ich so lange warten, bis es wieder 100-prozentig gut ist», so Guerrini.

Ehrgeizig, aber vernünftig

Er weiss, wovon er spricht. Denn erstmals traten die Kniebeschwerden Ende Februar auf – just am Anfang eines dreiwöchigen Trainingslagers in Südafrika. Nach der Heimkehr wurden medizinische Abklärungen gemacht und der Spitzenmountainbiker konnte zuletzt wieder fünf Wochen trainieren, ehe es zum Rückschlag kam.

«Wenn ich schon pausiere, werde ich so lange warten, bis es wieder 100-prozentig gut ist»

Nun ist vorerst primär Rumpftraining angesagt. Schwimmen geht auch, weil dies knieschonend ist. Ab und zu darf sich Guerrini für eine Stunde auch aufs Bike setzen, wird dabei aber zum Hobbyfahrer – in Turnschuhen ohne Klickpedale und auf flacher Strecke. Fast täglich geht er in die Physiotherapie, und er ist in regem Kontakt mit seinem Arzt. Geduld gehört zwar nicht zu Guerrinis Stärken, «aber ich kann abwägen, was sinnvoll ist. Ich bin mega ehrgeizig, aber trotzdem vernünftig.»

Der 24-Jährige muss die Pause als Investition in die Zukunft betrachten. Sehr ärgerlich ist sie trotzdem. «Ich wollte als Leader im neuen Team zeigen, dass ich schnell fahren kann.» In der vergangenen Saison, seiner zweiten im Elite-Feld, gelang ihm dies bei Weitem nicht so, wie er sich das vorgestellt hatte. Der 18. Platz beim Weltcup-Auftakt Anfang März in Südafrika war vielversprechend, danach blieben gute Resultate aber aus. Guerrini verzichtete freiwillig auf die EM im August, weil er sich nicht konkurrenzfähig sah, und er verpasste die Qualifikation für die Heim-WM in Lenzerheide.

Ein schwieriges Jahr liegt zurück

Die Schuld sucht der Neuhauser bei sich: «Im 2018 trainierte ich zu früh zu lange im Süden. Ich war mental schon fast ausgelaugt, als die Saison im Mai so richtig begann.» Psychisch erschwerend hinzu kam die ungewisse Situation in seinem damaligen Focus XC Team. Schon im Herbst 2017 gab es Gerüchte um eine bevorstehende Auflösung. Im Verlauf der vergangenen Saison wurde das Ende des deutschen Teams, für das auch der Joner Florian Vogel, zugleich Guerrinis Coach, fuhr, konkreter.

Die Situation des Teams sorgte nicht nur für Stress und schlechte Stimmung. Guerrini gibt zu bedenken, dass deshalb und auch wegen der fehlenden Resultate bei ihm eine regelrechte Existenzangst vorhanden war. Tatsächlich war das Focus XC Team nach der Saison am Ende, und Guerrini musste feststellen, dass die Vergangenheit im Sport nichts zählt. War er zwei Jahre davor noch gefeierter Shooting-Star, der 2016 an der U23-WM Bronze und ein U23-Weltcup-Rennen gewonnen hatte, blieben nun die Angebote aus.

Von Freunden gepusht

Im November konnte Guerrini doch noch einen Vertrag unterzeichnen. Dies im Team JB Brunex Felt. Es ist eine familiäre, im Aargau ansässige Equipe. Teamchef Joe Broder beschäftigt ausschliesslich Perspektivfahrer, sechs Frauen – darunter U23-Weltmeisterin Ramona Forchini – und vier Männer. «Das Team ist super, ich habe alles, was ich brauche – an Material und Support», sagt Guerrini.

«Ich wollte als Leader im neuen Team zeigen, dass ich schnell fahren kann»

Der leidenschaftliche Kaffee-Tüftler, der im letzten Herbst einen Monat als Barista im Rare Street Coffee in Rapperswil-Jona arbeitete, hofft, dass er Anfang Juli beim dritten Weltcup der Saison wieder an der Startlinie stehen kann. «Der weitere Saisonverlauf wird dann zeigen, was noch drinliegt. Die WM Ende August habe ich nicht komplett abgeschrieben.»

Guerrini weiss, dass die Konkurrenz um die WM-Startplätz nirgends so gross ist wie in der Schweiz. Auf dem Weg zum Comeback ist dies aber kein Nachteil. Sollte er im Juni wieder voll in die Pedale treten können, werden ihm die gemeinsamen Trainings mit den anderen Spitzenmountainbikern aus der Region Aufschluss über seinen Formstand geben. Guerrini sagt: «In diesen Trainings wird man immer gepusht. Neid untereinander gibt es nicht, im Gegenteil, das sind schöne Freundschaften.»

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