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Tipps von den Experten: So klappts mit dem ersten Marathon

Der Berlin-Marathon vom Wochenende gehört zu den renommiertesten Marathon-Events der Welt. Was braucht es, um sich als Amateurläufer an die 42,195 Kilometer heranzutasten? Zwei Experten klären auf.

Roman
Michel
23.09.23 - 04:11 Uhr
Freizeitsport
Gewaltige Masse: Die Teilnehmenden des Berlin Marathon rauschen vor dem Brandenburger Tor durch.
Gewaltige Masse: Die Teilnehmenden des Berlin Marathon rauschen vor dem Brandenburger Tor durch.
Bild Andreas Gora / Keystone

Dario Cologna hat ihn. Den Traum vom Marathon. Am Wochenende absolviert der Ex-Langlaufstar am Berlin-Marathon – zusammen mit Zehntausenden anderen Läuferinnen und Läufern – seinen ersten Lauf über 42,195 Kilometer. Auch andere haben ihn. Doch was  braucht es für den ersten Marathon? Wie bereitet man sich am effektivsten vor? Jasmine und Guy Nunige, selbst passionierte Läufer und Lauftrainer aus Davos, sagen, worauf es ankommt. 

Trainingsaufbau

Ein Hobbyläufer mit einer gewissen Grundausdauer könne sich nach rund vier Monaten Vorbereitung an den Marathon wagen, sagt Jasmine Nunige. Optimal ist aber, sich etwas länger Zeit zu nehmen. Guy Nunige rät: «Qualität vor Quantität.» Bei zu vielen und zu intensiven Trainingseinheiten steigt das Verletzungsrisiko. Oft wird das Aufbautraining in drei Phasen eingeteilt. Zuerst: sehr kurze, aber intensive Einheiten. Dann: Läufe von 30 bis 60 Minuten Dauer. Und schliesslich: Einheiten über 25, 30 Kilometer in der Marathon-Geschwindigkeit. Guy Nunige rät davon ab, im Training schon die volle Marathondistanz zu laufen. Zum sauberen Aufbau gehört auch Techniktraining. Ein ökonomischer Laufstil hilft, Kraft zu sparen und Verletzungen vorzubeugen. Der Experte empfiehlt zudem, die Ausdauerstunden nicht bloss mit Joggen zu sammeln. Auch Einheiten auf den Langlaufski oder auf dem Bike haben den gewünschten Effekt. Und: «Geht in die Berge, in die Natur.» Das Auf und Ab, der unebene Boden und die Bremswirkung beim Abwärtslaufen führen zu anderen Belastungen und zur Stärkung der Muskulatur. 

Spektakulär: Die läufer vor der Siegessäule in Berlin.
Spektakulär: Die läufer vor der Siegessäule in Berlin.

Krafttraining

Neben den Laufeinheiten lohnt es sich, auch Übungen für die Muskulatur ins Training einzubauen. Mindestens eine Krafteinheit pro Woche empfiehlt Jasmine Nunige. Zu Beginn der Marathon-Vorbereitung empfiehlt die Expertin gar zwei Einheiten pro Woche. Im Fokus steht primär die Rumpf- und die Gesässmuskulatur. Diese Partien lassen sich auch zu Hause trainieren, ein Fitnessabo ist nicht zwingend. 

Zielsetzung

Es lohnt sich, schon früh im Marathon-Projekt klare und realistische Ziele zu definieren. Wann will ich einen Marathon laufen? Strebe ich eine konkrete Zeit an? Oder will ich einfach durchkommen? Mit diversen Tests über kürzere Distanzen kann eine realistische Marathonzeit berechnet werden.  

Jasmine Nunige: Die Expertin rät, Krafteinheiten ins Training zu integrieren.
Jasmine Nunige: Die Expertin rät, Krafteinheiten ins Training zu integrieren.

Regeneration

Das beste Mittel zur Regeneration? Der Schlaf. «Sofern es neben Beruf und privaten Verpflichtungen in den Alltag passt, tut nach einer strengen Einheit eine Siesta gut», sagt Jasmine Nunige. Weitere Möglichkeiten: Massage oder Sauna. «Die Regeneration beginnt aber bei der Ernährung», so Jasmine Nunige (siehe nächster Punkt). Übrigens: Es lohnt sich, vor einem Marathon auch im mentalen Bereich zu arbeiten, um psychische Stolpersteine zu überwinden. Etwa, wenn es im Training Phasen gibt, in denen man keinen Fortschritt spürt. 

Ernährung

«Die Ernährung ist das Benzin für den Körper», sagt Jasmine Nunige. Heisst: Eine ausgewogene, gesunde Ernährung ist in der Marathon-Vorbereitung essenziell. Gerade nach dem Training müssen die Speicher gefüllt werden. Der klassische Teller Pasta ist längst überholt. Auch Eiweisse und Fette sind wichtig. Hinzu kommt die Flüssigkeitszufuhr. Jasmine Nunige rät, den «gesunden Menschenverstand» walten zu lassen. «Das Allerwichtigste ist, die Freude am Essen zu behalten und sich auch nicht zu ‹überfüllen›.»  

Guy Nunige: «Qualität geht vor Quantität.»
Guy Nunige: «Qualität geht vor Quantität.»

Streckenwahl 

Wo solls klappen mit der Marathon-Premiere? Die Distanz ist zwar überall die gleiche. «Es gibt aber dennoch riesige Unterschiede», sagt Jasmine Nunige. Etwa was das Höhenprofil oder die Bodenbeschaffenheit (Asphalt, Natur) betrifft. Entscheidend ist auch das Drumherum. An grossen Städtemarathons wie in Berlin stehen Zehntausende von Läuferinnen und Läufern am Start. Hinzu kommen Hunderttausende von Zuschauenden am Strassenrand. «Die Kulisse ist grandios», sagt Nunige. «Das Ganze kann aber, gerade beim ersten Mal, überfordernd sein.» Teilnehmende müssen mit stundenlangen Wartezeiten rechnen. Kommt dazu, dass man vor dem Rennen nicht im vertrauten Bett, sondern im Hotel übernachtet. Marathon-Orte wie Zürich oder Lausanne sind da einfacher erreichbar. Und überschaubarer. 

Ausrüstung

Die Carbonschuhe hätten den Laufsport revolutioniert, sagt Jasmine Nunige. Studien zeigen, dass die Geschwindigkeit um rund 1,5 Prozent erhöht werden kann. Eignen sich Carbonschuhe auch für Marathoneinsteiger? «Nur bedingt», sagt die Expertin. «Die Schuhe sind wie eine Hochleistungsmaschine. Sie erhöhen die Kräfte auf die Sehnen und Muskeln und damit auch die Verletzungsgefahr.» Wichtig ist in jedem Fall, den Schuh im Training mehrmals zu testen. Und was ist mit der Kleidung? «Nicht zu viel anziehen», rät Jasmine Nunige. «Beim Laufen wirds schnell warm.» 

Jasmine Nunige ist in Davos aufgewachsen. Als junge Läuferin war sie Mitglied des Schweizer Nationalteams und machte sich später vor allem in Bergmarathons einen Namen. 2013 bestritt Nunige in Berlin ihren ersten Marathon in rund 2:39 Stunden – gleichbedeutend mit der EM-Limite. Heute begleitet Nunige als Reiseleiterin Laufgruppen an grosse Marathons. Guy Nunige stammt aus Frankreich und wurde 1991 französischer Meister über 1500 m. Sieben Jahre später lief er den Wien-Marathon in 2:20.32 Stunden. Er ist Konditionstrainer in diversen Ausdauersportarten und betreut als Personal Coach unter anderem junge Leistungssportler. Mehr Infos: www.nunige.ch. (rmi)

Roman Michel ist Leiter Sport. Er arbeitet als Sportreporter und -moderator bei TV Südostschweiz. Weiter schreibt er für die gemeinsame Sportredaktion der Zeitung Südostschweiz und suedostschweiz.ch. Roman Michel studierte Journalismus und Organisationskommunikation und arbeitet seit 2017 für die Medienfamilie Südostschweiz.

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